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ralen aiiseinonderzogcn. Den umgekehrten Vorgang sähe man, wenn
die Bhimenbliiller sich in Staubojelasse verwandehi oder die Antheren
z. B. Eichen enlwickehi. Man kann dieser Auffassung im Allgemeinen
beistimmen und glanl>en, dass in solclien Bildungen der allgemeine
Vervollkommnungsgang oinigeniale beschleunigt, andere Male aufgehalten
worden sei, wie wir vorhin in der Pelorien - Bi ldung eine schnelle
Blickkehr einer zygomorphen Blume zur actinonomorphen Gliederung
sahen ^ wie sie in der Natur nur langsam vor sich geht. Lässt man
unsere Modifd^ation dieser Annahme gelten, so kann man in einigen
dieser Missdeutnngen, die durch üppiges Wachsthum erzeugt werden,
Anlicipationen und damit Bestätigungen des langsamen Fortbildungsganges
der Natur sehen. Man beobachtet z. B., dass bei Compositen
und Dipsaceen sich die Hüllblätter des Peranthodiums in langen Spiralen
auseinanderziehen und um den Schaft vertheilen, dasselbe geschieht
mit dem Blüthenbodcn. Ich will hier einschieben, dass die meist sehr
komplicirte Spiralstellung der Compositen-Blüthen auf dem Blüthenboden
sich bei den Dipsaceen in mehrere einfache Spiralen auflost.
Gewohnlich sind dort zweiblättrige Wirtel bei Dipsaciis meist in
Stellung vorhanden, so dass sich also hier 2 einfachere Spiralen
an dem Blüthenboden hinzieiien, aber der Verfasser besitzt einen auch
von Prof. B r a u n untersuchten Dipsacusan we l c h em 8 solcher
Spiralen sich in Stellung winden. Indem nun diese Spiralstellung
sich weiter auflöst, bilden sich Cymen, w^elche in Spiralen oder Quirlen
um den Stamm vertheill sind und z. B. die Blüthenschwänze der Labiaten
J)i]den, Indem diese Cymen sich noch mehr durch einseitige Entwicklung
vereinfachen, bilden sie Wickel (Cyma scorpioides) und es
ist jedenfalls interessant zu sehen, wie ebenso auf der einen Seite aus
den Cymen der Labiaten die Wickel der Boragineen, als auf der andern
Seite aus den Cymen der Personaten die Wickel der Spigeliaceen
resultiren. Sogar noch weiter, wenn die Blüthenstände sich schnell in
einzelne Blüthen auflösen, kann man an den oft mitten auf dem Blüthenstiel
stehen gebliebenen Brakteen noch die Abstammuns: aus einer
Cyma erkennen, wie bei mehreren Caprifoüaceen, Convolvulaceen und
andern. Doch ich kehre zu den Missbildungen zurück. Nicht selten
löst sich durch eine solche die monopetale Blumenkrone in ihre vorgebildeten
Abtheilungen auf. Ferner beobachtet man bei Blumen, deren
Theile mit einander verwachsen sind, z. B. bei Campaneln, der Rose
und andern, dass sich die Kelchzipfel vollständig von einander und von
der Korolle trennen und zurückschlagen. Sehr häufig tritt eine Wiederholung
der einzelnen Blüthenkreise oder eine Vermehrung der Theile
ein, wodurch natürlich gefüllte Blumen entstehen, ungefähr dem Verhallen
ähnlich, welches man bei den acyclischen Blüthen der Nymphaeaceen,
Calycantheen und andern in den höhern Stadien beobachtet.
Ich will diese Aufzählung schliessen mit einer Missbildung, die ich vor
mehreren Jahren an einer Reseda in dem botanischen Garten zu Schonebe
rg bei Berlin sah. Ausser vielen andern E igen thüm lieh k e i l en, die
dieselbe bot (Verwandlung der Carpelle in Blätter, der Staubfäden in
Carpelle, Auswachsung der Eichen in Knospen etc.), zeigte dieselbe folgende
Erscheinung. Die Blumenblätter hatten ihre Schlitzung verloren
und bestanden aus mehreren kreuzförmigen zweiblättrigen Wirtein.
lieber sie hatte sich die Blüthenachse etwas verlängert und es folgten
alsdann eine grosse Anzahl von Staubgelässen. Hiernach fand sich eine
neue Verlängerung der Achse, und am Ende eines langen Gynophorum
stand die geschlossene keulenförmige Kapsel. Dadurch war diese Reseda
einigen Capparideen-Gattungen (Gynandropsis. Cleome) so ähnlich
geworden, dass Prof. L i n d l e y , wenn er sie gesehen hätte, gewiss
nie seine überkünstelte Erklärung der Reseda - Blüthe aufgestellt hätte;
man konnte an diesem Exemplar gleichsam den Vervollkommnungsprocess
beobachten, durch v^^elchen die Resedaceen in die Capparideen
übergehen; die verschiedenen Stufen des Uebergangs konnte man von
verschiedenen Exemplaren des Beets auswählen.
V. füll ihr ül^nwmm tegkicltmig.
Nichts ist vergänglicher als die organische Form, Tausende von
Gestalten der Lebewelt sind dahingegangen, ohne eine Spur zurückzul
a s s e n ; keines Menschen Auge hat sie gesehen. Neue Gestalten kommen
und gehen vorüber. Es ist wie mit seltenen Varietäten, die nur
ein einziger Naturhistoriker beobachtet und beschrieben hat, schwerlich
kommen sie einem Andern wieder. Wie der einzelne Mensch, wie eine
Konstellation von Himmelskörpern, so ist die organische Gestalt
eine Erscheinung, die vielleicht erst nach langer Zeit, vielleicht nie
wiederkehrt. Während ihres Vorhandenseins erfreut diese Erscheinung;
wenn sie dahin ist, vergisst man sie. Ich kann an solchen Einzelnheiten
kein bleibenderes Interesse gewinnen; nachdem ich wahrgenommen,
was diese Erscheinung etwa neues lehrte, vergesse ich sie.
Deshalb kann ich mich auch nicht wundern, wenn exakte Naturforscher
lächeln id)er die fleissigen Registratoren der Natur, die alle Organismen
der Welt mit 10 Varietäten genau beschreiben, und am liebsten alle