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aniiimml, z. B. das Wasser im Sclineellockon. Ich fand, dass die
l'hysiognomie des Nadelholzes bedingt sei, einmal durch diesen wiederholt
quirlarligen Aufhau des innern Gerüstes, und zweitens durch die
Anordnung der nieist in dichten, sogleich in die Augen fallenden Spiralen
um die Aeste vcrtheilten Nadeln. Die Richtungswinkel der Aeste,
die Grösse, Form und Stellung der Nadeln, sind bei vielen unserer
einheimischen Häunie dieses Geschlechts, was die Verschiedenlieit des
äussern Anblicks bestimmt. Trotz dieser Zerlegung des allgemeinen
Anblicks in diese beiden, denselben hauptsächlich hervorbringenden
Faktoren, war mir die Form nicht verständliche!' geworden, und ich
verzweifelte mehr und mehr an der Möglichkeit, jemals die Pflanzengestalten
in der Weise, wie ich es wünschte, zu begreifen. Trotz des
deutlichen Vorhandenseins von ßlüthe und Frucht, waren mir die Nadelhölzer,
wegen der Starrheit ihrer Bildung, stets wie ein den weniger
vollkommenen blüthenlosen Gewächsen verwandtes Geschlechterschienen,
wozu sich, durch die düslere Stimmung des Nadelwaldes gehoben, noch
der phantastische Begriff einer veralteten, gleichsam nicht ganz mehr
in unsere vorgeschrittene Erdepoche passenden, vorweltlichen Pflanzengestallung
bei dem grübelnden Knaben gesellte. Mit diesen Gedanken
schritt ich den Berg hinab, in einen feuchten Laubwaldgrund, wo ich
zum ersten Maie Lycopodium Selago und nahe dabei das zierliche
Equisetum sylvaticum fand, beide in üppiger Vegetation. Sonderbares
Zusammenfinden an diesem Tage! es leuchtete mir wie ein Blitz auf,
dass das Nadelholz den Charakter der Bärlappe in seiner ßelaubung,
mit dem der Schachtelhalme in seiner Astbüdung vereinige, und von
diesem Augenblicke an ist mir der Habitus dieser Pflanzenform nicht
mehr unverständlich und fremd, sondern durchsichtig und bekannt vorgekommen.
Ganz abgesehen von dem Werlhe oder Gehalte dieser damaligen
Auffassung, sie war bestimmend für die Richtung meiner botanischen
Studien. Wie mich stets vor Allem die äussere Erscheinung
der Gewächse beschäftigte, so habe ich von da ab'eine Form aus der
andern zu verstehen gesucht, und einem nähern Zusammenhange derselben
unter einander nachgespürt. Was den Floristen ärgert, das
freiwillige Auftreten vieler Gestaltsvarietäten bei mancher Art, interessirte
mich lebhaft, weil es die Biegsamkeit der Form bewies, die mir
niemals als ein unveränderlich Gegebenes erschien; die Uebergänge der
Familien und Gruppen in einander, welche dem ordnungsliebenden
Systematiker Kummer bereiten, erfreuten mich abermals, weil sie mir
zeigten, dass eine nähere Beziehung zwischen diesen Gruppen existirt,
als sie willkürlichen Geschöpfen angemessen wäre. So entwickelte
sich nach und nach wenig beeinflusst von aussen eine Naturanschauung,
die derjenigen der Lehrbücher fast entgegengesetzt war. Eine
Schulidee nach der andern warf ich ohne Bedauern, wie man Lasten
abwirft, von mir, und ich erinnere mich noch recht wohl, mit welchem
Entzücken ich bei dem Anblicke einer in ihren Dimensionen herrlich
entwickelten Musa das Vorurtheil der meisten Systematiker verliess,
dass die monokotylischen Gewächse als eine den vollkommneren dikotylischen
Pflanzen untergeordnete Gruppe anzusehen seien. Es entstand
bald das Streben, die Gesetze der Gestaltenentwickelung im Pflanzenreiche
zu Studiren, und endlich wurde die vorliegende Abhandlung
entworfen. Ihre Ausarbeitung hat mich in einer äusserlich und innerlich
sehr trüben Epoche meines Lebens erheitert, und an ihr habe
ich erfahren, was ein alter Gelehrter versichert, dass Nichts in der
Welt einen lieferen und nachhaltigeren Trost im Leiden zu geben vermag,
als die Beschäftigung mit der Natui'.
Den Fachgelehrten, der dieser Schrift seine Aufmerksamkeit zuwendet,
muss ich ersuchen, bei der Beurtheilung nicht ausser Acht
zu lassen, dass nur ein Liebhaber ^der Botanik, nicht ein Fachmann sie
verfasst hat. Der Umstand, dass das Buch in einem kleinen Städtchen,
ohne ausreichende literarische Hilfsmittel geschrieben wurde, hat die
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