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Das natürliche System endlich soll alle Pllanzen durch ein gen
i e i n s a i n e s und ungetheilles Hand vereinigen, und stufenweise vom
E i n f a c h e n zum Zusainniengeselztcn, vom Kleinsten zum Grüsstcn in
u n u n t e r b r o c h e n e r Reihe fortschreiten.
Die nach diesen festen Grundsätzen durch allgemeine Vergleichung
von J u s s i e u aufgestellten Familien sind mit wenigen Ausnahmen
noch líente als höchst gelungen zu hezeichnen, doch hat man die
m e i s t e n in mehrei'e kleinere zertheilt und ihre Zahl ist dui'cli die
g r o s s a r t i g e n Entdeckungen in den andern Weltthcilen seither auseror-
(lentlich vermehrt worden.
Die Vorzüge dieser Klassitikation vor allen früheren sind so einl
e u c h t e n d , und allgemein anerkannt, dass wenn wir nunmehr daran
gehen, einzelne Mangel derselben anzudeuten, Niemand daraus schliessen
wird können, wii' gedächten das ausserordentliche Verdienst Jussien's
um die botanische Wissenschalt im Geringsten herabzusetzen. Es ist
aber nolhig, hier darauf einzugehen, damit eineslheils klar werde,
w a r um man nicht bei dieser Methode stehen gebliel)en, andererseits
e i n z u s e h e n sei, wie sich die spatern Arbeiten zu dieser verhalten.
Z u e r s t das Pi'incip der Unterordnung der Charaktere, gewiss ein
b e d e u t e n d e r Gedanke! Indessen um diese Idee recht fruchtbar, nirgends
schädlich werden zu lassen, fehlte die Betrachtung, dass der
W e r t h eines Charakters niemals als absolut, sondern nur als relativ
b e t r a c h t e t werden dürfe. Schon Jus s ieu fand Ausnahmen von dieser
s e i n e r Hegel, wie sie auch niemals ausbleiben; er hätte daher hinzusetzen
müssen, dass selbst seine primären Charaktere bisweilen abweichen
konnten, und dass ihr Gewicht dann durch das Zusammenwirken
mehrerer sekundären aufgewogen werden könne, ja dass überhaupt
niemals ei n Charakter zur Trennung benutzt werden dürfe,
s o n d e r n mn* das Zusammenwirken Aller. Eine ganz ähnliche Stellung
in dieser Frage wie J u s s i e u , nahm Cuvier ein, welcher den prim
ä r e n Charakteren desselben entsprechend, in der zoologischen Sys
t e m a t i k , von sogenannten her rsche n d e n C h a r a k t e r e n ( Charactere
dominaieur) redet, deren einfaches Vorhandensein gebieterisch
die Gegenwart einer gewissen Anzahl unwichtigerer Charaktere nach
sich ziehe. Allein dieses Beherrschen wurde von spätem Thierfors
c h e r n ebenfalls auf ein blosses Vorherrschen dieser Charaktere zur
ü c k g e f ü h r t , und St. l l i lai r e begründete dieses Verhällniss in seinem
Gesetz der W e c h s e l b e z i e h u n g e n , nach weichem man gewöhnlich
gewisse verschiedene Charaktere gleichzeitig auftreten sieht, ohne dass
man sogleich ihr gegenseitig Bedingendes, was in sehr feinen Organ
i s a t i o n s b e z i e l i u n g e n begründet sein kann, einzusehen vermöchte.
Dahin gehört in der Botanik, z. B. das nieist gleichzeitige Auftreten
des parallelnervigen, scheidigen, nebenblatt-losen Blattes mit dem
monokolylischen Embryo etc.
Dadurch nun, dass J u s s i e u , nnd leider müssen wir hinzusetzen,
der grösste Theil seiner Nachfolger, die obern Klassen nach einzelnen
p r i m ä r e n Charakteren bildeten, kehrten sie zu einer künstlichen Klassiiikation
zurück, in welcher häniig genug die ähnlichsten Familien und
Gruppen unnatürlich getrennt, oder wider die Kegel eingereiht werden
nuissten. So z. B. bildete J u s s i e u seine drei obersten Klassen wie
G ä r t n e r nach den Cotylen, einem primären nnd desshalb angeblich
a u s n a h m s l o s e n Kennzeichen. Der oberdächlichste Blick auf das System
genügt schon, zu zeigen, dass sehr viele Gattungen und selbst grosse
Familien diesem künstlichen Charakter widerstreben. Wollte man demselben
ohne Weiteres folgen, so würden nachstehende Gewächse, die
sonst mit Becht den mono- und di- cotylischen Familien wegen der
meisten ihrer Charaktere gesellt sind, unter die Acotylen gebracht werden
müssen. Es gehören zu diesen gleichsam ohne Verdienst und
Becht von den Acotylen getrennten Familien, die Orchideen, Apostasiaceen,
Balanophoreen, — Rafflesiaceen, Cytinen, Orohancheeii,
Stylideen, Cusenteen, Monot7^opeen, Pvrolaceen, Lentibularieen, Bertholletia,
Lecijthis u. Ä. Es würden ferner zu den Dicotylen zu
r e c h n e n sein: mehrere Weizenarten, Avena, Asparagus und mehrere
andere Pilanzen, die in allen andern massgebenden Charakteren mit
den übrigen Monocotylen übereinstimmen. Andererseils müssten zu
den Monocotylen gebracht werden: Venaea, die Corydalis-mit
Knolle, einige Buninm'kxAtw (Umbelliferae) Cyclamen, und ausserdem
noch mehrere Dicotylen die nur e inen Samenlappen entwickeln.
Aber unter den dicotylischen Gewächsen finden sich ausserdem solche mit
mehr als zwei Samenlappen, z. B. mehrere C 07Üf er en (Pinns, Cupressiis)
Cruciferen (Lepidium, Schi^opetalum), die Ceratophylluvi- und
m e h r e r e Oxj/tropis-krien, Rhi:^ophora, mehrere Proteaceen, Amsinckia
(Asperifoliaceae) und andere Gewächse, welche Gärtner
und einige seiner Nachfolger zu einer Klasse der Polycotyledonen vereinigt
haben. Das sind doch wahrlich nicht zu wenig Ausnahmen, die
J u s s i e u ignoriren musste, wenn er nicht unnatürliche Trennungen
vornehmen wollte*). Man hat sich damit helfen wollen, dass man
*) Es ist nicht schwer, die Gründe der erwähnten Ausnahmen einzusehen:
ÄkotyHsch sind alle diejenigen höheren Gewächse, welche keine wirklichen Laub-
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