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stand herabsinken. Dieser Unistaiul ist es, welclier hei Detraclitung
(lieser Familie Vorsicht gebietet, im andern FaUe würde das einzige
Vorhandensein nackter Eichen hinreichen, die Annahernng an die Coniferen
zn reclulertigen. Es war ferner das Vorhandensein einer dentlichen
gefärbten melu'blatterigen BInmenkrone, welches diese Famihe
weit von den Coniferen zn entfernen schien. Jussieu stellte zuerst
die Familie auf, welclie aber noch eine Anzahl Galtungen enthielt, die
später von ihr getrennt wurden, wie Aucuba L., Schoep/ia Schreb.
n. A., die jetzt unter den Caprifoliaceen und Corneen stehen. Bi'own
trennte die Riiizophoreen von ihnen, die nunmehr eine eigene Familie
bilden, welche nur entfernt mit ihnen verwandt ist. J u s s i e u,
R i c Ii a r d und C a n d o 11 e, welche die Lorantiiaceen am genauesten
untersuchten, fanden, dass sie die grösste Verwandtschaft mit den Caprifoliaceen
und Corneen zeigen, zwischen welchen sie ihnen den Platz
anwiesen. Es ist ein in die Augen fallendes Beispiel von der Schädlichkeit
des Autoritätsglaubens, wenn nian sieht, wie diese Gruppe
nun bei allen spätem Systematikern meist an der Seite der Rhizophoreen
immer in der Nähe der Corneen aufgeführt wird, selbst noch bei
E n d l i c h e r . Man hielt sie also noch sogar lur höherstehend als die
Caprifoliaceen, weil man eine doppelte BlüthenhiiHe mit freien Blumenblättern
in der ßluthe zn sehen glaubte. Schon Don und Brown
vermutheten durch die Einfachheit des Fruchtbaues angeregt, dass man
sich hier wohl täusche, aber selbst die Brown' sche Bemerkung, dass
die Familie eher in die Nähe der Proteaceen gebore, blieb ohne Erfolg.
Erst Alex. B r a u n stellte sie in die Nähe der Santaleen, denen sie unstreitig
viel näher verwandt ist als den Corneen und Caprifoliaceen,
wie sie denn nach meiner Ansicht den Uebergang bildet von Coniferen
auf Santalaceen und Proteaceen. Nach meiner Betrachtungsweise besitzen
die meist diclinischen Blüthen der Lorantheen niemals eine
doppelte Blüthenhülle, sondern nur ein einfaches Perigon, welches
sehr häufig ebenfalls fehlt und oft nur undeutlich vorhanden ist. In
den männlichen Blüthen bilden die 4 — 8 vorhandenen Stauhgefässe
scheinbar eine ebensoviel blätterige Blüthenhülle nach, wie uns dieser
Vorgang ja bereits bekannt ist, indem hier zugleich einer der schönsten
Fälle der sogenannten Entlehnung oder Vertretung beobachtet
w^erden kann. Weil die Anthere sich einige Male scheinbar von diesem
Blumenblatte trennt, so glaubte man in den zahlreicheren Fällen,
wo die ganze Anthere blumenblattartig gestaltet und porig aufspringt,
annehmen zu müssen, die Anthere sei hier flach auf dem Blumenblatt
aufgewachsen. Dass aber im Gegentheil das sogenannte Blumenblatt,
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auch wenn die Anlhere oben sich von demselben gliedert, nur als eine
Metamorphose des F'ilaments zu beti'achten ist, geht evident aus Folgendem
hervoi*: Dieses Perigon wäre freiblätterig, was nicht denkbar
ist, bei einer in ilirer ganzen Entwickelung so niedrig stehenden Famibe.
Aussei'dem ständen die Stauhgefässe hier den Blumenblättern
gegenüber, was nach dem allgemeinen Gesetze nur bei falschen (durch
Brakleen nachgeahmten) Perigonen, oder durch Abortus eines zwischen
beiden Theilen liegenden Wirteis eintreten kann; Fälle, die beide nicht
statthaben. Einen ganz ähnlichen Fall glaube ich bei den Proteaceen
annehmen zu dürl'en, d i e durch ihren Habitus und namentlich durch
den zapfenartigen Biüthenstand andeuten, dass sie in diese Region gehören.
Bei den weiblichen Blüthen der Lorantiiaceen finden sich ebenfalls
blumenblattartige Organe, welche sich (wie es denn auch den
Proteaceen ganz ähnliche Zwitterblumen giebt) entweder als verkümmerte
Stauhgefässe erweisen, oder wohl gar durch offene Fruchtblätter
gebildet sind, welche schon bei einigen Coniferen ein Perigon nachahmen.
In einigen Fällen ist auch wohl ein wirkliches Perigon vorhanden,
aber jedenfalls ist dieser Deutung in den meisten Fällen die
Theorie der Entlehnungen vorzuziehen, wie wir denn deutlich erkennen',
dass selbst die Häute des nackten Eichens hier wie bei einigen
Conifei'en häufig streben, Narben find Griffel nachzubilden. Lässt man
diese ganze Betrachtung gelten, so kann die Blüthe der Loranthaceen
wie der erste Versuch der Natur betrachtet werden, mit den endlich
geschaffenen aber noch nnvollkommnen Organen eine wirkliche Blüthe
zu bilden, und G ö t h e hätte in unsrem Fisciim album seine geträumte
Urpflanze noch am besten verwirklicht finden können. Obige Ansicht
wii'd sehr wahrscheinlicli, wenn man ferner den anatomischen Bau
dieser Gewächse beachtet, von welchem Mohl vor vielen Jahren nachwies,
dass er dem der Coniferen am ähnlichsten sei'*'). Die Achse
bringt meist nur im ersten Jahre Bastzellen hervor, statt des Prosenchyms
findet sich vorherrschend Holzparenchym, und die Gefässe sind
wie bei den Coniferen ersetzt durch langgestreckte punktirte Zellen.
Man darf diese Einfachheit des Baues nicht wie bei andern Schmarotzern
bedingt glauben, durch die vereinfachte Lebensweise, dg^nn uns^r
Viscum^ sowie Loranihus europaeiis und viele andere besitzen Blätter
mit Spaltöffnungen und athmen daher; ihre Lebensweise kann
völlig entsprechend sein, wie die jedes andern Baumzweiges, nur dass
*) H. v. Mohl, über die Poren des Piianzenzellgewebes und den Bau
der getüpfelten Röhren von Epliedra. {^Linncla FI. P'. 596.)