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 schliesst  etwas  so  überaus  merkwürdiges,  besonders  bei  einer Gallertflechte  
 liöchst  überraschendes  in  sich,  dass  Zweifel  an  der  Wahrheit  dieser  Beobachtungen  
 leicht  erklärlich  erscheinen.  Obwohl  uns  in  den  vorgetragenen  
 Sprossungserscheinungen  mehr  oder  weniger  stark  pigmentirte  Hyphengebilde, 
   in  denen  sogar  Gonidien  mit  entsprechend  gefärbter  Membran  
 auftreten,  vorgekommen  sind,  wird  man  doch  schnell  alle  bisher  bekannt  
 gewordenen  Eigenthümlichkeiten  des  zarten  Lagerkörpers  der  Collemaceen  
 znrUckrufen,  um  in  diesen  die  Zweifel  begründet  erblicken  zu  können.  
 Und  doch  finden  die  Bedenken  keine  andere  Stütze  als  in  der  ungeahnten  
 Absonderlichkeit  dieser  Erscheinung.  Jeder  andere  Forscher  musste  in  der  
 That  die  Erforschung  der  Herkunft  einer  so  derben  braunen  Hyphe  bei  
 Leptogium  myoohroum  für  überflüssig  erachten  in  der  Üeberzeugung,  in  
 diesen  Bildungen,  wie  in  so  manchen  anderen,  etwas  fremdes  vor  Augen  
 zu  haben.  Mich  überraschte  diese  Erscheinung  keinesweges,  vielmehr  
 vertrauet  mit  deren  Auftreten  selbst  bei  höchsten  Lichenen  wie  TJsnea,  
 Eamalina,  Farmelia  u.  s.  w.,  u.  s.  w .,  freilich  auf  einem  Gebiete,  welches  
 trotz  seiner  ungeheueren  Ausdehnung  gänzlich  ungeahnt  geblieben  war,  
 und  welches  ich  in  diesen  Zeilen  gleiohfalls  berühren  werde,  s u c h t e   ich  
 sogar  diese  Hyphe  bei  Leptogium,  da  meine  Erforschungen  jenes  angedeuteten  
 Gebietes  sich  bisher  noch  nicht  auf  die  Coüemaceen  ausgedehnt  
 hatten.  Ich  werde  nun  in  dem  Folgenden  mich  bemühen,  den  Nachweis  
 des  erwähnten  Ueberganges,  einer  allein  bei  Leptogium myoehroum  tausendfachen  
 Thatsache,  in  hoffentlich  befriedigender,  wenn  auch  nicht  in  erschöpfender  
 Weise,  zu  führen,  indem  die Umwandlung  zur  Seoundärhyphe,  
 welche  Bezeichnung  aufzuhebon  ich  noch  keinen Anlass  finde,  an  die  zwei  
 letzten  Typen  der  Blastesis  geknüpft  ist. 
 Den  direkten  Uebergang  des  farblosen  Zellchens  des  Hyphema  zu  
 einem  braun  gefärbten  kann  man  in  unmittelbarer  Nähe  des  Lagers  beobachten, 
   und  zwar  in  den  von  dem  das  Rindengewebe  durchwuohernden  
 Hyphema  ausgesandten  Fäden,  wo  derselbe  ein  ungemein  sanfter  ist  (Taf.  V,  
 Fig.  50).  Die Zellen  bewahren  ihre  abgerundete  Gestalt,  und  an  den  letzten  
 findet man häufig  neue  Zellsprosse.  Diese mit den Uebergängen ausgestatteten  
 Hyphemafäden  lassen  sich  am  besten  studiren,  wenn  sie  aus  der  Rindenschicht  
 hervor  an  einem  Faserschopfe  sieh  hinablassen.') 
 Die  Sprossungen  des  Hyphema,  welche  zuletzt  geschildert  werden  
 sollen,  sind  in  ihrem  genetischen Verhältnisse  ziemlich  leicht  zu  erkennen. 
 ')  Die  Fig.  50  der  Taf.  V  stellt  den  Faden  in  seiner ganzen Länge  dar,  so  dass  
 die  erste  farblose  Zelle  diejenige  ist,  welche  sich  als  frei  von  der  Hyphema-  
 Masse  der  Rindenschiclit  absondert. 
