M ■ L'
S i
' » ■
Beachtung finden konnten, als sie nicht Objekte der Lichenographie
waren.
Unter den örtlich und zeitlich gesonderten Pycnideuzuständen der
Flechten gibt es eine höchst merkwürdige Erscheinung, welche ich in
Kürze erwähnen will, weil sie ausser vielen anderen Vortheilen für die
Wissenschaft auch ein altes Vorurtheil über die Substratswahl der Flechten
vernichtet. Schon meine Beobachtungen der Fleohtenvegetation in den
jüngsten, noch grünenden Zweigen aller verholzenden Gewächse ohne
Unterschied der Grosse hatten unsere Anschauung von den Lebeusverhältnissen
der Lichenen beträchtlich erweitert. Unter den Forschern, welche
meine Studien dieser in dem Haushalte der Natur eine hoohbedeutonde
Kollo spielenden endophloeoden Flechten iu gleich liebenswürdiger wie
thätiger AVeise fordern, hat Dr. He g e t s c h w e i t e r von den der Beachtung
empfohlenen winzigsten verholzenden Pflänzchen seinen Blick auch auf
ein- bis mehrjährige krautige Gewächse gelenkt und die AVissenschaft mit
der Auffindung des Flechtenlebens auch in einem so ungewöhnlichen Substrate
bereichert. Dass zahlreiche wahre Lichenen eine Lebensdauer nicht
über ein halbes Jahr hinaus besitzen, hatte ich bereits früher hervorgehoben,
was an der nur wenige Monate umfassenden Lebenszeit von Arten der
Gattungen Hypericum, Iris, Awjelioa, Galeopsis, der Gramineen jetzt noch
unzweifelhafter hervortritt. Die von H e g e t a c h w e i 1 e r auf diesen Pflanzen
gefundenen Flechten sind alle sterile Pycnidenzustände, welche einerseits
wegen ihrer ziemlich geringen Grösse, andererseits wegen des gänzlich
unbeeinflusst Weihenden Aussehens der betreifenden grünen Pflanzentheile
den Botanikern, namentlich den Mycologen entgingen. Vielleicht noch
deutlicher zeigt sich dieser in der Flechtenwelt niedergelegte, im schroffen
Gegensätze zu dem Pilzleben stehende, Grundgedanke des vollständigen
Ausschlusses vernichtender Einwirkungen des endophloeoden Lagers auf
das Substrat'), wenn solche Pycnidenzustände ausser auf Blattstengel und
Knospeudeckschuppen auch auf Blätter, wie dies bis jetzt bei Rosen und
Eichen von H e g e t s c h w e i l e r gefunden wurde, übergehen. Man muss
das zarte Lager mit seinem in üppiger Entwickelung befindlichen Gonidema,
wie es jede Spaltöffnung des Rosenblättchens vermeidet, gesehen haben,
um die ungeschwächte Lebenskraft der in strotzender Gesundheit vegetirenden
Pflanzentheile begreifen zu können, obwohl dieselben an beiden
Flachen nicht selten dicht durchwucliert sind, und um sich dieselbe Erklärung
dafür, dass diese Eigenthümlichkeit des Fleohtenlebens bisher
') Der in dem Leben der Lecidea Diapensice Th. Fr. von dem Autor gefundene
wahre Parasitismus lässt sich auf andere AVoisc, als man denkt, erklären.
unbeachtet blieb, zu wiederholen. Da also das den Flechten und Pilzen
gemeinsame Lebensgebiet um ein beträchtliches Stück jetzt ausgedehnt
erscheint, so tritt gerade hier die neue Lehre von dem AA^esen des Lichen
mit einer glänzenden üeberzeugungskraft hervor, indem auch hier das
Microgonidium in a l l e n Zellen dieser Gewebe das Kriterium gegen das
Pilzmyoelium abgibt.
Gleichsam als eine Vermittelung zwischen diesen gesonderten Zuständen
des Flechtenlebens kommt bei den endophloeoden Lichenen eine
sonderbare Erscheinung vor, welche, wie wenige andere, für die Lehre von
den Pycniden von der bedeutendsten Tragweite zu werden verspricht. Es
gibt anf den Zweigen verholzender Gewächse winzige Flechten, unter denen
die Gattung Cyrtidula das Hauptkontingent ste llt, welche auf einem mit
Gonangien ausgestatteten Lager Apothecien erzeugen. Nachdem die kurze
Lebenszeit eines solchen Lagers ahgelaufen, flüchtet es sich gleichsam
abschnittweise in die tiefsten Peridermschichtcn und oft über diese hinaus,
um dort die Erzeugung von Pycniden zu beginnen. Schilfert sieh das
Periderma dann im Laufe der nächsten Zeit ab und vergeht damit das
endophloeode Lager in weiter Ausdehnung, so bleiben die Pycniden zurück,
um einen neuen Lehenszustand der betreifenden Fleohten ahzugeben. Jene
fortgehenden Peridermalagen tragen mit sich die reifen Apothecien fort
und sorgen so für e i n e Fortpflanzung der Art. Unterdessen ist aber das
Lager auch in die äussersten Zweigenden vorgedrungen, wo es unbehelligt
von den Veränderungen an der Oberfläche des Substrates verharrt, bis das
weitere AVachsthum des letzteren eine Ausbreitung uud neue Entwickelung
von Apothecien gestattet. Am lehrreichsten ist in dieser Hinsicht die vor
kurzem in Arn. exs. n. 732 herausgegebene Cyrtidula forax Minks. Die
Stylosporen dieser Flechte empfehlen sich aus zwei Gründen zu einem
eingehenden Studium. Da ein ziemlich frisches Materiale vorliegt, so ist
der Anblick der in den vier, die reife Stylospore zusammensetzenden Zellen
zu einem bis vier in wechselnder Grösse vorhandenen, ziemlich intensiv
blaugrünen Microgonidien ein um so überzeugenderer, natürlich nur bei
einer Anwendung der so oft hier empfohlenen üntersiiohungsmethode. Diese
Organe sind hier auch noch dadurch merkwürdig, dass sie nicht nur als
acrogene, sondern auch als mesogene Gebilde auftreten, was bei vielen
bisher unbekannten Pycniden endophloeoder Lichenen der Fall ist. Diese
Thatsache, au welche sich die durch L a n d e r L i n d s a y bekannt gewordene
Beobaohtung mehrerer Stylosporen im Verlaufe einer und derselben Ilyphe
anschliesst, vermittelt, wie wenige andere, den Uebergang zu der Blastesis,
wie sie in diesen Zeilen bekannt wurde, dieselbe macht es aber auch
höchst wahrscheinlich, dass N y l a n d e r zu seiner Bemerkung von der
; . y
U- : 3 , V, -I !
I i ■ «
9
1
" ^ 1
! I
; ^
i,i 'i r
t