
Philosophische [speculative) Systeme nenne ich diejenigen, die
bei der Eintheilung nicht allein alle irgend sinnlich wahrnehmbaren
Kennzeichen berücksichtigen, sondern noch einen bestimmten Plan,
eine AuITassung der Pflanzenwelt dabei enthalten, welclie ihrerseits aus
den Naturerscheinungen abstrahirt sein soll.
Da ich eine historische Darstellung von der EntWickelung der
hierbei in Anwendung gekommenen Principien zu geben beabsichtige,
so werde ich nunmehr ohne weitere Vorbemerkungen zu der Geschichte
der künstlichen Systeme übergehen, von denen ich kurz die
wichtigsten hervorheben werde.
Unter den Vorarbeitern der neuern und vollkommneren Methoden,
welche die empirischen auf ausserwesentlichen Verhältnissen beruhenden
Eintheilungen verwarfen, habe ich hier nur Conrad Gesner's
zu erwähnen (1516 — 1565), welcher zeigte, dass man die sichersten
Unterscheidungsmerkmale
in der Blüthe und Frucht zu suchen habe.
Auch hat er das Verdienst, viele Pilanzenspecies, die sonst im unendlichen
Gewirr noch nicht mit einander verglichen waren, nach gewissen
allgemeinen Charakteren in umfassendere Genera zusammengestellt zu
haben.
Aber der erste rationelle Systematiker war, wie ich schon angedeutet,
Caesalpiu (1519 — 1602), ein Toskaner, welcher bestimmte
Principien aufstellte, für die Klassifdiation der Gewächse. Er unterschied
primäre und sekundäre Vegetationsorgane, erstere Samen und
Wurzel, diese Blüthe und Frucht umfassend. Die erste Theilung nahm
er von der Dauer der Gewächse, indem er die Kräuter von den Sträuchern
und Bäumen trennte. Diese zweite Abtheiluug spaltete er nach
der Lage des Embryo in 2 Klassen, die Kräuter theilte er in 15
Klassen, wobei er auf An- und Abwesenheit von Blüthen, namentlich
aber auf die Verhältnisse der Frucht Rücksicht nahm, auch bereits
auf den ein- oder zvi'eilappigen Embryo aufmerksam war. Gewiss
hatte er Recht, der Frucht und dem Samen eine so grosse Aufmerksamkeit
zu schenken, und sein System würde viel vollkommener ausgefallen
sein, wenn er nicht jene Trennung in Bäume und Kräuter
vorgenommen, worin ihm leider die vorzüglichsten Botaniker der Zeit
bis auf Rivinus folgten.
Sein nächster Nachfolger ist l o r i s o i i (1620 — 1683), ein Engländer,
welcher von den Verhältnissen des Samens und Embryo's
absah, dafür dem Totaleindruck der Gewächse ein grosseres Recht einräumeud.
Er entwarf vorzüglich nach der Beschaffenheit von Blume
und Frucht 18 Klassen*).
Ihm folgte der Engländer Job. Ray (eigentlich Wray, latinisirt
R a j u s , 1628 — 1705), welcher nach der Frucht, Samen und Samenlappen,
Blüthe und Blüthenstande 33 Klassen unterschied, welche
zum Theil sehr natürlich ausgefallen sind, da er jedesmal das Hauptgewicht
auf den Habitus legte. Wir finden unter seinen Abtheilungen,
schon manche natürliche Familie in etwas loser Umschreibung wieder.
Man erkennt dies leicht schon aus dem Namen seiner Klassen, die
folgende sind. 1) Submarinae (Algen); 2) Fujigi; 3) Musci; 4) Ca-
¡niaises (Farn); 5) u^ p e t a l a e ; 6) Planrpetalae; 7, 8, 9) üiscoideae
(Kompositen); 10) Umbelliferae: W) Stellatae^ Asperifoiiaceae;
.13) Verticillatae (Labialen) ; 14) Polyspermae; 15) Pomiferae^
16) Bacciferae; 17) Multisiliquosae (Ranunculaceae)^ 18) Monopetalae^
19) Di- ad Tnpetalae 20) Pentapetalae; 21) Siliquosae;
22) Leguinmosae ; 23) Stamineae; 24) Anomalae, Die übrigen
Klassen umfassen wieder die getrennten Bäume nnd Sträucher. Ray
unterscheidet zuerst deutlich Mono- und Dicotylen, wozu ihm die anatomischen
Untersuchungen von Malpighi den Weg gewiesen. Seine
Klassen sind zwar nach künstlicher Methode abgeleitet, aber mit glücklichem
Blick nach dem Gesamrnthabitus abgerundet, und vollendet**).
Was in diesem künstlichen Rahmen natürlich ausgefallen, ist nicht
durch eine dai^auf zielende vergleichende Untersuchung gefunden, sondern
durch ein nur bei Männern von Geist fruchtbares Verfahren, welches
De Cand011 e sehr bezeichnend „Tâtonnement" (Umhertappen)
nennt***). Später sind auf demselben Wege Boerhaave, Roy en,
Ha 11 e r , Wachendor f , vorzüglich aber Magnol zu Systemen gelangt,
die auf der Grenze zwischen natürlichen und künstlichen stehen.
P. Herrmann (1640 — 1695) stellte nach dem Bau der Frucht,
Samen, Blüthe und dem allgemeinen Habitus 25 Klassen auff).
C a m e l l i unterschied nach den Klappen der Frucht 7 Klassen. Der
Rob. Morison, Plantariim historia universalis Oxoniensis^ seu lierhariim
distributio nova per tabulas cognationis, Oxon. 1672. Fol,
Joannis Rajus ^ Methodus plantarum nova Synoptica in tabidis ex-
Iiibita. Londin, 1682. 8. emendata et aucta Lond Ì703. — Idem, de variis
plantarum methodis dissertano brevis Lond, 1696, 8. —
D e c a n d o l l e , Théorie èlénh 1. Ausg. 1813 p. 67.
t) Seine erste Schrift hierüber erschien pseudonym {Lothar. Zumbach,
ßorae Lungduno Batavae ßores. Leiden 1690 und 169B. 8 ).
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