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Systeme zurückkehren, um an einem leicht versliindlichen Beispiele zu
z e i g e n , in welcher Weise die natürlichen Gattungen dem künstlichen
Systeme widerstreben. Mit den zahlreichen Arten der Gattung Frauenmantel
(Alchemilla) stimmt in einer grossen Anzaiil der massgebenden
Charaktere, sowie in der ganzen Erscheinung eine auf unsern Aeckern
nicht seltene Pflanze überein, nur dass dieselbe nicht wie die meisten
j e n e r , 4 Staubgefasse, sondern durch Verkümmerung oder irgend welche
andere Ursache konstant nur einen Staubfaden zeigt. Man hat dieselbe
wegen der erwähnten allgemeinen Uebereinstimmung nach der natürlichen
Methode ebenfalls zu der Gattung AlchemUla gezogen, und als AIcheinilla
arvensis Scop. unterschieden. Damit tritt der traurige Fall
ein, dass Alchemilla vulgcwis L.^ A, alphia L. und fast alle übrigen
Arten derselben Gattung in der 4. Klasse bei L i n n é stehen, während
die ihnen sehr ähnliche A, cwvensis mithin in die I.Klasse verwiesen
werden muss. Einige Botaniker haben beliebt, deshalb auch die Gattung
künstlich zu bestimmen, und deshalb von den 4männigen Alchemilla
kvlen, die 1 männige Art, als besondere Gattung getrennt,
die dann Aphanes a/^veiisis L. benannt wurde. Wenn nun auch in
diesem Falle nicht mehr 2 Arten derselben Gattung in 2 verschiedene
Klassen gehören, so bleiben doch trotz der anderslautenden Namen
die getrennten Pflanzen nahe verwandt. Aus diesem Beispiele, was
sich nach den verschiedensten Rüksichten unzählige Male wiederholt,
ergiebt sich schon, dass die Einreihung unserer natürlichen Gattungen
in ein konsequent durchgeführtes künstliches System niemals ohne
schmerzliche Trennung nahe verwandter Arten und Gattungen geschehen
kann. Eher gelingt dies sclion in den auf mehreren Charakteren
t)eruhenden künstlichen Systemen, die zum Thcil nach dem Habitus
entworfen, sich aber auch schon deutlich den natürlichen Klassifikationen
nähern. In letztern endlich, wo aus naturlichen Gattungen natürliche
Familien gebildet sind, können solche Missverhältnisse nicht
Platz greifen.
Was man an den künstlichen Systemen besonders geschätzt, weshalb
man sie vertheidigt und beizubehalten gewünscht hat, ist die
Leichtigkeit, mit der sich der Anfänger darin zurecht finden, und zum
Kennenlernen der Pflanzen gelangen kann, mit welchem Letzterem
doch jegliches botanisches Studium beginnt. Es ist wahr, die natürlichen
Systeme sind weder leicht einzustudiren, da sie das im Gedächtnissbehalten
einer Menge Einzelnheiten erfordern, noch leicht zur
Pflanzenbestimmung anzuwenden, da sie sich nur schwer ganz übersehen
lassen. Beides ist nur für den Anfänger richtig, aber gerade
«Johrenius Hodeijus hotanicus. Colmar 1710.
L a m a r c k , am Anfange der 3 Ausgabe der mit Dec. gemeinschaftlich
dieser soll am wenigsten abgeschreckt werden, gerade er bedarf einer
loiciiten Methode 7A\V Bestimmung der ihm fremden Pflanzen. In
dieser Beziehung leisten die künstlichen Systeme und speciel das
L i n n e ' s e h e die besten Dienste, da sie leicht erlernt sind, und man
bei ihrem Gebrauche, stets nur auf einen oder einige wenige Charaktere
Bücksicht zu nehmen nöthig hat. Aus letzterem Grunde möciiten
namentlich die armen Schulmeister das linnische System um
keinen Preis fallen lassen. Dennoch muss man dahin streben, diese
o-eistreiche Klassifikation aus den Schulen zu verbannen, da sie dem
empränglichen Geiste des Jüngers unserer schönen Wissenscliaft ein so
gezwängtes und verschrobenes Bild des grünen Reiches einprägt, dass
er Mühe genug hat, später zur natürhchen Natur wieder zurückzukeiiren.
Den Anfängern ist an Stelle des künstlichen Systems eine noch
künstlichere Methode- zu empfehlen, die aber kein System ist, nämlich
die analytische oder dichotomische Methode, welche zuerst von Johren
i u s * ) angewandt wurde, aber namentlich durch Lamarck**) Verhreilung
und Vervollkommnung gefunden hat. Hierbei wird, um die
Auffindung der Art zu ermöglichen, durch schneidende Kennzeichen das
Pflanzenreich in 2 Theile zerlegt, auf deren einen nur die sichtbaren
Charaktere der zu untersuchenden Pflanze passen; worauf diese Hälften
wieder in 2 Theile geschieden sind, und so fort, bis die Arten dadurch
unverwechselbar getroffen werden. Mit jeder Theilung wird das Gebiet,
in der man die betreffende Pflanze noch suchen kann, kleiner, endlich
hat man sie nur noch von einigen wenigen zu unterscheiden, und
so gelangt man zur Kenntniss der Art, ohne mehr von Botanik zu
verstellen, als dasjenige, was zum Verständniss der hauptsächlichsten
Organe gehört. Der Weg ist nieist in Fragenform angedeutet, wo
man dann durch Zahlen auf die niederen Abtheilungen hingewiesen
wird, in denen sich die gesuchte Pflanze weiter verfolgen lässt. Statt
der Fragen kann die Zergliederung in Tabellenform, oder in der Art
eines Stammbaums dargestellt werden, nur ist im Auge zu behalten,
dass wenn die Methode nicht blos zum mechanischen Aufsuchen, sondern
auch zum Fortschreiten in der Wissenschaft dienen soll, dass
man alsdann überall die höheren Abtheilungen nach wichtigern, die
lieraiisgegebenen Flore fran<;. 1805,
K r a u s e , Morphologie etc. ^