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ebenso hallbar sind, wie bei den höliern; und ich habe schon deshalb
auf jene im Thierreiche noch unzweifelhafter zu Tage tretende Stufenfolge
näher eingehen zu müssen geglaubt, weil in dem einen Reiche
lebender Organismen nicht geläugnet werden wird, was in dem andern
als unbestreitbar angenommen werden muss.
Auch in den spätem Zeiten machten sich zahlreiche Forscher,
unter denen besonders Boucher de Per thes hervorzuheben ist, um
die philosophische Ansicht der Lebewelt verdient, und E. Forbes
nützte ihr ausserordentlich, jndem er mit überwiegenden Gründen den
bes(immten Einlluss nachwies, welchen die Einwanderung lebender
Wesen aus benachbarten Gegenden, namentlich durch Zerstörung und
Untergang der frühern Organismen, in einem Lande ausübt. Schon
lange hat man bemerkt, dass die neuen Schichten nicht ausschliesslich
verschiedene, wenn auch an die frühern ansclillessende Formen enthielten,
sondern dass nicht selten auch dieselben Arten übergehen.
Dies erklärt Forbes meist durch Einwanderung der noch nicht vollkommen
veränderten Art, wobei man nicht vergessen darf, dass jetzt
isolirte und vielleicht durch Meer oder Gebirge getrennte Länder in
jenen Epochen durch Land und Ebene verbunden sein konnten. Hier
verbindet sich weiter die Paläontologie und Geologie mit einer neuen
Wissenschaft, derjenigen von der geographischen Verbreitung der Thiere
und Pflanzen. Und gev\'iss muss man es für keinen geringen Beweis
der innern Wahrheit jener philosophischen Betrachtung der Lebewesen
halten, dass sie auch aus dieser Vereinigung nur Bestätigung und Vervollkommnung
zieht. An dieser Stelle können wir hierüber unseres
Planes wegen nur einige kurze Andeutungen geben. Wenn wir z. B.
Neuholland mit den übrigen Kontinenten vergleichen, so erscheint es
uns im Charakter seiner Flora und Fauna wie auf einer altern geologischen
Epoche stehen geblieben. Die Entwickelung der höhern Thierwelt
scheint einen überaus langsamen Schritt gehalten zu haben, und
ganze Familien der höhern Säugethiere fanden die ersten dort landenden
Europäer gar nicht vertreten. Dagegen zeigt sich in grosser Anzahl
vorhanden die Gruppe der Didelphen oder Beutelthiere, jener ältesten
Säugethierfamilie, die schon in der Juraformation auftritt, und
in Europa, Afrika und Asien längst ausgestorben ist. Es finden sich
ebenfalls in Neuholland das sonderbare Schnabelthier, und die ihm nah
verwandten Ameisenigel (Echidna), Thiere, die alle in ihrem Bau
deutliche Analoga mit dem Vogeltypus zeigen, und wohl auf eine
Epoche zurückdeuten, wo sich diese Gruppen eben getrennt haben.
Australiens charakteristische Thierwelt hat also etwa die Physiognomie,
wie sie Europa in der Jura- und Kreidezeit gehabt haben mag. Dasselbe
lässt sich von der Pflanzenwelt sagen. Hier leben noch jene
sonderbaren Kasuarinen, deren Form lebhaft an die Equisetaceen zurückerinnert,
ein Geschlecht, welches gleich der neuseeländischen Coniferen
Gattung Phyllocladus, in dem sinnenden Beschauer Vorstellungen
von der Pflanzenphysiognomie längst vergangener Erdepochen weckt.
Aehnliche alte lärmen sind die in Neuholland ebenfalls vorherrschenden
Proteaceen oder Silberbäume, sowie die Thymeläen, beide mit
zahllosen Myrtaceen gemischt, eine eigenthümliche Pflanzengruppe repräsentirend,
der zugleich klimatische Verhältnisse ein sonderbares
grüngraues Laubwerk verleihen. Charakteristisch hierbei ist, dass die
verhältnissmässig wenigen hier vertretenen Pflanzen- und Thierformen
dafür in einer ausserordentlichen Arten- und Individuenzahl angetroffen
werden, ein Umstand, bewirkt durch die isolirte Lage des Welttheils.
Seine alternden und, vvie man namentlich den Kasuarinen nachsagt,
allmälig aussterbenden Formen haben sich so lange erhalten und nach
allen Richtungen variiren können, weil sie keinen Kampf mit jüngern
und lebensfähigeren Arten zu bestehen hatten. Würde z. B. jetzt eine
geologische Veränderung eine Ueberbrückung zwischen Neuholland und
Asien herbeiführen, so würden sehr bald die üppigen Pflanzen formen,
die lebenskräftigen Thierarten dieses Welttheils jene dürftigen Eingebornen
verdrängen. Die Erdbeschafl'enhait in dem Beutelthier-Lande
erläutert genugsam die erwähnten Zustände, denn unmittelbar lagern
auf dem Urgebirge die tertiären Flotzformationen ohne jene zahlreichen
Uebergangsschichten , • welche in andern Weltgegenden zwischen
ihnen auftreten, und vermuthlich auf die Fortbildung der organischen
Wesen von so beförderndem Einflüsse waren. Möge man nach seiner
geologischen Beschaffenheit Australien mit Höchstet t 'er für den ältesten
Welttheil, oder für den jüngsten mit Becker ansehen, Faktum bleibt,
dass die Entwickelung seiner Flora und Fauna gleichmässig auf einer
ziemlich niedern Stufe stehen geblieben ist.
Indem wir zu dem geschichtlichen Verfolg der Principien dieser
philosophischen Betrachtung der organischen Natur zurückkehren, bleibt
uns nur noch Weniges hinzuzufügen. Durch die Vervollkommnung
und den Fortschritt aller hier eingreifenden Wissenschaften ist jene
Doktrin nur unterstützt und fortgebildet, nirgends erschüttert worden.
Besonders verdient machte sich in neuerer Zeit um sie der berühmte
französische Thierforscher H. Mi l n e -Edwa r d s , indem er durch ver-
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