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^Vill ninn anfangs grosse Abtlieilnngen des Gewächsreiclies entwerfen,
so ist es vor allem nölliig, dass man sieh hiUe, liierzu künstich
e Charaktere zu gebrauehen. Das einzige allen Stufen des Gewachsreiches
gemeinsame Organ, welches sich in allen Zuständen auiiuuien
und vergleichen lässl, ist die Keimzelle, in und aus we l che r das «Pi u nr>s e
Individ uum entsteht. Nach den Verluiltnissen dei'selhen kann man
Klassen entwerfen, die hesser sind als die meisten früheren, aber auch
in ilir würde man nur einen künstlichen Charakter gefunden haben.
Daher glaube ich, dass man für diese grossen Ablheilungen nur die
allgemeinen Lebenserscheimmgen verwenden darf, wie sie Ourmeister
für die Klassifikation der Insekten, und Craun für das Pnanzensysteni
benützt haben. In ihnen ist alles Wahrnehmbare begrilfen, und wenn
darin nur einzelne Punkte besonders hervorgehoben werden, so sind
dies diejenigen, in denen sich die Stufe am deutlichsten inarkirt. Am
meisten tritt diese Lebensverschiedenheit ausserlich in den Uuhepunkten
der Pllanzenvegetation hervor, nach denen man mehrere Perioden
derselben unterscheiden kann. Braun unterscheidet zwei Stufen der
Vorbildung und Ausbildung des Gewächses, und wir folgen ihm hierin
mit einer kleinen Abänderung in der Begränzung dieser Stufen, die im
Wesentlichen ganz mit dieser Klassifikation zusammenfällt.
I. Als niedrigste Stufe des Gewächsreichs werden wir jene einzelligen
Algen (und Pilze) zu betrachten haben, deren genauere Kenntniss
grosstentheils durch die Untersuchungen von AI. B r a u n gefördert
ist. Gewiss ist die geschlechtliche Vermehrung bereits hier ausg
e p r ä g t , aber sie lässt sich kaum von der ungeschlechtlichen Zellenvermehrung
unterscheiden. Ich wage nicht, diese Klasse genauer zu
umschreiben.
II. Die nächste Stufe ist dadurch bezeichnet, dass in der ersten
Periode die Pflanze unmittelbar zu einem ungegl i ede r t e n Thallus,
nach ihrer Erzeugung, auswächst, welcher verschiedene Gestalten annehmend,
endlich in eigenen Behältern ungeschlechtliche Keime, Blühk
n o s p e n (Spor en) e r z eugt . Diese wa c h s e n nach beliebigO zu verlän<ö^ ernder
Ruhe in ein neues Zellgewebe aus, in welchem sich nun erst der
geschlechtliche Gegensatz erzeugt, durch dessen Zusammenwirkung,
das neue Individuum entsteht. Hierher gehören die meisten Pilze,
Flechten und Algen.
III. Bei der Abtheilung der Moose und höhern Algen wächst das
junge Individuum in der ersten Periode auf der Mutterpflanze zu einem
oft zierlichst gebildeten Behälter aus, der die Sporen enthält, welche
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welche mit ihrer ilülf'e jene kleinere)] und grösseren Gruppen gleichgestalletcr
Pllanzen unlerschieden , die wir Arten und Gattungen nennen.
A d a n s o n fidu'le die Arbeit weiter fort und verband diese Gruppen zu
Familien, J u s s i e u vervollkommne!.e die Methode und zeigte, dass man
die Gharaktere nicht zählen, sondern wägen müsse. Die neuern Systematiker
schritten weiter fort und verbanden die Familien zu natürlichen
Ordnungen. Aber man hielt bis jetzt hartnäckig an der Lehre
J u s s i e u s von den primären Charakteren l'esl, und bildete nach solche
») obere k ü n s t l i c h e Klassen, immer von neuem dadurch jenen
Widerstand der natürliclien Untergruppen gegen sie erweckend, der an
den sogenannten künstlichen Systemen so überaus missfiel. Wir verweisen
hier auf unsere Bemerkungen am Ende der Aufzählung der künstlichen
Systeme, wo wir auch die wachsende Schwierigkeit andeuteten,
die der synthetischen Methode bei Aufstellung grösserer natürlicher
Gruppen entgegensteht. Gleichwohl ist kein anderer Weg möglich,
wenn diese Abtheilungen natürlich ausfallen sollen und die analytische
Methode ist, wie wir schon bei der Auseinandersetzung des Candolle'-
schen Systems aussprachen, nicht zum Ziele führend. Auch ist es
s o n d e r b a r , dass nachdem man Arten^ Gattungen^ Familien und Ordnungen
nach der natürlichen (synthetischen) Methode gebildet hatte,
man doch in den letzten Abtheilungen einen entgegengesetzten Weg
eingeschlagen hat, der freilich der bequemere und schnellere ist.
Ueber die Art und Weise wie die allgemeine Vergleichung speziell
auf die grösseren Gruppen anzuwenden sei, wird man hier keine allgemeinen
Vorschriften erwarten. Indem ich die bisher gebräuchlichen
künstlichen Hauptcharaktere gänzlich unberücksichtigt liess, und nur
nach einer Gleichheit der allgemeinen Organisation forschte, erhielt ich
grosse Grupi)en ähnlicher Pflanzen, die ich auf einen allgemeinen Typus
jedesmal zurückzuführen suchte. Da ich auf meinem Wege keinen
Vorarbeiter fand, wird man meine Irrthümer nicht zu sehr tadeln
dürfen. Jeder meiner abgeleiteten Typen zeigte mir eine Vereinigung
von Pflanzen, die bei den früheren Systematikern in den verschiedenen
Hauptabtheilungen zerstreut standen. Ich fand, dass sich diess nur
nach der Annahme eines Fortschrittes der Bildung in jedem einzelnen
Typus erklären lasse, und entwarf darnach Vervollkommnungsreihen,
welche zeigen sollen, wie jeder Typus sich im Laufe der Zeiten entwickelt
habe, von einfacheren zu höheren Formen.
Bei dieser Vergleichung entfernter stehender Gruppen, bietet mitunter
die Aufsuchung der homologen Theile einige Schwierigkeit dar,
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