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wobei er nur die vier höliern Klassen der Wirbelthiere im Auge hatte.
Indessen, es ojebl im Tbierreiche viel mehr abgeleitete Haupttypen
ausser den Fischen, Vögeln, Lurchen und Säugelhieren. Mindestens
hatte Cuvier noch zwei Typen unLerscheiden müssen, Gliederlhiere
und Weichthiere. Aber namentlich in diesen beiden letzten Hauptabtheihmgen
fiuden sich noch eine grosse Zahl abgeleiteter Typen, als
z. B. Polypen, Quallen, Stachelhäuter, eigentliche Kerfe, Spinnen, Krebse,
Uingelwürmer, Ranken-, Arm-, Bauch- und KopffUssler, sowie andere.
Diese abgeleiteten Typen können wohl auf gleicher Stufe sich trennen,
indessen ist ihre Enlwickelung unbegrenzt, es sind gleich berechtigte
Formabwandhingen des allgemeinen Thierplans. Ueberschaut man das
Gebiet der organischen Natur im Ganzen, und prüft den ungeheuren
Beichthum der Formen, so erkennt man zuerst, dass es das vornehmste
Streben der schaffenden Kraft gewesen ist, eine ungeheure Mannichfaltigkeit
der Gestalten zu erzielen, so im Thier- wie im Pflanzenreich.
Betrachten wir nun letzteres für sich, so müssen wir dennoch gestehen,
dass dabei wohl nicht alle denkbaren Konjunktionen der Form erschöpft
sind, denn in diesem Falle würden wir keine gesonderten Gruppen unterscheiden
können, sondern von jeder einzelnen Pflanzengestalt, bis zu
jeder beliebigen anderen, müssten sich dann die allmäligsten Uebergänge
zeigen. Im Gegentbeil bemerken wir, dass die Mannichfaliigkeit
hauptsächlich dadurch hervorgebracht ist, dass gewisse Speciaiformeii
durch ziemlich oberflächliche Variation in ungeheurer Mannichfaltigkeit
wiederholt werden. So ist ohne den Plan unseres Gänseblümchens
oder des Löwenzahns in wesentlichen Gestaltsverbältnissen zu
überschreiten, eine Zahl von über 10,000 Pflanzenarten von demselben
abgeleitet worden, und der Charakter der Wicke wird von 8000, derjenige
der Himbeere von über 3000 Pflanzen wiederholt, ohne dass
dabei wesentliche Abweichungen vom Grundplan vorkämen. Füge ich
hinzu, dass je 2000 Labiaten und Larvenblüthler, circa 2000 Bubiaceen
und 2000 Umbelliferen nebst mindestens 10,000 sonstigen Pflanzenarten
sich nicht mehr von den 10,000 Gompositen unterscheiden, als
etwa die Fliege vom Schmetterling, so wird man erkennen, wie die
Variation gewisse Grenzen innehält, innerhalb deren sie thätig ist.
Denn die eben angeführten nicht zu hoch angeschlagenen 30,000 Arten
sind hauptsächlich charakterisirt durch die Enlwickelung von zwei
Fruchtblättern in einer ursprünglich pentameren ßlüthe. Vergleicht
man diese Zahlen mit der Gesammtzahl, auf welche man die Arten
der Pflanzenwelt anschlägt, so ergiebt sich, dass sich nicht ausserordentlich
viele solcher Variationscyklen werden nachweisen lassen, wenn
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sie auch nicht immer so artenreich und ausgebreitet sein möchten.
Alsdann wird man weiter schliessen, dass die Formen-Mannichfaltigkeiten
der Gewächse weniger durch unendliche Kombinationen der wesenLlichen
Bautheile des allgemeinen Planes dieser Organismen, als vielmehr
durch geringere aber zahlreiche Abänderungen gewisser weniger,
Vorbilder hervorgebracht ist, die von dem allgemeinen Typus hergeleitet
sind. Es ist ebenso wie im Thierreiche oder selbst im engen
Kreise der menschlichen Gestaltungsverschiedenheit. Die Mannichfaltigkeit
ist ungeheuer, aber es giebt nur 5 eigentliche Stammracen des
Menschen. Mihi e - E d w a r d s im Thierreiche die nämliche Formausbeutung
einzelner Typen in noch höherem Massstabe nachweisend, fasst
dieses Streben nach Beschränkung als ein Gesetz der Sparsamkeit der
Natur auf, wie er auch vorher von einem Mannichfaltigkeits-Gesetze
redet. Es scheint mir aber hinreichend, diese Verhältnisse in einem
Streben der Natur nach Mannichfaltigkeit, bei möglichster Einschränkung
in den Mitteln veranlasst, zu suchen, das Gesetz erkenne ich in
der Art der Abwandlung des allgemeinen Typus, und in dem Festhalten
an jenen Ableitungen bei aller Umwandlung im Besondern.
Im Thierreiche erkennen wir ebenso leicht in 100,000 Insektenarten
denselben Grundplan des Gliederthiers, wie wir in 40,000 Gestalten
den gering abgeänderten Käfer, und in 10,000 die wenig gemodelte
Fliege wieder erkennen, und nicht leicht wird man einige derselben
mit einem Angehörigen eines andern Grundtypus, als einen Fisch,
Kopffüssler oder dergleichen verwechseln. Nicht so leicht erkennbar
sind jene abgeleiteten Vorbilder unter den Pflanzen, denn ihr allgemeiner
Grundplan ist schon weniger ausgedehnt, als derjenige des Thieres.
Ihre Gebilde schliessen näher aneinander, weniger waltet in ihrem stillen
Reiche der Veränderungstrieb, als in dem selbstwillig thätigen des
Thieres. Die nach allen Richtungen aus Sparsamkeit ausgebeuteten
Pflanzentypen stehen sich näher als die Schnecke einem Fisch oder
Vogel, deshalb übersah man ihre Verschiedenheiten in der Gesammtheit
fast gänzlich, und konnte sogar künstliche Systeme aufstellen, von denen
die Zoologen in solchem Sinne nichts wissen. Etwa wie man Wirbelthiere
von Wirbellosen, so unterschied man Krypto- und Phanerogamen,
Mono- und Dikotylen, Im Uebrigen erkannte man nur ein Gemeinschaftliches
in sogenannten natürlichen Familien, wie der Zoolog vom
Katzengeschlecht und von Bären unter den Säugethieren redet, und
wenn man viel that, so steflte man 3 — 4 Familien zu einer Ordnung
zusammen, wie etwa die Ordnung der Schmetterlinge gewöhnlich in
4 ünterabtheilungen und viele Tribus getheilt wird. Lindley sprach