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Plane des Thieres oder seinen belierrscljenden Theilen nicht untergeordnet
sind. Wir erblicken dies zuerst bei den meist mikroskopisch
kleinen Kreidethierchen (Rhizopoden), deren neu hinzugefügte Kammern
sich bei unzähhgen Galtungen und Arten spiralig aneinanderfügen. Da
indess das Thier nur in der vordersten (letzten) Kammer lebt, so besteht
eine allgemeine Beziehung zwischen diesen Theilen nicht, wie bei
der Ptlanze, und die Anordnung der Kammern ist daher nicht gerade
sklavisch an dieses Gesetz gebunden. Die neuen Kammern der Kopffüssler
(Ammonilen, Goniatiten, Ceraliten etc.) folgen demselben Gesetze,
und auch das allmälige stückweise Weiterwachsen des Schneckenhauses
geschieht nach der Spirale, keineswegs wie R o s smä s s l e r glaubt,
weil der allgemeine Bau dieser Thiere die Spirale vorschreibt, — denn
die gehäuselosen Schnecken zeigen diese äussere Form nicht — sondern
nach dem oben entwickelten Gesetze, dem auch das periodische
Wachsthum von Thierhürnern mitunter folgt. Selbst freie Thiere, die
sich zu einem nebengeordneten Beieinandersein, im successiven Hinzutreten
vereinigen, ordnen sich nicht selten nach der Spirale aneinander.
Bei verschiedenen Mooskorallen, z. B. bei der Gattung Hornera Lamx.
fügen sich die neuen Polypenhäuser den frühern spiralig an, und kein
Gebilde im Thier- oder Pflanzenreiche ist auffallender und strenger
nach dieser Regel gebaut, als die Korallenstöcke der Bryozoengattung
^rchimedes Lesueur^ z. B. die fossile Art Archimedes Wortheni
Hall.
Ich habe von einem spiraligen Aufeinanderfolgen aller Glieder im
Pflanzenkürper geredet, während man gewöhnlich nur von der spiraligen
Blattstellung spricht, deren Erforschung wir vor allen andern
A l e x . Braun danken. Aber selbstverständlich sind auch die Stengelglieder
selbst in dieser Weise aufeinandergesetzt, wie man in der Richtung
der Gefässstränge, welche überhaupt die Blattstellung bedingen,
sofort erkennt. Gegenüber oder quirlförmig gestellte Blätter scheinen
eine Ausnahme von dieser Regel zu machen, indessen zahlreiche Uebergänge
zeigen, dass wir es hier nur mit zusammengeschobenen Spiralen
zu thun haben.^ wenn diese Blätter sich beinahe in derselben
Zeitfolge entwickeln, nicht deutlich nacheinander, und dann bilden die
einzelnen Blätter mit denen der nächsten Quirle Spiralen um die Achse.
So entwickeln sich darauf stets in der nämlichen Stufenfolge nach und
nach Niederblätter, Laubblätter, Brakteen, Kelch - , Blumen - , Staubund
Fruchtblätter, alle nach dem Gesetz der spiraligen Folge, niemals
ist die Aufeinanderfolge gestört oder umgekehrt, und wenn der eine
Blattkreis fehlt, so schliesst sich der nächstfolgende an.
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Am auffallendsten tritt die Spiralnatur bei den höchsten Blattquirlen,
des Kelches und der inneren Blüthenkreise hervor, wo nicht nur
die Gestalt, sondern auch die Lage und Entwickelung, sowie namentlich
die Zuhl dies bekrältigen, worauf wir später mehrfach neu zurückzukommen
haben. Mau hat das Gesetz der spiraligen Nebenordnung
in den niederen Gewächsen nicht anerkennen wollen, es ist aber dort
ebenso vorhanden, nur weniger entwickelt. Noch bei den Farnen erkennt
man seine Wirksamkeit deutlich, sowohl in der spiralförmigen Entwickelung
jedes Wedels, als vorzüglich in der scheinbar kreisförmigen
Anordnung der Wedel, wodurch die schönen Trichter mancher stammlosen
Arten (Struthiopteris (jermanica) als auch das runde Schirmdach
der tropischen Baumfarn bedingt ist. In der Anordnung der Blattschuppen
hei Lycopodien und Laubmoosen tritt die Schraubenlinie
überaus deutlich hervor, bei den ungegliederten Gewächsen (Thalluspflanzen)
ist das Gesetz unentwickelt. Die mathematische Betrachtung
lehrt uns aber, was wir hier nicht weiter ausführen können, dass der
einlachste Fall dieser Verhältnisse aus der Gleichtheilung besteht, welche
dort gewiss auffallend herrscht. Aber ich will nur darauf hinweisen,
dass der instruktivste Fall, wie sich gleichstehende Pflanzentheile, deren
jedes für sich lebt, doch durcli die Spiralordnung, in die auiiallendste
Wechselwirkung setzen, schon bei einigen niederen Algen, namentlich
der Konjugalen-Gattung Spirogyra Link zu beobachten ist.
So erkennen wir in der Spiraltendenz, deren allgemeine Wichtigkeit
schon Götbe dunkel ahnte, den eigentlichsten Charakter der Pflanzennatur
ausgedrückt, und wir können die Pflanze defmiren, als einen
unsymmetrischen Organismus, dessen nicht an die Zahl gebundene
lebende Glieder keinem Haupt- oder Centraiorgan, oder allgemeinem
begrenzten Plan*) untergeordnet, sondern allein durch spiralige Anordnung
koordinirt sind. Mögen sich die Mathematiker über die eigenthümliche
Rolle der Spirale äussern, in mystisch tiefer Weise nach
Art der Naturphilosophen kann man in ihr, jene Gegensätze der Natur
lebendig vereint sehen^ das Streben nach Festwurzelung und Befreiung
nach Dunkelheit und Licht, oder — immer besser! nach Schwere und
*) Mit Hauptplan des Thieres will ich die Untrennbarkeit des Thierganzen
bezeichnen, nach welcher mehr oder weniger aUe Theile sich auf ein Nerven-,
Respirations-, Verdauungs-, Absonderungs- u. s. w* System beziehen, während
in der Pflanze alle Theile für sich leben, und nur durch ein weit loseres Band,
veremigt sind, kaum von einander abhängen.
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