Baues uud der weiteren Entwickelung, also des gesammten Wesens, lier-
vorging, so wird es nicht weiter überraschen, gleiche Verhältnisse bei
der Aufdeckung des Wesens der Stylospore der Lichenen anzutreffen.
Als ich im Sommer des J. 1875 das Wesen der Stylospore erkannte,
stand mir noch nicht die Kenntniss des Lichen, wie ich dieselbe jetzt
vorzuführen vermag, unterstützend znr Seite. Namentlich war es die Anschauung
von gonidienerzeugenden Organen, von deren Einflüsse ich mich
noch nicht vollkommen befreiet hatte. Daher betrachtete ich auch, seitdem
ich in den Stylosporen der Flechten das Dasein von Gonidien
erkannt hatte, die Pycniden als seoundäre gonidienerzeugende Organe,
ohne aber von der üeberzeugung von der Wahrheit meiner Anschauung
durchdrungen zu sein. Was mich zweifeln liess, war die stets aufstossende
Thatsache, dass mit dem Entwickelungsgange der Pycnide das Auftreten
des Hyphema enge verknüpft ist, so dass ich die ersten Gedanken an eine
mit diesem Organe begründete Blastesis fasste. Diese neue Lehre von
der Pycnide verspricht eine der umfangreichsten der gesammten Pleohten-
morphologie zu werden, wesshalb man in einer vorläufigen Mittheilung
nur die ersten Andeutungen erwarten kann. Um eine befriedigende Ueber-
sichtlichkeit dieses Gebietes zu erzielen, ist noch jahrelange Arbeit erforderlich.
Schon der historischen Bedeutung halber will ich die anziehende
Schilderung meiner Entdeckung nicht unterdrücken.
Als ich die in meiner Abhandlung über das Gonangium u. s. w.
veröffentlichten Studien abschloss, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen,
die auf der Kruste gewisser Pertusaria-Axten oft in Menge vorkommenden
difformen dunkel gefärbten Körperchen einer Untersuchung zu
unterziehen, um so weniger als diese selben Arten die fort und fort stattfindende
Ausbildung des Thallus in der Vegetationszone mittelst besonderer,
schon im Habitus abweichender Organe besorgten. Ich war im
höchsten Maasse überrascht, in diesen Körpern ausser Gouotrophien
Pycniden oder spätere Entwiokelungsznstände derselben vorzufinden. Die
sichelförmigen, zuerst hyalinen, dann sich bräunenden Stylosporen von
Pertusaria muUipmicta, welche die ersten Anhaltspunkte lieferte, haben,
wie sie in den Conceptacula der Pycniden eingeschlossen liegen, keinesweges
das Ziel ihrer Ausbildung ■ erreicht, vielmehr setzen sie dieselbe,
nachdem sie ihre Verbindung gelöst haben, fort. Sie machen die Fortsetzung
ihrer Ausbildung in der Gallerte, welche sich durch Auflösung
aller übrigen Bestandtheile der Pycnide bildet, durch. In dieser durch
Vertheilung des Farhestoffes des Conceptaculum meist weinrothen Gallerte
beginnen die Stylosporen zu wachsen und sich anfangs nach dem Typus
einer Spore zu theilen, neben welcher dann aber später an den Enden
die Ausstülpung einzutreten scheint. So wachsen die Stylosporen, aber,
wie es scheint, immer nur in verhältnissmässig geringer Zahl zu Körpern
heran, welche aus zahlreichen grossen kugeligen gefärbten Zellen zusammengesetzt
an Gonidienketten erinnern, in denen von einem gewissen Mittelpunkte
an nach den Enden hin eine allmälige Verjüngung durch Verkleinerung
der Zellen ausgesprochen ist. Diese mächtigen Gebilde liegen
etwas untereinander verschlungen in der unterdess von dem Hyphema
durchzogenen Gallerte. In den Zellen beginnt die Entwickelung von
Gonidien. Dieselben verdanken keineswegs einer endogenen Neubildung
ihre Entstehung, in welchem Falle die Bedeutung eines gonidienerzeugenden
Organes mehr Platz ergreifen müsste, sondern die-erste zarte Zelle,
welche sich als Stylospore von der microgonidienhaltigen Hyphe abschnürte,
umschloss den gleichen Inhalt, welcher mit seiner Vermehrung
die Ausbildung der Stylospore begleitete, um alsdann an seine eigene
Ausbildung heranzugehen. In den grossen braunen Zellen, welche später
sicii aus dem gemeinsamen Verbände lösen, findet man am Schlüsse blau-
grüne Gonidien, welche allmälig eine saftgrüne Farbe annehmen; sogar
die sogenannte Zoogonidieiibildung fehlt nicht. Der weitere Entwicke-
hingsgang der nun gonidienhaltigen Gallerte, in welchem die Ausbildung
des Hyphema zum Gono-hyphema eine Hauptrolle spielt, ähnelt bedeutend
demjenigen des Gonotrophium, nebst den au dasselbe geknüpften
Sprossungsvorgängen, es sind sogar gewisse Zustände des letzteren Gebildes
mit späteren Stadien der Pycniden zu verwechseln. ¡Auch der gleiche
Habitus der Difformität verwischt die Grenzen, so dass ich es für nicht
unwahrscheinlich halte, dass das Gonotrophium auch mit der Pycnide in
einem morphologischen Zusammenhänge steht.
Man scheint noch bis zur Stunde den Glauben zu hegen, dass die
Pycniden zu den selteneren Flechtenorganen zu zählen sind. Dies trifft
im allgemeinen vielleicht für das Gebiet der höheren Lichenen zu, denn
ein massenhaftes Auftreten dieser Organe scheint nur den endophloeoden
Lagern eigenthümlich zu sein. Meine Studien dieses Lagers überhaupt,
vor allem die fleissige Beobachtung der Cyrtidula-Ye^etaiion in dem Peri-
derma der verholzenden Gewächse führte mich zu der Entdeckung, dass
die von endophloeoden Lichenen erzeugten Pycniden massenhaft auftreten,
oft an Zahl den Gonangien nicht naohstehen, und zu der Ahnung, dass
vielleicht jedes endophloeode Lager ausser seinem apothecientragenden
Zustande einen pycnidcnführenden besitzen möchte. Dass dieser letztere
bisher nur bei einzelnen Flechten bekannt wurde, erklärt sich aus der
Thatsache, dass diese Organe nicht selten so klein sind, dass sie die
grösseren Gonangien nicht viel tibertreffen, und daher um so weniger
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