Es war natürlich von vornherein sehr wünschenswert, daß Pilsbrys System, das doch nur
auf das Verhalten der Körperbedeckung begründet war, auch auf die Radula verhältnisse hin nachgeprüft
wurde. Leider konnte ich bei meiner Untersuchung des Gebisses Pilsbrys W erk nicht benutzen,
da es gleichzeitig erschien. In den Nachträgen im 15. Bande des Manual of Conchology h a t Pilsbry
ein paarmal meine Arbeit erwähnt. Daß hier und d a die von mir aufgestellten Gruppen wenig hervortretende
Unterschiede zeigen und zum Teil u n te r Berücksichtigung geographischer Verhältnisse
aufgestellt auf schwachen Füßen stehen, is t zuzugeben, in einigen Fällen jedoch h ä tte Pilsbry etwas
mehr Wert auf die Radula legen dürfen. So schreibt er (p. 89): „ If a separate subgeneric name is
needed for the Oriental Tonicias with posterior mucro, we may use L ucüina; Toniciopsis becoming
a synonym. The la tte r was founded upon a species of Tonicia (Lucilina), a species of Onithochiton,
and a Plaxiphora. This instance well shows th e fa tu ity of founding genera upon slight variations
of a single organ, as Thiele has done.“ Pilsbry kann doch nicht b estreiten, daß dieses Organ in vielen
Gruppen, z. B. bei gewissen Trochiden, als der einzige Wegweiser durch das Labyrinth der Systematik
•mit. Erfolg b enutz t worden ist, während die Schale häufig nur sehr unsicher die Stellung und Verwandtschaftsbeziehungen
erkennen läßt. Die Variationen der Radula*- von Chitonen sind zwar nicht
sehr auffallend, aber doch völlig genügend, neben den Verhältnissen der Schale und besonders des
Gürtels die Systematik ebenso zu beeinflussen, wie bei Gastropoden. In dem oben erwähnten Fall
liegt die Sache so, daß Pilsbry mit der Zuweisung des Chiton wahlbergi zur Gattung Plaxiphora einen
Fehler begangen ha t, er gehört vielmehr zu Onithochiton und diese Gattung wiederum steh t Tonicia
(Lucüina) so nahe, daß sie kaum mehr als den Wert einer Untergattung ha t. Ähnlich h a t mir
die Radula in mehreren Fällen einen Weg gezeigt, der sich bei näherer Prüfung als der richtige
erwiesen ha t, während andrerseits die verschiedenen Fehler, die Pilsbry in der Einreihung der Arten
in seinem System begangen ha t, klar genug erweisen, wie unsicher zuweilen die Schalenmerkmale
gewesen sind.
Von den für die Systematik w ichtigen B estandteilen der R adula sind hauptsächlich die Zwischenp
la tte und die Hakenplatte hervorzuheben. Es lag nahe, in der Form der Schneide der Hakenplatte
ein Hauptmerkmal zu suchen und das trifft für manche Gruppen in der T a t zu, für andre aber nicht.
So finden sich in der Gattung Lepidopleurus Arten mit einer Spitze, solche mit 2 und mit 3 Zacken,
ähnlich in der Gattung Callistochiton, dagegen h a t die ganze Formenreihe von Hemiarthrum und
Trachydermon . bis zu Cryptoplax und Cryplochiton ausnahmslos dreizackige Hakenplatten. Der
Zwischenplatte fehlt häufig eine Schneide; man k önnte annehmen, daß ihr F ehlen ein mehr sekundäres
Verhalten darstellt als ih r Vorhandensein, aber schon bei Lepidopleuriden is t sie zuweilen rückgebildet
und zuweilen is t der Vorderrand der P la tte nur wenig vorgebogen, so daß eine eigentliche Schneide
kaum erkennbar ist, zuweilen is t sie als sehr kleines Rudiment angedeutet. In gewissen kleineren
Gruppen ist sie regelmäßig zugegen oder abwesend, so h a t Chiton s. s. dieselbe und Clathropleura
h a t keine. Natürlich stimmt auch die Form der ganzen P la tte mehr oder weniger bei verwandten
Arten überein.
Besonders wichtig sind die flügelartigen Anhänge, die bei der Hakenplatte an der Innenseite
hinte r der Schneide und bei der Zwischenplatte an der Außenseite des vorderen Teiles Vorkommen.
Ein solcher Flügel der Hakenplatte fehlt den Lepidopleuriden und der Reihe, die zu Cryptoplax hinfü
h rt; er entwickelt sich zuerst bei den Chaetopleurinae, wo er meist noch schwach und klein ist, und
er kommt allen Ichnochitoninen und Chitoniden zu, bei denen er zuweilen auffallend groß wird. E r
scheint dazu zu dienen, in der Radulascheide durch Gewebezüge sich mit dem gegenüberliegenden zu
verbinden; an dem als Raspel funktionierenden Endteil scheint er keine Bedeutung mehr zu haben
und häufig verloren zu gehen.
