
Temperaturverhältnisse, die mindestens dem heutigen Mediterrangebiete entsprechen
(Geographische Gesichtspunkte lassen es nicht recht zu, das Vorkommen von Spitzbergen
auf warme Strömungen zurückzuführen). Auch an der Wende des Obercarbon zum Perm
dauern diese Verhältnisse an. Trotz der naturgemäß noch dürftigen Kenntnis der a rk tischen
Länder lä ß t die Verbreitung der Schwagerinen und der langgestreckten Riesenformen
der Fusulinen des pazifischen Gebietes diesen Schluß als gesichert erscheinen.
6. Die Hypothese einer Verlagerung der Pole ha t, wie auch E. K o k e n 1. c. ausführt, viele
Schattenseiten. Auch die Fusuliniden widersetzen sich einer solchen Umwälzung unbedingt. Es läge
nämlich das Doliolina-Neoschwagerina-Sumatrina-Yorkommen Sumatras näher dem verlagerten
Südpole,1) als irgend ein Vereisungszentrum! Außerdem lägen die Fundorte Guatemala (Chiapas),
Texas, California, die eine etwa für die Untergrenze des Perm charakteristische Fauna zeigen, in
unmittelbarer Nähe des in Mexiko zu suchenden nördlichen Gegenpols (vgl. A. P e n k , Zeitschr.
Ges. f. Erdk. Berlin 1900. p. 261 ff.).
7. Zusammenfassend wäre über die Frage der „permischen Eiszeit“ mithin folgendes zu sagen:
D i e V e r t e i l u n g d e r F u s u l i n e n f u n d o r t e a u f d e r E r d e w i d e r s
e t z t s i c h n a c h L a g e u n d A l t e r e b e n s o d e r A n n a h m e e i n e r
P o l v e r l a g e r u n g a l s e i n e r a l l g e m e i n e n E i s z e i t im Perm.
8. Auch für die Frage der Tiefenlage des Lebensbezirkes is t die hier vertretene Anschauung,
daß die Fusulina eines relativ hohen Jahresmittels zur Existenz bedurften, von Bedeutung:
N u r i n f l a c h e n , k ü s t e n n a h e n M e e r e s t e i l e n s i n d s e l b s t i n
t r o p i s c h e n G e g e n d e n d i e g e e i g n e t e n k l i m a t i s c h e n B e d i n g
u n g e n f ü r d i e g r o ß e n k a l k s c h a l i g e n F o r a m i n i f e r e n d e r
G e g e n w a r t v o r h a n d e n .
V. Ueber das Auftreten und Erlöschen der Fusulinen.
Unvermittelt tre ten die Fusulinen im Beginn des Obercarbon auf. Eine ziemlich große Zahl
von Spezies und ein ganz enormer Reichtum an Individuen findet sich ziemlich gleichzeitig an den
verschiedensten Teilen der Erdoberfläche ein und beteiligt sich in sehr erheblichem Maße an der
Sedimentbildung. Ohne vorherige Anzeichen sterben die Fusuliniden im Perm aus, nachdem sie
kurz zuvor noch durch das Auftreten zahlreicher, s tark differenzierter Genera scheinbar den Beweis
großer Entwicklungs- un d Anpassungsfähigkeit geliefert haben. Das Problem des Aussterbens
der Fusuliniden is t bis je tz t noch nicht völlig gelöst, und ihr Verschwinden nach einer kurzen Blüte,
ihre weltweite Verbreitung ebenso wie der Reichtum an Formen fordert unwillkürlich zu einem
Vergleich mit den ebenso arten- und individuenreichen, den Fusuliniden verwandten Nummuliten auf.
Zweimal im Laufe der Erdgeschichte gelangt fast unvermittelt ein Stamm der Foraminiferen
in sehr eigenartiger Weise zu einer stratigraphischen Bedeutung, die ihnen im Reiche der Protisten
eine Sonderstellung einräumt.
Von offenbar relativ kleinen und n icht ganz regelmäßigen Typen leiten sich sehr große Formen,
teilweise wahre Riesen ihres Geschlechtes, ab, deren überaus komplizierter Schalenbau eine erstaunliche
Symmetrie auf weist. Fusuliniden und Nummulitiden sind involut (eine Ausnahme bildet nur
AssiUna), und ihre medialen Sagittalschnitte gleichen sich in überraschender Weise. Häufiger Dimor-
1) Auch wenn man mit Frech (Lethaea 1901, Seite 627) den Südpol „nur“ um ca. 40° verlagert, ergeben sich unlösbare
Schwierigkeiten. Vgl. E., Seite 702, Anm. 2 und 3.
