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Variolälen zu Arten, und die Galtungou zu lauter Fauiilicn erhüben,
die sehr heftig werihMi können, wenn man eine von ihnen neu aulg(
ïst(4lle Art oder Galtung nielit anei'kennen will. Sie haften am Einzelnen
und vergessen das Ganze darüber, ein kleiner Hügel vor'm
l'YMister vei'bauet ihnen die grosse Welt.
Aber in der vergänglichen Form des Einzelwesens lebt als ein
Unvei'gangliehes das Gesetz seiner Bildung. Aus seiner Betrachtung
allein ist dasselbe nicht zu erkennen, denn nicht geschrieben steht es
auf jedem KorperLheile, ob er ihm allein oder allen Aehnlichen angehöre.
liier kann nur die vergleichende Untersuchung fördern, die
in allmalig sicli erweiternden Ki'eisen zuletzt auch das Unähnliche zur
gemeinschaftlichen Betrachtung herbeizieht. Vor Anwendung dieser
Methode hat es auf dem Gebiete der oi'ganischen Welt wohl Sammler
und Kuriositatenkrämer gegeben, aber ihr Ersammeltes und darüber
P h a n t a s i r t e s bildete keine Wissenschaft. Alle wahren Fortschritte dieser
Forschungsgebiete datiren von der Anwendung der vergleichenden
Methode, die sich auch auf das Studium der verschiedenen Entwickelungszustände
erstreckt. In ihrer Anwendung beschleunigt sich der
Schritt àer Erkenntniss. Nicht einseitig, kann die unfruchtbare Spekulation
fortwuchern, denn was die Beobachtung des Einzelnen nicht
bestätigen oder zurückweisen konnte, hewahriieitet oder verwirft die
allgemeine Vergleichung. Das gefundene Gemeinsame lehrt das Gesetz
finden, und ob die Schlussfolge logisch war, bewahrt der Prüfstein der
weitern Ausdehnung des Blicks. Es entwickelt sich die Methode
der Analogieen; die naturphilosophische Spekulation, welche früher
einem Ilazardspiel glich, beginnt sicli auf maihematische Grundlagen
zu stützen. Im Verlaufe ergänzt sich nicht allein Schluss und Beobachtung,
sondern sie unterstützen sich beide. Das Wort Baco' s von
V e r u l a m , dass richtige Axiome oft Heereshaufen neuer Entdeckungen
nacli sich ziehen, eigentlich nur ausgesprochen für experimentelle
oder rechnende Wissenschaft, fängt auch in der lebendigen Welt an
sich zu bewahrheiten. Dann nach gewonnenem allgemeinen Ueberblick
hat es ein wahres grosses Interesse zum Einzelnen zurückzukehren,
denn zur wirklichen Erscheinung kommen die allgemeinen Gesetze ja
doch immer nur im Individuum, Aber wie anders wirkt es nun auf
u n s ; verstanden, aufgefasst als Glied des grossen Ganzen, nicht mehr
Einzelwesen, sondern Theil des Kosmos, nicht mehr Spiel des Zufalls
oder der Laune, sondern Produkt gemeingültiger Gesetze!
Auf die systematische Botanik hat die vergleichende Methode eine
bewusste Anwendung erst durch To u r n e f o r t und L i n n é gefunden.
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wisse Crassulaceen erinnert, die man im Topfe in Fenstergärten liebt.
So lange sie nicht blühen, ahmen z. B. Acacia sphiescens und Ä.
carlnata unsere Ginstergebüsche nach, A. alala gleicht einigen Blattk
a k l u s - A r t e n , Acacia ve?Hicillala und A. Brownii gleichen Wachholderslräuchern
, A, (jalioides sieht waldmeisterähnlich aus, und in
Acacia myrtifolia und smilacifolia werden sogar die schonen Blätter
der Melastomaceen durch Phyllodien-Bildung nachgeahmt. Aehnliche
Nachbildungen werden auch im Thierreiche mannichfach wahrgenommen,
in den Klassen, wo die Variation am grossesten ist, namenllich unter
den Insekten. So ahmen die Ar ten unter den Schmetterlingen
die Formen der Bienen, Wespen, Ameisen, Fliegen und Mücken nach,
und der gemeine Ohrwurm (Orthoptera) ist einer Käfergatlung (Staflujliniis)
im Aeussern so ähnlich, dass sie L i n n é sogar neben einander
stellte.
Etwas höher steht die Verwandtschaft, welche hervorgebracht
wird durch eine Ausbihlung wichtigerer Organe in derselben Richtung,
wodurch Gewächse sehr verschiedener Abkunft sich ähnlich werden.
Dieser Fall tritt sehr auffallend ein bei der neuholländischen
Familie der Stylideen einerseits, und den Orchideen andererseits. Indem
in beiden Familien über die Hälfte der in der Anlage vorhandenen
Staubgefässe fehlschlagen, und die ein oder zwei, welche sich entwikk
e l n , mit der Grilielsäule verwachsen, entsteht eine nicht zu verkennende
Aehnlichkeit der Blüthenbildung. Es kommt dazu, dass die
Blätter der Stylideen meist parallelne rvig erscheinen, die Gotylen nicht
zu erkennen sind, der Blüthenstand demjenigen der Orchideen ähnlich
wird; die Folge war, dass die ältesten Beobachter diese Familien nebeneinander
stellten und die Stylideen für eine Abtheilung der Orchideen
ansahen. Gleichwohl dürfte, um wieder ein paralleles Beispiel aus der
Zoologie zu entlehnen, der Irrthum nicht viel grösser sein, wenn man
den berufenen Seehasen (Aplysia depilans), eine Meerschnecke, als
einen wasserbewohnenden Verwandten des Bindes ansehen wollte, blos
weil seine 4 zum Theil löfielartig gebohlten Fühler aussehen wie 2
Ohren und 2 Hörner, weil er die Tangwiesen abweidet, und endlich
sogar einen vierfachen Wiederkäuer-Magen besitzt.
Alle solche kleine Formabänderungen und Annäherungen erweisen
sich wohl als zufällige Produkte eines Komplexes verschieden zusammengesetzter
äusserer Einilüsse. Ohne Zweifel sind es diese, denen
wir die ungeheure Formen-ManichfaUigkeit verdanken, und wenn wir
die Wirkungen der Standörter, des Bodens, Klimas überall in Bech-
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