Der Anhang der Zwischenplatte fehlt noch bei den Chaetopleurinae und bei vielen Arten von
Ischnochiton s. s .; er entwickelt sich e rst bei ändern Ichnochitoninen und findet sich bei den Chitoniden,
wenn auch zuweilen klein und u n te r der seitwärts gelegten P la tte versteckt.
Die Form der Mittelplatte pflegt in kleineren Gruppen wenig veränderlich zu sein, am meisten
ist sie es in der Gattung Lepidopleurus.
Die Seitenplatte b ietet m eist wenig Anhalt zur Unterscheidung von Gruppen, sie ist rudimentär
bei Callochiton s. s. und bei Cryptochiton, also bei zwei Gattungen, die keine unmittelbare Verwandtschaft
besitzen. Bemerkenswert is t indessen, daß eine Anzahl von Formen, die zwar zu verschiedenen
Gruppen gehören, aber doch vermutlich untereinander verwandt sind, sich durch kammförmige Einschnitte
der Schneide .auszeichnet; darauf möchte ich jedenfalls Wert legen, daß Hemiarthrum, Toni-
cdla, Trachydermon s. s. ( = Cyanoplax), Nuttalochiton und Craspedochiton tetricus solche Einschnitte
aufweisen.
Die schneidenlosen R andplatten dürften keine wesentliche Bedeutung für die Systematik besitzen,
n u r fällt zuweilen die verschiedene Breite der äußersten bei Arten einer Gruppe auf.
Nierstrasz h a t sich die Mühe gemacht, bei einigen Arten, deren Radula er untersuchte, die
P la tten zu isolieren; mir scheint ein solches Verfahren nicht empfehlenswert zu sein, denn es kommt
hauptsächlich auf die Vergleichung der P la tten bei den verschiedenen Arten und Gattungen an und
bei isolierten P la tten is t die Lage kaum so übereinstimmend zu machen, wie in ihrer natürlichen Verbindung.
Wenn man die Radula in 2 oder 3 Teile zerlegt, genügt das meist völlig, um die Form der
wichtigen mittleren P la tten zu erkennen.
Daß der Gürtel m it seiner Bekleidung für die Systematik von großer Wichtigkeit ist, geht schon
aus Pilsbrys Werk hervor, wenngleich hier noch keine Untersuchung der Bestandteile mit dem Mikroskop,
vorgenommen w orden is t; solche ist aber häufig n icht zu umgehen, wenn man m it einiger Sicherh
e it über verwandte Formen entscheiden will. Innerhalb einer Gattung wird man in der Hauptsache
eine Übereinstimmung der Hauptmerkmale anzunehmen haben; wenn also z. B. Oldroydia percrassa
Dali n icht Schuppen, sondern N ädelchen b esitzt, kann sie n icht wohl zu Lepidopleurus gestellt werden.
Ähnlich wie in diesem Fall können sich auch sonst sehr verwandte Gattungen in der Form und Größe
der Elemente der Gürtelbekleidung sehr verschieden verhalten, so bei Trachydermon und Tonicdla,
Ischnochiton und Tonicina, Chiton und Tonicia. Es geht daraus hervor, daß eine bestimmte E n twicklungsrichtung
in der ganzen phyletischen Reihe kaum vorhanden ist, doch kann man folgendes
erkennen. Bei Lepidopleurus ist der ganze Gürtel mit kleinen Schüppchen bekleidet, die oben und
u nten noch wenig verschieden sind, nur am Seitenrande ist eine Reihe von walzenförmigen, häufig
längeren Spicula ausgebildet, und an der Oberseite zerstreut, besonders in den Ecken zwischen den
Schalenstücken finden sich wenige, meist längere drehrunde Gebilde; es liegt nahe, diese als sensibel
anzusehen, da ihre Zahl zu gering ist, um zur Abwehr zu dienen. Solche von der gewöhnlichen Form
der Oberseite verschiedenen Spicula finden sich in verschiedenartiger Ausbildung durch die ganze
Reihe der Chitonen, bald sind es längere Nadeln, häufig in größeren oder kleineren Gruppen, die
hauptsächlich in den Ecken zwischen den Schalenstücken stehen, bald sind sie kleiner, aber auf mehr
oder weniger verlängerten Conchinstielen erhoben; solche v erhalten sich wiederum in ihrer Anordnung
verschieden, bald bilden auch sie suturale Gruppen, bald sind sie gleichmäßig über die ganze Oberseite
zerstreut, bald auf den Seitenrand b eschränkt. Das letztere is t d er F all besonders bei den m it großen,
Zoologioa. Heft 56. 14