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Illing zielien könnten, so uiirden wir vielleicht im Stande sein, die
Eigenheit der Formen zu berechnen. Sehen wir doch, wie das Schmarotzerleben,
die Seeluft, der kurze Gebirgssommer überall den gleichen
morphologischen Eintluss äussern, und ebenso sehen wir, wie sich die
meisten Pllanzenarten an bestimmte Bodenarten binden und ohne dieselben
hingsam ihre Form verlieren, wo sie nicht gänzlich absterben. .A.
B r a u n hat nachgewiesen, dass das Vorkommen eines gelbbliihenden
Veilchens ( f loJa cal(unina7'i\s) an dem Zinkgehalt des Bodens geknüpft
i s t , nnd dass daher diese Varieliit, in weichem auch die Analyse jenes
Metall nachweist, ohne Zweifel durch diese Einwirkung entstanden ist.
Aehnliche Beispiele, die sich nach allen Bichtungen vermehren liessen;
zumal das Studium der „bodenholden" POanzen, wie U n g e r diejenigen
n e n n t , welche an bestimmte Bodenarten gebunden sind, lässt kaum
einen Zweifel liber die Wirksamkeit, welche die äussern Verhältnisse
auf die Formen gehabt haben, indem sie unendliche Variationen erzeugten.
Eine ganz andere Frage ist es, ob diese Veriiältnisse die
Fortbildung oder Vervollkommnung der Form veranlasst haben. Die
meisten Schriftsieller auf diesem Gebiete haben dies behauptet, zumal
S t . llilaire und Darw^in; ich kann mich dieser Ansicht nicht befreunden
, und kann diesen äussern Einwirkungen höchstens einen
hemmenden oder begünstigenden Einfluss auf die Entwickelung beimessen.
Wir sehen niemals, dass die Formveränderungen, welche das
Anpassungsvermögen auf gewisse Pflanzen ausübt, sich auf nächst
höhere Gattungen oder P'amilien fortgeerbt hätte, und die Cassytha-h^-
bensweise und Form stellt in der Reihe der Lorbeerartigen ebenso
vereinzelt und ohne Nachfolge, w'ie die Cuscuteen unter den Windengewächsen.
Kaum glauben möchte man es, dass Exemplare des Po-
¡ygomnn. canphihunn, die im Wasser stehen, mit denen am Ufer zu
derselben Species gehören, nnd selbst bei demselben Exemplar der
Wasserranunkeln sehen die untergetauchten Blätter den schwimmenden
gar nicht ähnlich. Wir haben es also mit Formveränderungen zu thun,
die sich nur so lange vererben als die Nachkommen dieselbe Lebensweise
i)efolgen. Wer das weiss, wie verschieden die Bedingungen
s i n d , unter denen verw'andte Pflanzen leben können, der sieht auch,
wie wenig Bleibendes jene Einflüsse schaffen mögen. Ich erinnere
beispielsweise nur an die Gattung Isoetes, welche wir gew^öhnt sind,
nur tief auf dem Grunde der Seeen wachsend zu denken, und von
welcher mehrere Angehörige auf kahlen trockenen Bergen vorkommen.
So erkennen wir, dass diese äussern Umwandlungen nichts Bleibendes
erzeugen, -viel weniger einen Vervollkommnungsplan gleichmässig zu
fördern im Stande sind; ohne Zweifel liegt letztei'er im Organismus
selbst, wie ich schon oben annahm. Daher ist in den Pdanzenreihen
nur der allgemeine Plan, nicht die zufällige Gestalt bleibend, und ein gleicher
Habitus kann bei Angeliörigen sehr verschiedener Beihen auftreten.
Dennoch giebt es viele Gestaltseigenthümlichkeiten, die sich in einer
Beihe lange vererben, wahrscheinlich, wenn sie mit der allgemeinen
Organisation in näherer Beziehung stehen, und deshalb darf niemals das
Studimn des Habitus vernachlässigt werden.
Wenn ich annehme, dass die Variation der Arten im kleineren
Kreise durch zufällige äusere Umstände, die auf das Leben der Gewäclise
einwirken, zu erklären ist, so kann ich_, wie schon oft ei'wähnt,
niclit ein gleiches zugeben für die allgemeine Fortentwickelung einzelner
Typen in bestimmten Beihen. Man wird grösstentheils das Vorhandensein
solcher Beihen, von den im Nachstehenden genauer bezeichneten
Eigenschaften, nicht in Abrede stellen können, wenn man auch
Vielerlei daran aussetzen und verändern wird. Wenn aber das ganze
Pflanzenreich in derartige Beihen zerfällt, deren jede einen bestimmten
Typus ausbildet, so ist die nächste Erklärung, welche man hierlur
s u c h t , immer die einer Ableitung und Abstammung. Ich verwahre
mich aber ausdrücklich davor, als hielte ich diese Ansicht für gewiss
bewiesen, oder überhaupt für die allein den Verhältnissen angemessene
und mögliche Erklärung. Das Dasein derartiger Beihen ist mir eine
gewisse Thatsache, alles Uebrige betrachte ich als nicht bewiesene Hypothesen,
die aber um so annehmbarer sind, je mehr sie nach allen
Seiten dem Beobachteten sich anschmiegen. Ich werde öfter von ererbten
Uebereinstimmungen und Aehnlichkeiten in derselben Beihe sprechen,
weil dies eine anschauliche und geläufige Vorstellung giebt, aus
keinem mehr triftigen Grunde. Der blossen Theorie einer Fortentwickelung
und Abstammung stehen insbesondere die mitunter bedeutenden
Lücken in den Beihen entgegen, da, wenn der Fortbildungsprocess
ein natürlicher und unbeeinflusst verlaufender sein soll, derselbe
niemals ruhen kann und etwa entstandene Lücken sich stetig
wieder^ wenn auch nicht ganz in der vorigen Weise, schliessen müssen.
Diejenigen, welche der Vorwelt andere und vollkommnere Kräfte
zuschreiben, als noch jetzt herrschen, können sich leicht über diese
Schwierigkeit helfen, indem sie sagen, es habe nur damals eine solche
Vervollkommnung einzelner Typen in dem übertropischen Klima jener
'mjm. M. inff