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teren fortgcschrittono Ahkönimliiige der ersleren sind, denn boi demselben
Gnuidphin sind alle Theile freier entwickelt. Bei ¡dled(im ist
in der Zahl der Bliimenlappen nnd Staubgefässe ein [{(ickschritt von
der Fiinfzalil auf die Vier - oder gar Zweizalil eingetreten. Dass dies
nicht der regelmässige Gang der Entwickelung ist nnd dass dahinter
ein Haken stecken müsse, ist klar, denn die I Stelhing kann nicht anf
die Stellung zurückgehen. Es stellt sich aber bald heraus, dass dieses
scheinbar rückgängige Verhältniss, bei allen Familien vorkommt,
die denselben Hildungsplan haben wie die Compositen nnd s ich, wie
wir spater sehen werden, von iiinen herleiten. Es steht im Zusammenhang
mit einer nnregelmässigen zweiseitigen (lippigen) Entwickelung
der Bluuienkrone, in deren Folge 1 oder 3 Staubgefässe verkümmern,
welchen Vorgang man in allen Uebergängen verfolgen kann.
Man erkennt ferner, dass diese nnregelmässige Entwickelung nicht etwa
eine blosse Naturspielerei ist, nm etwa neue Formvariationen zu erzeugen,
denn wenn sich der natürliche Entwickelungsgang der Pflanze
krankhaft beschleunigt durch üppiges Wachsthnm, so wendet die Natur
die denkbarsten Mittel an, nm zur (scheinbar) actinomorphen Blume zurückzugelangen.
Es geschieht diess in der bei allen Rachenblüthlern häufigen
Pelorieiibildung, in welcher die Blume regelmässig wird, und wobei
ein etwa widerspenstiger Theil (z. B. ein Spo rn) lieber fünfmal wiederholt
wird, als seine einmalige Störung geduldet. Ebenso bemerkt man,
dass, j e weiter die Familien den Grundplan der Compositen ausbilden,'
dass dann endlich wieder vollkommene regelmässige Bildung eintritt!
Durch allgemeine Vergleichung gelangt man dahin, erkennen, dass
die Ursache der Lippenbildung hauptsächlich in der Beziehung zur
Stammachse in dem gehäuften Bliithenstande liegt, der den Vorfahren
j e n e r Lippenhiüthler allgemein eigen ist. Es ist dies die Neigung auszustrahlen,
welche die Randblüthen dieser gehäuften Stände zeigen, so
wesentlich für die Schönhei t der Compositen und ihrer Abkömmlinge,
die ohnedem viel unscheinbarer erscheinen würden. Die Ursache d'ieser
Erscheinung ist nicht sicher bekannt, wahrscheinlich beruht sie in
dem ungetheilteren Besitz aller Lebensbedingungen, welchen jene Randblüthen
geniessen, wie denn auch eine ähnliche Erscheinung bei den
Randbäumen geschlossener VValdbestände beobachtet wird, deren Laub
sowohl, wie auch besonders die Jahresringe, sich deutlich nach der
offenen Seite ausbreiten. Dieses Strahlen, hervorgebracht durch die
ungleiche Beziehung der Blüthe nach innen und aussen, resp. oben
und unten, theilt dieselbe in zwei Lippen, so dass sich raeist 3 nach
der Freiheit wenden 2, oder wohl gar blos eine gezwungen nach in-
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nen. Und so mächtig wirkt dieser Einfluss der Stellung auf die Bildung,
dass selbst die Fruclitformen der äussern Blüthen verschieden
sich gestalten von denen innerer Blüthen, z. B . bei Calendula. Dieses
Verhältniss, nachdem es auf die Umgestaltung der ganzen Blüthe scheinbar
rückbildend gewirkt hat, tritt noch durch Vererbung selbst in späten
Abkömmlingen auf, ihren Ursprung andeutend, und man kann
lange, nachdem der Einfluss auf die Zahl der Blumenlappen und der
Staubfäden erloschen, die Bildung wieder normal geworden ist, noch
an der Neigung auszustrahlen, z. B . bei Samlmcmen (F^iburmcniJ Umbelliferen,
Hydrangeen und Aehnlichen ihr Geschlecht erkennen.
Einen gewissen, wenigstens begünstigenden Antheil an dieser Bi l -
dung der Lippenblumen mag die in ihnen herrschende Ungleichheit
der Zahlenverhältnisse in den Kreisen der Blüthe hervorbringen. Wenigstens
kann man öfter, namentlich in den Dipsaceen, erkennen, dass
die Symmetrie der Lippen sich nach derjenigen der beiden Fruchtblätter
richtet. Ein ähnliches Verhältniss bemerkt man bei den Valerianeen
und Lonicereen mit 3 Carpellen. Indessen kann man sich
leicht überzeugen, dass dieser Antheil ein untergeordneter ist, und die
Mittelblüthen der Compositen, Umhelliferen etc. bleiben vollkommen
normal, obwohl in ihnen dasselbe Verhalten stattfindet*). Andrerseits
kann man beobachten, dass die Reihen der Lippenblumen wieder regelmässige
Blüthen hervorbringen, je mehr die Disharmonie der Blüthenkreise
verschwindet. Die Apocyneen und Asciepiadeen, entschieden
dieser Richtung angehörend, haben höchst regelmässige Sternblüthen.
Zwar sind auch hier nur 2 Carpelle in pentamerer Blüthe vorhanden,
aber schon deutet die regelmässige Seckige Narbe der Familien an,
dass sehr bald diese Zahl sich auf 5 vermehren werde. Die geringste
Neigung zur Unregelmässigkei t haben wohl Blüthen von isomere r Gliederung,
wo alle Theile gleichzählig sind, und darum giebt es wenig
unregelmässige Monocotylen, ebensowohl wie dieser Fall selten eintritt
in den gleichzähligen Reihen, denen der Lorbeer, andrerseits die Fuchsie
oder die Cruciferen angehören. Wie aber die unregelmässige E n t -
wicklung das Fehlschlage n einzelner Blüthentheile hervorbringen kann,
so vermag auch das Fehlschlagen einzelner Theile, wenn es bleibend
ist, die Symmetrie der ganzen Blüthe zu vernichten.
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Hiermit in Beziehung stellt das oft abweichende Gestaltenverhältniss der
Mittel oder Endbiütiie, centrifugaler ßlüthenstäade . wobei man die Mittelblütiie
ais Norm nimmt.