phismus und m anche andere Besonderheit des Schalenbaues sind beiden gemeinsam. Beider Auftreten
bietet zudem auch in der ganzen sprunghaften Art des Erscheinens, des Welteroberns und des E rlöschens
nach verhältnismäßig kurzer Blütezeit so viel Analoges, daß unwillkürlich die Frage sich
aufdrängt, ob es nicht etwa ganz allgemeine erdgeschichtliehe Faktoren seien, deren Wiederkehr
zu zwei verschiedenen Zeiten das gleiche Phänomen hervorbringt. Und wirklich scheint sehr vieles
für eine derartige Annahme zu sprechen:
Der Schluß des Palaeozoikums te ilt mit dem Beginn des Tertiärs eine Reihe von Eigenschaften,
die beiden Zeiträumen eine Sonderstellung zuweisen. Es handelt sich etwa
um folgendes:
a) Eine erdumspannende Gebirgsfaltung beginnt in der Mitte des Carbon wie an der Wende
zwischen Kreide und Tertiär.
b) In einer hierauf folgenden Zeit relativ hoher, auf der ganzen Erde ziemlich gleichmäßiger
Temperatur entstehen mächtige Lager von Stein-, bezw. Braunkohlen. Die mit der
Gebirgsfaltung einsetzende sehr intensive V erwitterung verwandelt die Silikate in gewaltigen
Mengen in Carbonate (vgl. F r e c h , Zeitschr. Ges. f. Erdk. 1902, p. 690). Dazu kommt
noch die ebenfalls höchst beträchtliche Masse des in früheren Perioden als Sediment
gebildeten, je tz t gehobenen und der Verwitterung preisgegebenen Calciumcarbonats, das
durch die Flüsse oder auch direkt durch die Brandungswirkung dem Meere zugeführt wird.
c) Im Obercarbon wie im Eocän verbreitet sich plötzlich eine Foraminiferen-Gruppe weltweit
und bildet durch den Kalk ihrer Schalen Sedimente von großer Mächtigkeit.
d) Zu Beginn der Neodyas sind die Fusuliniden so gut wie vollständig verschwunden. Im
Anfänge des Oligocän erlöschen die Nummuliten gänzlich.
Es liegt nahe, etwa folgenden Zusammenhang der allgemeinen Vorgänge mit dem Schicksael
der genannten Foraminiferengruppen zu vermuten: Die gebirgsbildenden Kräfte veränderten die
Grenzen von Kontinenten und Meeren namentlich im Gebiete der K o n t i n e n t a l s o c k e l , die
sowohl den echten Fusulinen wie den Nummuliten (sowie den paläogenen Lepidocyclinen, Miliolinen,
Orthophragminen und Alveolinen) zur W ohnstätte dienten, wiederholt und erheblich. Dieser Wechsel
der Lebensbedingungen beförderte die Artbildung. Das warme K lima gab die Möglichkeit zur B ildung
mächtiger organogener Kalksedimente in flachen Meeresgebieten, in denen durch reiche Kalkzufuhr
den Organismen die Schalenbildung besonders erleichtert wurde. Fü r diese Auffassung spricht auch
der Umstand, daß die Fusulinenschichten fast stets wechsellagern mit den ebenfalls tropischen, viel-
Kalk benötigenden Korallen und mit Oolithen, deren Entstehung ebenfalls nur in seichtem, kalkübersättigtem
(warmem) Wasser erfolgen kann. Daß derartige Strandverschiebungen in warmem Klima
die Entwicklung von kalkschaligen Foraminiferen mit sehr großer, regelmäßiger, mehr oder weniger
involuter (resp. assilinenhafter -^ .b e i Festheftung? —) Schale begünstigen, scheint u. a. auch durch
das Verhalten von Orbitolina (O. lenticularis und O. concava) bewiesen. Der Höhepunkt der Orbitolinen
fällt in die Zeit der großen Transgressionen am Schluß der unteren Kreide. Ih r endgültiges Erlöschen
im Cenoman erscheint als Folge des Abschlusses der dem Meere Calciumcarbonat zuführenden Strandverschiebungen
und vielleicht auch vor allem der beginnenden A b k ü h l u n g , welche die Oberkreide
charakterisiert. Ein Vergleich mit den gleichfalls in der Oberkreide aussterbenden, am Schluß
der Unterkreide in voller Blüte stehenden Pachyodonten erscheint naheliegend. Wenn wir auch im
Falle der Fusulinen und Nummuliten nach klimatischen Gründen des Ausstrebens suchen, so finden
wir in der Tat, daß in der oberen Dyas ein Herabgehen der Wärme angenommen werden kann (vgl.