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Alisiiiaceen treten einige Male den Raniinciilaceen ebenso nahe wie die
Butomeen den Nymphaeaceen. Sind schon in diesen Fällen die Schwierigkeilen
der Unterscheidung sehr gross, so können sie noch vermehrt
werden durch eine Gleichheit in der Art des Entwicklungsganges.
Wenn z. B. bei mehreren in verscliiedenen Reihen auf etwa gleicher
Slufe stehenden Familien alle Carpelle bis auf eins fehlschlagen, so
wird es oft sehr misslich, solche Familien zu unterscheiden. Hierher
gehört die von den meisten Botanikern angenommene Verw^andtschaft
der Leguminosen mit den Chrysobalaneen und Amygdaleen, die noch
durch eine leichte Unregelmässigkeit in derBlüthe der ersteren beiden
u n t e r s t ü t z t wird, welche ebenfalls durch das Fehlschlagen der Carpelle
hervorgebracht ist. Viele Botaniker behaupten, dass sich diese 3
Gruppen kaum trennen lassen; ich behaupte, dass sie nicht im Mindesten
verwandt sind. Derselbe Fall tritt bei Podopbylleen und Ber- •
berideen ein und ist überhaupt ziemlich häufig.
3. An p a s s un g s v e r w a n d t s c h a f t nenne ich diejenige äussere
Aehnlichkeit, welche bei den verschiedensten imd entferntstehendsten
Gattungen oder Familien hervortreten kann, wenn sie eine längere Zeit
hindurch denselben äusseren Bedingungen und Lebensverhältnissen unterliegen.
Solche Einflüsse können sehr !)edeutend die Gestalten verä
n d e r n , und wir wissen, dass L ama r c k , St. I l i lai r e und selbst
D a r w i n in ihnen sogar die hauptsächlichste Ursache aller morphologischen
Unterschiede der lebenden Natur suchten. In der That ist
der Einfluss einer solchen Anpassung an dieselben Lebensverhältnisse
auf die Gestalt unverkennbar, und ein völlig übereinstimmender Habitus
kann bei Gewächsen der verschiedensten Abstammung die Folge sein.
Dahin gehört z. B. die Ernährung, welche nicht unmittelbar aus dem
Unorganischen, sondern auf Kosten anderer Gewächse geschieht. Es
giebt solche schmarotzende Gattungen in allen Pilanzenfamilien, und
sie bieten alle eine nicht unbedeutende Uebereinstimmung ihrer Ers
c h e i n u n g dar. Da sie bereits erzeugten Nahrungssaft von andern
Pflanzen empfangen, bleibt sofort die Entwickelung des ernährenden
Gewebes und der vegetativen Organe zurück, nnd das Gewächs scheint
anatomisch und morphologisch unter seine Stufe hinabzusinken. Die
Blätter bleiben nur durch Schuppen angedeutet, mit dem Athmungsprocess
verschwindet das Chlorophyll und die Spaltöffnungen, sowie die
Gefässe, und es entstehen beinahe stets fleischige, pilzähnliche Gestalten,
von sonderbarem* übereinstimmenden Charakter. Soll man sie nun
vielleicht darum als einen von den Pilzen abgeleiteten Typus betrach-
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t e n , und alle in eine Gruppe vereinigen, als kotylenlose Zwischengruppe
von Phanero- und Kryptogamen? Aber untersucht man darauf
die Blüthentheile näher, in denen stets am deutliclisten die Verwandtschaft
sich ausprägt, so ßndet man, dass man Gewächse vor sich hat
aus den zum Theil sich sehr fern stehenden Familien der Pirolaceen
Orobancheen, Convolvulaceen, Laurineen , Cytineen, Balanophoreen,
Orchideen, Bromeliaceen, Equisetaceen und Andern. Für noch höherstehende
Gewächse scheint der komplicirte Bau eine rein parasitische
Lebensweise nicht zu gestatten.
Dass eine solche Habiiusähnlichkeit durch Anpassung Ursache
werden kann zu irrthümlichen Klassifikationen, sehen wir bei einer
Reihe Wasserpflanzen aus den verschiedensten Familien. Dieses Element
wiikt auf alle Pflanzen in ähnlicher Weise ein, sowohl auf die
äussere Gestalt als auch auf den innern Bau. Die auf dem Wasser
schwimuienden Blätter nehmen jenen ovalen nachen form igen Umriss
an, der den stehenden Gewässern oft eine so eigenthümliche Physiognomie
giebt, und der in den Familien der Nymphaeaceen, Hydropeltideen
^ Potameen, Hydrocharideen, Alismaceen, Butomeen (Hydrocleis
und Limnocharis) und anderer Wassergewächse so verbreitet ist. Entgegen
diesen ganzrandigen Schwimmblättern vei'lieren dagegen die untergetauchten
alle Blattsid)stanz, und zuletzt bleibt das blosse Nervengeflecht
übrig, wie bei der seltsamen Ouvirandra fenestralis auf
Madagascar, Jedermann kennt diese kamml^öi'mig oder haarartig
zerschlitzten Blätter bei Trapa, Myriophyllmn, Ranuncuhis aquatüis,
Hottoiiia palustris, Piiellandrmm aquaticum und vielen Andern; jedenfalls
ist die Blattsubstanz hier unnölhig, da die Athmung in diesen
Blättern nur unbedeutend wird. Aber die Einwirkung geht bald
weiter. Die Gefässbündel des Stammes lösen sich auf, drängen sich auf,
ein einziges centrales Bündel zurück, oder verschwinden beinahe
ganz und gar; vermuthlich weil ihre Thätigkeit hier weniger in
Anspruch genommen wird. Wahrscheinlich damit im Zusammenhange,
bildet sich eine quirlförmige Vertheilung der Blätter um die Achse
a u s , welche indess nur bei echten Wasserpflanzen vorkommt. Die
Aehnlichkeit der äussern Erscheinung veranlasste zuerst Oeder, alle
diese Pflanzen (Characeen, Hippurideen, Lemnaceen, Ceratophylleen,
Potameen) zu seiner Familie der Iiiundatae zu vereinigen. Jussieu
folgte ihm hierin, und verband alle diese Wasserfamilien nebst den
S a u r u r e e n , und Callitrichineen zu seiner Familie der Nixenkräuter
(Najades). Schultz endlich, vom innern Bau geleitet, machte eine