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Chlorophyllgelialt erkennen wollen, aber nicht nur, dass viele höhere
und niedere Pllanzen kein Chlorophyll enthalten, es gieht auch chloropliyllhaltige
Thiere. So dürfen wir uns wohl troslen, wenn auch unsere
auf allgemeinen Bau und Leben dieser Organismenreiche gegründete
Unterschiede in den niedern Stufen Beider nicht ganz ausreichen
sollten, und man kann Sprengel , Kiitzing, Perty und andern
Naturforschern nicht ganz Unrecht geben, wenn sie behaupten, eine
feste Grenze zwischen beiden Reichen bestehe überliaupt in jenen Ant'angsregionen
nicht.
I I . (ßifeü (kr äbiüitndlunij drs €rundijijius (öfcrnjitgaitan).
Ueberblickt man die imgeheuern Mannichfaltigkeiten der Gestalten
in irgend einem der 3 Naturreiche, so findet man, dass sich dieselben
allemal auf einem Grundtypus zurückführen lassen, wie wir solchen
vorhin aus dem bunten Chor der Pflanzen erhalten haben, indem wir
nur das Allgemeine und Bleibende im Auge behielten. Wie sich von
einem solchen Grundtypus nun die zahllosen Gestalten ableiten, deren
Mannichfaltigkeit unser Auge ergötzt, möchten wir anfangs an einem
möglichst einfachen Beispiele erläutern, und wählen dazu das Reich
des unorganisirten Stoffes. Spricht man ganz allgemein von einem
solchen, so hat man nur eine Kraft im Sinne, welche die Theile dieser
Masse beherrscht, die Attraktionskraft. Kommt sie allein zur Geltung,
so nimmt der Stoff die Kugelgestalt an, in welcher ich den Grundtypus
des Mineralreiches erkenne. Der allgemeine Charakter ist dann die
gleiclimässige Beziehung sämmtlicher Theile auf einen Mittelpunkt,
Indem aber ein Widerstreit ausbricht zwischen andern der Masse eigenthümlichen
Kräften, und die gleichmässige Beziehung aller Theile gestört
wird, durch Erweckung eines Zwiespaltes in ihr schlummernder
Fähigkeiten, wird eine nicht in allen Richtungen des Raums gleich
starke Wirkung von und gegen jenes Centrum frei, und indem diese
Verhältnisse bei gewissen chemischen Stoffen und Verbindungen beständig
bleiben, kann man verschiedene abgeleitete Formtypen unterscheiden.
In der unorganischen Welt, deren besonderer Gestaltungstrieb
sich in der Krystallisation ausprägt, kann man nun 6 verschiedene solcher
abgeleiteten Typen unterscheiden, welche vorkommen, und welche
man Krystallsysteme nennt. Jedes dieser Systeme enthält die Möglichkeit
einer unendlichen Zahl in einander übergehender Formen, die alle
nach demselben Typus gebaut und auf ihn zurückzuführen sind. Das
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einfachste dieser abgeleiteten Systeme ist das regelmässige, charakterisirt
durch drei auf einander senkrechte, sicli in einem Mittelpunkte
schneidende gleichlange Achsen. Wählt man aus diesem Systeme eine
Hauptform, so kann man daraus z. B. durch regelmässige Enteckung
des Oktaeders eine neue Grundform, den Würfel ableiten. Stumpft
man regelmässig alle Kanten des Oktaeders ab, so gelangt man nach
vielen Mittelformen endlich auf eine neue llauptform, das Rhombendodekaeder.
Durch eine zwar symmetrische aber nicht allseitige, sogenannte
hemiedrische Enteckung oder Enlkantung des Oktaeders kann
man endlich zwei neue Grundformen erhalten, das Tetraeder, und Pentagonaldodekaeder.
Diese fünf Hauptformen, so sehr ihre Gestalt auch
abzuweichen scheint, gehen unmerklich ineinander über, und es liegt
ihrem Bau ein unüberschreitbarer Grundplan in dem Verhältniss der
Achsen unter, dessen Wechselbeziehung in der organischen Welt (Zoologie)
St. Hi lai r e das Gesetz der Konnexionen genannt hat. Irgend
ein Körper, dessen gewöhnliche Gestalt diesem Systeme angehört, kann
nun je nach den Umständen seiner Bildung, je nach Abänderungen
seiner Zusammensetzung in allen Uebergängen dieser fünf Gestalten
auftreten, und wirklich findet man bei jeder Krystallisation Kombinationen
der Grundform mit denen anderer Hauptformen desselben Systems.
Und damit man nicht glaube, diese sechs Krystallsysteme seien
eben so viele unabgeleitete, deshalb nicht auf einander bezügliche allgemeine
Typen, so machen wir darauf aufmerksam, dass derselbe Stoff,
in einigen Fällen, wenn die Umstände seiner Bildung ihn in besonders
verschiedene Zustände versetzen, die Gestalten verschiedener Systeme
ebenfalls annehmen kann. Doch das Streben der Natur, ihre Bildungen
zu variiren, geht noch weiter. Betrachten wir 100 Schneeflocken,
so finden wir vielleicht mehr als die Hälfte, die sich nicht nahezu ähnhch
sind. Alle sind indess aus den nämlichen Krystallelementen zusammengesetzt,
und lassen sich trotz aller ihrer wunderbaren Mannichfaltigkeit
ohne Ausnahme auf einen drei- oder sechsstrahligen Stern
zurückführen, als wollten sie alle die Homoiomerien des A n a x a goras
demonstriren. Dies sind, was . ich unter abgeleiteten Formen verstehe,
ich stelle keine Gestalt eines Krystall-Systems über die andere, kein
System über das andere, sie sind gleichberechtigte, gleich vollkommene
Variationen eines Grundschemas.
Im Thierreiche ist dasselbe Gesetz der Abwandlung des allgemeinen
Typus längst bekannt, und Cuvier bestand, wie wir gezeigt haben,
gegen die Anhänger einer Vervollkommnungsreihe bereits darauf,
dass man mindestens vier Kreise des Thierreichs unterscheiden müsse,