
halb g!aul)(e Linné, diese successive Entwickehing neuer Knospen
sei hier gleichsam auf einmal und verCrühL vor sich gegangen, in der
Bhilhen- und Fruchtbildung. Er erhob diese AnsichL zu einer Theorie,
welche er die Anücipalion oder Prolepsis der Pflanzen nannle. Er
hielt daher in der Hlüihe repraseuLirl, und anlicipirt, eine sechsjährige
Vergrösserung des Zweiges durch Knospung, indem er die Brakteen
aus den Mitlein des ersten Triebes, den Kelch aus denen des 2., Blumenkrone
des 3., Iloniggefässe, Drüsen, Nebenblume (wenn vorhanden)
des 4., Staubgelasse des 5. und Fruchlkuoten des 6. Jahrestriebes gebildet
betrachtete. Zugleich nahm er, verführt durch Swammerdamm
e n ' s Theorie der Entpuppungen, eine rorllaulende Enlwickclung der
edleren Blumentheile, aus edleren Theilen des Triebes an, der Kelch
sei aus den Theilen der Oberrinde entstanden, die Blumenkrone
aus dem Baste, die Staubfäden aus dem Holze, der Fruchtknoten mit
den Samen aus dem Marke. Die Blume, meint nun Linné, sei hierbei
durch Entpuppung aus dem Kraut, wie das geflügelte Insekt aus der
Larve hervorgegangen, ein Vergleich, der wie er bemerkt, schon von
S w a m m e r d a m m und Ne edha m gemacht worden war, und wie man
das Insekt nicht an der Larve erkennen könne, so müsse man die
BLume sehen, um die Pflanze zu bestimmen^ Diese Theorie fand trotz
des damit übereinstimmenden Zeitgeschmacks nicht allgemeinen Anhang,
namentlich wegen der letzteren Ansicht über die Bedeutung der Theile.
M i r mehr Glück beschäfte sich Caspar Friedr. Wolf mit der Deutung
des Forlpflanzungsprocesses der Pflanze, welche er 1759 in seiner
,^Theo?na generationis^^ bei seiner Promotion zu Halle vorlegte. Er
nimmt in dem Leben jeder Pflanze eine fortschreitende Entwickelung
ihrer Theile w^ahr, so dass sie mit jeder Stufe vervollkommnet, und
verfeinert erscheinen. Alle Organe der Pflanze glaubt er auf den
Typus von Axe (Stamm) und Blatt zurückführen zu können, und findet,
dass Kelchblätter, Blumenblätter, Staubfäden, Frucht- und Samenblätter
nur fortschreitend verfeinerte Wiederholungen des Laubblattes seien,
Die Umbildung scheint ihm durch eine Abnahme der Lebenskraft bedingt,
welche bei der weitern Entwickelung die Theile immer mehr
in sich zusammenziehe, und dabei durch Beschränkung verfeinere.
Zu einer sehr ähnlichen Deutung des Vorganges der Pflanzenentwickelung
gelangte, ohne anfangs von W o l f s Ideen Kenntniss zu haben,
Göthe, durch seine aufmerksamen und sinnenden Betrachtungen
über das Leben der Pflanze. Er belegte den Vorgang mit dem später
allgemein angenommenen Namen der Pflanzenmetamorphose, von welcher
er eine vor- und zurückschreitende unterscheideL Göthe bildet
die Theorie der im normalem Wachsthum stets vorschreitenden Metamorphose
weiter aus, durch Nachweis des Uebergangs der unentwickelteren
Biattorgane in verfeinerte, höhere, wobei er vielfache Mittelstufen
beschreibt. An der krankhaften rückscbreitenden Metamorphose zeigt
er, wie sich die höchsten Theile, selbst Blumen- und Fruchtblätter
wieder in gewöhnliche Blätter zurückvervvandeln, auch dadurch ihre
Natur und Ursprung beweisend. Darauf geht er auf das Einzelne
näher ein, und deutet darauf hin, wie sich alles gegen die Blüthe bin,
mehr zusammenschiebt, die vorher rings um den Stamm vertheilten
Blätter in Kelch und Blume zu einem Kranze zusammenrücken, und
mitunter verwachsen. Die Internodien verkürzen sich gegen die Blüthe
hin immermehr, und es entstehen mehr oder weniger zusammengedrängte
Blüthenstände, deren enge Verzweigung ein andeutendes Schema
der Krone von belaubten Zweigen giebt, welche das Gewächs gebildet
haben würde, wenn es nicht zum Blühen gekommen wäre. Göthe
veröffentlichte seinen „Versuch die Metamorphose der Pflanze zu erklären"
1790, fand aber anfangs wenig, nachher im neuen Jahrhundert
zuerst von Frankreich her, viele Anhänger. In jener Zeit halte
sich in Deutschland eine eigenthümliche Schule herangebildet, die Naturphilosophen,
Gelehrte, welche sich grossentheils anmassten die Natur
zu interpretiren, ohne sie gehörig studirt zu haben oder sie zu verstehen.
Gleichwohl pflegten sie jene vorhin erwähnten Theorien über
die Vervollkommnung der Organismen, welche aus Frankreich herüber
drangen, und man fand in dem Metamorphosen-Vorgange, wie er sich
am einzelnen Individuum ausprägt, ein Urbild und Schema desselben
Bildungsprocesses in dem ganzen Beiche. Beide Lehren vereinigten sich
so, ergänzten sich gegenseitig, und gingen Hand in Hand. Die Möglichkeit
ja das Thatsächliche einer Umwandlung durch Verfeinerung
der Organe schien gegeben zu sein, und Gurt Sprengel verkündete
seine Vermuthungen über naturgesetzliche Verwandlungen niederer Gewächse
ineinander im Jahre 1804*). Man strebte nunmehr darnach,
die Organismen auch so anzuordnen, dass man im Systeme den Gang
dieser Verwandlung und Vervollkommnung zu höhern Formen sähe, so
dass die Weite des Fortschrittes in der Ausbildung auch durch die
Stellung im Systeme angedeutet würde. Am frühesten bemühte sich
K i e s e r in solcher Weise die Metamorphosen-Lehre für die Klassifikation
zu verwenden**), aber erst Oken führte die Idee wirklich voll-
Anleitung zur Kenntniss der Gewächse 1804 Th. 3. Vorrede.
**) Dr. Ki e s er, Aphorismeoi aus der Physiologie* Göttingen 1808,
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