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gleichend aiiatomisclie üiilersLicluingen tlie Gesetze feslzuslellen suchte,
nach denen die Vervolilvünuniuuig der Nalurwesen vor sich gegangen
sei. Bereits im Jain'e 1827 wies er das Wichtigste dieser Gesetze
nach, dass die l\ a t u r das Gliedergebiiiide der Thiere hau])tsächlich
durch DiO'ei •enzirung des Korpers, Vei'unahnlichung dei' Oi'gane, kurz
durch Ärbeitstheiiung zwischen den Gliedern zu vervollkonininen strebt.
Diesen wichtigen Grundsatz, welchem wir später eine genauere Betrachtung
in seinem Einflüsse auf die Vervollkommnung des Pilanzenreichs
widmen werden, bat er durch zahlreiche Untersuchungen ausser
allen Zweifel gesetzt, und zugleich einige weitere, indess minder wirksame
Grundsätze aufgestellt, nach denen die Vervollkommnung der
thierischen Organismen im Laufe unendlicher Zeiträume stattgefunden
zu haben scheine. M i I n e - E d w a r d« hat diese Principien in neuerer
Zeit, in einem wichtigen Werke"-') dargelegt, welchem der Verfasser
dieser Schrift eine vielfache Helebrung und Fortbildung seiner eigenen
Ansichten verdankt. An ihn anschliessend und auf ähnlichem Wege
bat II. G. Bronn zu Heidelberg die Gestaltungsgesetze des Thierreiclis
zu begründen gesucht**) und später hat M il n e - E d w a r d s im Vereine
mit Adr i e n de J u s s i e u , Sohn des grossen Verfassers der Genera
plantariim, seine Grundsätze auch auf das Pflanzenreich ausgedehnt,
in einem allgemeinen elementaren Lehrgang der Naturgeschichte, welcher
mir leider nicht zugänglich gewesen ist.
Ihren hauptsächlichsten Vertreter und Förderer in neuerer Zeil
hat die Lehre von der gemeinsamen Abstammung der organischen
Wesen in dem seit langer Zeit durch seine Reise um die Welt, und
seine Theorie der Koralleninseln berühmten englischen Naturforscher
C h a r l e s Darwi n gefunden. Derselbe veröffentlichte im Jahre 1859
sein Werk über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzenr
e i c h e , welches Jas allgemeinste Aufsehen unter Laien und Naturforschern
erregte, und den alten Streit von Neuem anfachte, wobei indess
zu konstatiren ist, dass sich fast alle bedeutenden Naturforscher
der Neuzeit mit wenigen Ausnahmen zu Darwin' s Ansichten bekennen
* * * ). Die Theorie an sich hat durch Darwi n keine Veränderung
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*) Introduction ìi la zoologie yénérule P. J. Paris 185f. 8.
**) Morpliologisclie Studien über die Gestaltungsgesetze der Naturkörper.
Leipzig 1858. 8.
***) D a rwi n ' s Werte erschien iiacti der 2. englischen Auflage ins Deutsche
übersetzt v. G, H. Bronn. Stuttgart 1860.
e r f a h r e n , er nimmt wie Lamarck und St. Hi lai r e eine Abstammimg
der Organismen beider Reiche von wenigen Urformen an, und
eine allmälige Vervollkommnung dieser Urformen im Laufe langer Zeilräume.
Sein eigenes Verdienst beruht auf der genauen Untersuchung
und Prüfung der Verhältnisse, durch welche jene Vervollkommnung
vor sich gegangen, der Umstände, die sie begünstigten und ihr schädlich
waren. Er zeigt, dass in der Natur die Wesen erkennbaren Variationen
überall unterliegen, die zum Theil dauernder sind, durch
welche die an sich schon bestehende Verschiedenheit der einzelnen
Individuen grösser werde. Zwar ist diese individuelle Variation nicht
vollkommen erblich, indess doch im bedeutenden Grade, und es vererbt
sich, was aus den Eltern organisch geworden, ihre Fortentwickelung
auf die Nachkommen, die dann ihrerseits nicht stehen bleiben,
wodurch nach und nach in jeder Generation geringe und kaum merkliche
Veränderungen sich zu einer desto mehr auffallenden Grösse
summiren. Die hauptsächlichsten Veranlassungen zu den Abänderungen
der Individuen bieten äussere Verhältnisse, die klimatischen Einflüsse,
die Nahrung (Bodenbeschaflenheit), ihre Feinde unter Pflanzen und
Thieren, im Allgemeinen der „Kampf ums Dasein", wie Darwi n treffend
diesen Vorgang nennt. ' Nicht alle Organismen überdauern hierbei
gleich günstig, einige gehen unter. Die im Kampfe als Sieger Hervorgehenden
überwiegen die Andern, und bilden weit sich erstreckende
Stammreihen, indem sie jenen Grad der Abweichung befestigen und steigern,
der sie gegen die andern Organismen günstiger gestellt hat. Der
Vorgang ist einer natürlichen Züchtung vergleichbar, wie die Landwirthschaft
gewisse Rapen unter Pflanzen und Thieren ihrer hervortretend
vortheilhaften Eigenschaften wegen kultivirl. Hier ist es die Natur
selbst, welche unter den unendlichen Ableitungsformen, die kräftigeren,
und ihrer innern Anlage am sichersten gefolgten, Pflanzen und Thiere
auswählt, und aus ihnen neue Formen und Reihen züchtet, weshalb
D a r w i n dieses Verfahren d'n „natürliche Auslese" nennt.
Es ist: klar, dass wenn alle Fortbildungsstufen und Uebergänge
von den niederen Organismen zu hohem Formen sich erhalten hätten,
dass wir dann in der organischen Welt nichts erblicken würden als
eine Anzahl von Individuen, die sich ununterbrochen eng an weniger
entwickelte Formen schlössen, so wie sich bei einem hochstrebendeii
Baume immerfort neue Theile entwickeln, die an die vorigen genau
auschliessen, ohne dass ein Zwischenraum, eine Unterbrechung gefunden
werden könnte, von den Wurzeln bis zum Gipfel. Die höchst-
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