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Zeil noch iiiciit gekommen sei, ein solches aufziislellen, und scheuete
s i c h beinahe, darauf heziigliche Rogein aufzusuchen. Er erkannte das
Dasein vieler Familien an, aber sah es nicht gern, wie Giesecke
b e m e r k t , wenn man sie charakterisiren wollte. Es gehört zu den une
r k l ä r l i c h s t e n Wider&|)riichen in den) Geiste dieses mit Ilechl Ben
i h m t e s t e n aller klassilicirenden Naturforscher, dass er, welclier viele
T a u s e n t l e natürlicher IMlanzengatlungen aufgestellt, keine naliirlichen
Gi'uppen aufsuchen wollte, die höher stehen als die Arten und Gatt
u n g e n , während er im Thierreiche ohne Weiteres Jene aufstellte und
c h a r a k t e r i s i r t e . Schon 1751, also vor A d a n s o n ' s erster Veröffentlic
h u n g zählte L i u n é in seiner IVtHosophia botanica 68 natürliche
F a m i l i e n auf, grösstentheils auf Habitus und allgemeine Verwandts
c h a f t gegründet, w^obei selbstverständlich nicht sämmtliche gleich gut
a u s g e f a l l e n sind. Später hielt L i n n é sogar, in den Jahren 1764—71,
V o r l e s u n g e n iiber das natürliche System, in welchen er aber nur etwa
6 0 natüiiiche Familien demonsti'irte*).
A d r i a n von Roy e n in Leiden veröffentlichte später ein natürl
i c h e s System, welches er angeblich von L i n n e milgetheilt erhalten
haben wollte, in welchem die Ilauptklassen nach den Kolylen gebildet
s i n d . Die niederen Abtheilungen und selbst die Familien sind oft
n a c h künstlicher Methode, und darum zuweilen sehr mangelhaft abgeg
r ä n z t . Auch L u dwi g Gérard beschäftigte sich in seinem Alter mit
d em Siudiuu) der natürlichen Verwandtschaften, ohne indessen ein geo
r d n e t e s System zu erreichen. Aehnlich erging es Scopol i ^ der den
s o n d e r b a r e n Einfall halte, jeder seiner nicht immer glücklich gebildeten
F a m i l i e n den Namen eines berühmten Botanikers vorzusetzen**).
Alle diese Versuche unb Vorarbeiten zum natürlichen Systeme sind
Z u s a m m e n s t e l l u n g e n durch glücklichen Takt und einiges Herumtappen
g e f u n d e n , was auch von vielen noch später zu erwähnenden Systemen
g i l t ; der Erste aber, der nach bestimmten Piincipien ein solches aufs
t e l l t e , war der berüljmte Afrika-Reisende und Pariser Akademiker
l ï i c l i e l Adanson (1727 — 1806). Von der Ueberzeugung ausgehend,
dass bei einer natürlichen Anordnung der Familien alle Theile berücks
i c h t i g t werden müssten, unternahm er die mühselige Arbeit, nach
*) Diese Vorlesungen sind später durch Giesecke veröfFentlicht worden:
^^CaroL a Linn, Praeiectlones in ordines naUtrale^ plantarnm. E proprio
et Jo. Fabricü mamiscripto edidit Paul, Dietr, Giesecke. Hamhurff 1792, 8.
J o l i . Ant. Scopol i , Fundamenta botanica praelectionibiis ptibiiciii accommodata.
Papiae 1783,
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jedem einzelnen Pilanzenorgan eins oder mehrere künstliche Pllanzensysteme
zu bilden. Diese Systeme bezogen sich auf die verschiedens
t e n Verliältnisse, auf Lage, Zahl, Gestalt, Grösse, Dauer, Substanz,
s i n n l i c h e Eigenschaften, und sogar auf Wirkung und Anwendung der
Tiieile. Durch dieses Verfahren erhielt er 65 künstliche Systeme, welchc
e r nun einer genauen Vergleichung unterwarf, um auf diese Weise ein
m i t t l e r e s allgemeines System zu erhalten. Darauf vereinigte er alle
diejenigen Pilanzen in eine Familie, welche sich in den meisten jener
k ü n s t l i c h e n Reihen zunächst standen, annehmend, dass diese Gewächse,
weil sie die meisten Beziehungen zu einander hätten, auch am nächsten
mit einander verwandt sein müssten. Als das Ergebniss dieser wiederholten
Vergleichung erhielt er 58 natiu'liche Familien, welche er nach
i h r e r Zusammengehörigkeit in der allgemeinen Tracht, ohne sie unter
h ö h e r e Abtheilungen zu bringen, aneinanderreihte, und mit Angabe der
zu jeder Familie gehörigen Galtungen, nebst seinen künstlich aufges
t e l l t en Reihen beschrieb.
A d a n s o n vernachlässigte nicht leicht irgend eine in die Augen
fallende Eigenschaft der Pilanzen, wie ihn z. B. beim Zusammenstellen
der Cicho7Xiceen auch der Papaveraceen der diesen Familien eigent
h ü m l i c h e Milchsalt leitete; doch erkennt man leicht, dass er überall
das Hauptgewicht auf den Habitus legte, wobei ihn sein feines Gefühl
für natürliche Verwandtschaft und seine ausgebreiteten Ptlanzenk
e n n t n i s s e sehr unterstützten. Er fasste den Habitus geistreich auf,
als das Produkt der Zusammenwirkung aller innerlichen Processe, die
dann doch das Aeussere immer bedingen müssen. Von seinen philos
o p h i s c h e n Anschauungen werden wir später noch in der Geschichte
der spekulativen Systeme zu reden haben; er sah ein, dass das wirkliche
natürliche System nur eins sein könne, unabhängig von uns
e r e n Ansichten, allein die Natur wiedergebend*).
B e t r a c h t e n wir die natürlichen Familien, wie er sie im Jahre
1 7 6 3 veröfl'entlichte**), so bemerken wir, dass es grossentheils dieselben
sind, die wir noch heute anerkennen. Natürlich sind dieselben
noch sehr umfassend aufgestellt, so dass z. B. seine hüiaceen unter
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*) Er sagt in der Vorrede seiner ..families naturelles'' Paris 1759:
melode naturelle soit être unique, universelle ou générale, c. à d, ne souffrir
aucune exception et être indépendante de notre volonté, mais se régler
sur la nature des êtres, qui consiste dans l'ensemble de leurs parties et
de leurs qualités) U n'est pas douteux, cmHl ne peut y avoir de métode na^
turelle en Botanique que celle, qui considère l'ensemble de tontes les parties
des plantes.
M. A d a n s e n , Familles des plantes, Paris 1763 8. 2. vol.
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