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zuerst deutlich aus, dass eine solche Ordnung Familien enthalten solle,
in denen ein gleicher Plan der Organisation zu erkennen wäre, aber
man hatte sich künstliche Schranken gestellt, die es verhinderten, dass
sämmtliche nach einem Typus gestalteten Pflanzen in eine solche Abtheilnng
versammelt werden konnten. Ich habe durch Anwendung
vergleichender Principien, geleitet durch die hier und besonders im
Nachlolgenden entwickelten morphologischen Gesetze eine grössere Zahl
solcher abgeleiteten Typen festzustellen gesucht, auf welche sich die
Mannichialtigkeit der Gestalten nachher bezieht. Um ein schon angedeutetes
Beispiel weiter auszuführen, erwähne ich, dass ich einen
solchen abgeleiteten Typus repräsentirt glaube durch die Vereinigung
folgender Familien: Gyi^ocar^peae ^ Lawnneae, Heimcindieae, MyìHsticeae,
Anonaeeae^ Berberideae^ Menisf ermae^¡Vintereae^ Magnoliaceae
und einiger wenigen andern. In diesen Familien spricht sich
grösstenthesls ein gleiches Schema aus , charakterisirt durch Vorwalten
der Dreizahl in den Blüthentheilen, durch den geringen Unterschied
zwischen Kelch- und Blumenblättern, ferner durch meist eigenthümliche
Fornì und Aufspringen der Äntheren, Die ersten beiden Charaktere
erinnern an nionokotylische Gewächse, doch neigt der allgemeine Charakter
ihnen nicht zu.
Gewisse Kennzeichen treten in jeder solchen Gruppe hervor, die,
nach bestimmten, weiter unten zu erörternden Grundsätzen modificirt,
allen Gewächsen derselben eigen sind, in ihrer Verbindung, wobei eines
oder das andere überhaupt fehlschlagen kann. Es sind dies die Konnexionen
oder festen Beziehungen, welche sämmtliche zusammengehörige
Glieder verbinden und durch deren gemeinsame vergleichende Verfolgung
man die zu einem abgeleiteten Typus gehörigen Gheder erkennt.
Natürlich variiren die Angehörigen eines jeden dieser abgeleiteten
Typen wieder nach allen Richtungen, eben dadurch jene Mannichfaltigkeiten
der Form erzeugend, von denen wir mehrfach gesprochen.
Indessen die Abweichungen sind meist unwesentlich, ohne Verletzung
des Grundgesetzes, so wie die Verschiedenheiten der Pflanzen einer
Familie. Einige Male aber befestigt sich eine solche Abweichung und
man bemerkt alsdann die Entstehung von Zwischenformen, die namentlich
durch Annäherung zweier Haupttypen entstehen, und darauf die
Charaktere beider vereinigt enthalten. Selten sind solche Nebentypen,
deren wir verschiedene kennen lernen werden, sehr artenreich und
mitunter bald wieder erlöschend. Sie sind häufig schwierig zu erkennen,
aber in noch höherem Grade gilt dies von neuen Ableitungen der
Nebentypen unter sich, deren Existenz gleichwohl wahrscheinhch ist.
Jeder dieser Haupt- und Nebentypen kann nun unter dem Einflüsse
der im nächsten Abschnitt erörterten Gesetze Reihen bilden,
welche vielfach nebeneinander lierlaufen, sich verschlingend und vermischend.
Dadurch verschwindet das ursprünglich leicht übersehbare
Gebiet, zuletzt durch fremde Annäherungen, in einem Wirrsal von
Formen, und man ist, wie in einem Urwalde, oft ausser Stande zu
sagen, welchen Stämmen diese und jene Gestalt in der allseitigen
Formenfülle angehört.
Am bildsamsten ist der Pflanzentypus in seinen unvollkommensten
Verkörperungen, Ehe sich noch die eigentliche Gestalt hervorgebildet
hat, da finden Abwandlungen der Muttergestalt bis zur Unkenntlichkeit
ohne üebergang statt. Welchen zauberischen Reichthum von höchst
verschiedenen Gebilden entfaltet die Welt des Proteus in ihrer Algenvegetation!
In wenigstens 2000 verschiedenen Formen bewegt sich
die Sphäre der Pilze vom Amorphen zum Ausgestalteten! Selbst noch
die Farn, welchen Unterschied in der Gestalt eines Ophioglossum,
Botrychium^ Scolopendruwi^ Stnithiopteris^ Adiantum und andererseits
Marsüea^ Salvinia und Isoeies! Und hierzu auch der Gestaltenwechsel
des Individuums selbst, von der kleinen Blüthenknospe der
Spore^ durch den oft konverfenartigen Vorkeim, oder das blattartige
Prothallium der Farn, aus denen der zierlichst ausgearbeitete Wedel
entspringt, dessen Fläche sich vielleicht kurz darauf verzehrt oder umwandelt,
in eine Rispe mit Sporenbehältern! Hier, wo Morpheus, der
Gott der Gestalten, sein umnachtetes Scepter schwingt, haben wir wohl
den Herd und die Werkstätle unserer Formabwandlungen zu suchen,
vermuthlich kurz nachdem sich die Pflanze selbst gegliedert darstellt.
Es ist wie im Thierreich, wo ebenfalls in den niedern Stufen die Mannichfaltigkeit
der Gestalten in weiteren und loseren Grenzen sich bewegt,
als unter den Wirbelthieren.
Dass nicht eine unbeschränkte Zahl solcher Abwandlungen des
Grundtypus beobachtet wird, kann man sich mit Milne-Edwards
nach einem Gesetze der Sparsamkeit, oder mit Darwi n durch ein
regelmässiges Untergehen einzelner abgeleiteten Typen, im Kampfe ums
Dasein, weniger dadurch erklären, dass mit ihnen die Zahl sämmtlicher
möglichen Kombinationen erschöpft worden wäre. Es tritt unläugbar
hervor, dass einige Familien, ja wohl ganze Gruppen gegen andere
günstiger gestellt sind, durch ihr stärkeres Fortpflanzungsvermögen.
Dasselbe hängt hauptsächlich ab, von der Erzeugung der grössten
Menge der keimfähigen Samen> Manche Gewächse erzeugen viele Samen
, aber sie sind nicht alle keimfähig oder durch unzureichenden
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