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wie im Lichte des Tages scharf und in den zartesten Farbentönen bestimmt,
indem sie wie auf eine weisse Fläche gezeichnet sich darstellen. Da für
diese üntersuchnngen die Sommerzeit vom Ende des Mai bis nach Mitte des
October, also fast fünf Monate, aufgewendet wurde, so zwar, dass mit Ausnahme
weniger Tage der grösste Abschnitt des hellen Tages zur Verfügung
stand, konnte diese überaus günstige Zeit, weil ferner der Beobachtungsort
entsprechend dem Stande der Sonne gewechselt werden konnte'), vollkommen
ausgenutzt werden.
Eine der merkwürdigsten Erscheinungen des Pflanzenlebens, welche
die Lichenologen ^ und die Algologen in gleicher Weise angezogen haben,
liegen in den Gebilden vor, welche man unter Nostoc, unter den Nostocaceen
begreift. Obwohl die äusserst dürftige Kenntniss über ihren Lehenskreis seit
T h u r e t und J a n c z e w s k i den Unbefangenen ahnen Hessen, wie wenig
erst von die^m eigeiithümliohen Pflanzenleben der Erkenntniss zugänglich
geworden sei, genügte doch S c h w e n d e n e r die h i s t o r i s c h e Thatsache,
dass die Algologie jene Gebilde, weil sie eines Hyphensystemes entbehrten
und in Consistenz und Lebensweise au gewisse Algen erinnerten, ihrem
Reiche einverleibt hatte, um die Stelle einer n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n
Thatsache zu vertreten. Und mit dem Experimente von R e e s s wurde diese
Thatsache über alle Zweifel erhoben, und die Gallertfleohten, wie alle anderen,
wurden aus der Zahl der autonomen Pflanzen gestrichen. Schien doch
das Experiment nur die durch alle Zeiten bis in die neueste Gegenwart wiederholte
Beobachtung, dass Nostocs sich zu Coüemaceen umwandeln, zu bestätigen
und für die umgekehrte Beobachtung, dass sich von ColUmaceen aus Nostocs
entwickeln, die einfachste Erklärung zu liefern. Die Nostocaceen haben aber in
der Geschichte der Lehre S c h w e n d e n e r ’s noch eine besondere Bedeutung,
indem nämlich die üebereinstimmung ihres Baues mit dem Gonidiensystem
von Gallertflechten d e B a r y zu der bekannten Alternative veranlasste.
Die Behandlung des Wesens Yon Nostoc vom l i c h e n o l o g i s e h e n Standpunkte
erscheint noch aus dem Grunde besonders wichtig, weil einzelne
Physiologen sich S c h w e n d e n e r nur in Bezug auf diese Gallertflechten
anschhessen, für alle anderen aber jene Theorie nicht gelten lassen. Der
Nachweis des oausalen Zusammenhanges zwischen Collemaceen und Nostocaceen
würde also alle Anhänger der Lehre abwendig machen können. Dieser
Nachweis würde aber einerseits eines der ältesten Probleme der Botanik
lösen, andererseits aus der Algologie eine beträchtliche Reihe von auto-
’) Für die Feststellung bisher unsichtbar gebliebener Farbentöne erwies sich
die von einem der n i e d e r g e h e n d e n Sonne gegenüberatehenden weissen
Ge-wölke gelieferte Beleuchtung als die beste.
nomen Pflanzen fortnehmen. Also für die Entscheidung über die Lehre
S c h w e n d e n e r ’s konnte keine andere „Alge“ von höherer Bedeutung
sein, als diese. Allein die Folgen aller neuen Thatsachen für Lichenologie
und Algologie treten zu sehr in den Vordergrund, die neuen Beiträge zur
Lehre von der Pflanzenzelle nehmen die ganze Aufmerksamkeit in Anspruch,
so dass die Vernichtung der Lehre S c h w e n d e n e r ’s zu einer
unbedeutenden Nebensache herabsinkt.
Da nun in diesen Zeilen ausser den allgemeinen den Bau und das
Wesen des gesammten Fleehtenkörpers betreffenden Aufschlüssen noch besondere
über die Natur des Spermogonium und Spermatium, die Pycnide
und die Stylospore, ferner die Schilderung einer nicht unbeträchtlichen
Zahl neuer Organe gegeben werden sollen, so Hegt es der Ahnung nahe
genug, dass die gesammte Lichenologie hiermit in eine ganz neue Bahn
zn gelangen beginnt, bleibt ihr doch nach der Aussicht auf den Fall der
Anschauung, dass der Fleohtenkörper aus Hyphen und Gonidien bestehe,
nicht einmal mehr die für unerschütterlich gehaltene Ansicht, dass d ie
F l e c h t e n s p o r e das Er z e i i g ni s s e n d o g e n er f r e i e r Z e l l b i l d u n g
und e i n e v o l l k omme n e F l e c h t e w i e d e r z u e r z e u g e n f ähi g sei ,
erhalten. ’
Die Lichenologie besass bisher nicht eine einzige den Lebonskreis
einer Flechte schildernde Leistung. Wäre nur eine einzige solche vorhanden
gewesen, so würde dem seit einigen Jahrzehnten in dieser Wissenschaft
herrschenden Treiben der Boden entzogen worden se in, so würde
der botanischen Welt S c h w e n d e n e r die Aufstellung seiner Lehre erspart
haben. Wie ich bereits früher ausgeführt habe, die Lichenologie wurde
isoHrt und isoHrte sieh selbst beharrlich. Man schien sich gar niemals
bewusst zu werden, dass man sich in dem Gebiete der Kryptogamen in
unmittelbarer Nachbarschaft der Myoologie b ew eg e , sonst würde man
vielleicht in der Gegenwart zn der Ahnung gelangt se in, dass sich ähnliche
Erscheinungen, wie Generationsfolge und Generationswechsel, in der
Fleohtenwelt wiederholen. Schon lange war es mein Lieblingswunsoh gewesen,
einmal in möglichst eingehender Weise die Morphologie einer Flechte
zu liefern, um einerseits den Lichenologen die Augen über die Weise ihrer
Naturforschung zu öffnen, andererseits die Jünger jener Lehre darauf hin-
ziiweisen, dass noch nicht eine einzige Flechte in ihrem Wesen erkannt
war und nicht erkannt werden konnte, obwohl man sich dem bedauerlichen
Wahne hingegeben hatte, über alle Lichenen das entscheidende Urtheil
sprechen zu können. Was die Ausführung dieses Vorsatzes hinaiisgeschoben
hat, war die grosse Schwierigkeit einer passenden Wahl gewesen. Es
musste dies eine Flechte sein, welche mit den höchst möglichen Vorzügen
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