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 Nur  wer  zuvor  sein  Auge  an  den  Habitus  dieser  zarten  Fäden  gewöhnt  
 hat,  gelangt  nicht  selten  zu  dem  Anblicke  sehr  lehrreicher  Präparate.  Die  
 ürsprungsstätte  der  beiden  letzten  Sprossungen  ist  der  Faden  des  Hyphema,  
 welcher  sich  bereits  dem Gono-hyphema  zu  nähern  begonnen  hat,  d.  h.  die  
 ans mehr länglichen, meist zwei Microgonidien  enthaltenden,  eng verbundenen  
 Zellen  bestehende  Hyphe,  wie  sie  aus  dem  Rindengewebe  hervortritt  und  
 oft  streckenweise  allein  den  hypothallinen  Filz  bildet  oder  sich  in  geringerer  
 Zahl,  aber  desto  weiter  erstreckend  zwischen  den  gewöhnlichen  Fasern  
 vorfindet.  Schon  oben  wurde  hervorgehoben,  dass  auch  dieser  Hyphen-  
 faden  überallhin  von  einem  Netze  des  eigentlichen Hyphema  verfolgt wird.  
 Aus  diesem  Grunde  ist  es  auch  höchst  schwierig,  zu  entscheiden,  ob  alle  
 Hyphen  dieser  Gestalt  als  Aeste  des  Hyphema  der  Rindensohicht  oder  des  
 Maschengewebes  derselben  anfzufassen  sind.  In  Wahrheit  ist  diese  Frage  
 im  Hinblicke  auf  die  Tendenz  dieser  Arbeit  durchaus  unwesentlich,  da  ja  
 das  Masohengowebe  und  der  sprossende  Hyphemafaden  im  Baue  Uberemstimmen. 
 Auch  die  zu  sohildernden  Sprossungen  sind  vorwiegend  acrogene  
 Bildungen.  Es  wiederholt  sich  hier,  wie  überhaupt  die  gesammte  hier  
 stattfindende  Blastesis  an  die  im  Lehen  des  krustigen  Lagers  sich  abspielenden  
 Prooesse  stark  erinnert,  eine  der  Flechte  eigenthümliche Erscheinung.  
 Sobald  als  die  terminale  Zelle  einer  Hyphe  sich  zu  der  Mutterzelle  eines  
 Blastema,  welcher  Art  es  auch  sein  mag,  ausgebildet  hat,  beginnt,  wie  bei  
 der  Gonangienbildung,  die Umwandlung  der  Hyphe  zur  gefärbten  Secundär-  
 hyphe,  und  zwar  in  umgekehrter Richtung  von jener Mutterzelle  ausgehend.  
 Konnte  man  schon  das  Gonangium,  da  es  an  seiner  Basis  neue  Secundär-  
 hyphen  zu  treiben  vermag,  als  ein  in  die  Secundärhyphenhildung  eingeschaltetes  
 Gebilde,  gar  als  eine Modification  der  Seoundärhyphe  betrachten,  
 so  muss  dieselbe  morphologische  Anschauung  auf  die  hier  in  Betracht  
 kommenden  Blasteme  Anwendung  finden,  um  so  mehr  als  nicht  allein  die  
 Endzeile  der  Hyphe,  sondern  beliebige  Zellen  in  deren  Continuität  den  
 Ausgang  einer  Sprossung bilden  können,  wesshalb  es  sich  empfehlen möchte,  
 einer  Acroblastesis  eine  Me s o b l a s t e s i s   gegenüber  zu  stellen.  Obwohl  
 ich  hier  über  die  endlicheu  macroscopischen  Producte  dieser  gesammten  
 Blastesis  keine  Mittheilungen  bringe,  so  ist  diese  Terminologie  schon  desshalb  
 erforderlich,  da  die  Mesoblastesis  eine  im  Fleohtenleben  verbreitete  
 Erscheinung  ist. 
 Das Bild  der  Sprossung  des  Hyphema  ist  ein  ungemein manniohfaltiges.  
 Trotzdem  führe  ich  alle  Formen  als  Modificationen  eines  Typus  auf,  da  
 selbst die Grenzen zwischen Acroblastesis  und Mesoblastesis keine bestimmten  
 sind.  Wäre  ich  in  meinen  Forschungen  nicht  von  dem  Einflüsse  des  in 
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