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tLMi Zwecken, niulere ordnen die eine Richtung unter, noch andere
lialtea nur den einzigen Weg, den sie eingeschlagen, für richlig. Und
doch hahen die Naturforscher zu allen Zeiten erkannt, dass nur in der
richtigen Verbindung beider Methoden das Heil der Wissenschaft gefunden
werden kann. Bereits Ar istoteles spricht sich hierüber sehr
deutlich aus, indem er sagt*): „der Weg der Philosoi)hie ist derselbe
wie der aller andern Wissenschaften. Man rnuss nämlich zuerst Thatsachen
sammeln, und davon soviel als möglich zusammentragen. Wenn
man dann nicht diese ganze Sache auf einmal, sondern wenn man
dieselbe nur Iheilweise, einen Theil nach dem andern betrachtet, so
\v:rd es die Sache dieser Betrachtung oder dieser Beobachtung, die
Principien für jeden Gegenstand aufzusuchen, wie z. B. die astronomischen
Beobachtungen die Principien der astronomischen Wissenschaften
liefern. Denn" wenn die himmlischen Erscheinungen gehörig
aufgefasst (beobachtet) werden , so kann man aus ihnen
die Gesetze der Sternkunde ableiten. Dasselbe lässt sich auch von
jeder andern Wissenschaft sagen, so dass, wenn wir einmal die Thatsachen
eines Gegenstandes erhalten haben es dann unsere Sache ist,
daraus die einzelnen Gesetze gehörig abzuleiten."
ganzen
- Man darf es
wede r dem A r i s t o t e l e s noch dem Afterthum zu s ehr verÜbeln,
wenn diese klare Erkenntniss nicht immer in der angedeuteten
Weise zur Geltung gekommen ist. Die Methode der Beobachtung ist
eine zu mühevolle und langsame, als dass man ihren ersten Erfindern
zumuthen könne, sie möchten ruhig einstweilen Bausteine zusammentragen,
ohne irgend darüber in Grübeleien zu verfallen, alles dem spät
zu erwartenden Baumeister überlassen, der dann schon, wenn alle Materialien
zusammen, das Gebäude aufführen werde. Nicht mit Unrecht
weist der denkende Mensch, den Lichtenber g treffend das Ursachen-
Thier nennt, diese Zumuthung zurück, und sucht die Lücken der
Beobachtungen durch seine Phantasie auszufüllen. Daher scheint mir,
wenn jemals so hatte die Naturphilosophie bei den Alten ihr Recht.
Oft wucherte sie über, verwarf oder vernachlässigte die Erfahrung ihr
einziges Fundament ganz. Vorurtheile , bestimmte Absichten, mitunter
Pläne, der Sache selbst fremd, leiteten den Forscher, und hiernach
wurden die Bausteine willkürlich zusammengefügt, oder wohl selbst
behauen und zurechtgestutzt. Auch war die Methode der Untersuchung
noch wenig ausgebildet, man benutzte vorzugsweise nur die sich freiwillig
darbietende Erscheinung (Beobachtung), nicht die mit Absicht
*) Annal prior. /. 30,
hervorgerufene (Versucli). Unvollkommen waren auch die Beobachtungsmittel,
ungeschärft, vielfach unerkannt die Täuschung der Sinne,
und mächtig gegen neue Erfahrungen einnehmend die Grösse der Gewohnheit
und des Auk'toritätsglaubens. Unter solchen Umständen
mussten sich gewagte und oft unbegründete Spekulationen entwickeln,
so dass nichts ungerechter und widerlicher erscheint, als der unverständige
Tadel und Spott über jene Theorien und Lehrgebäude, von
vielen neuern, die wohl selbst nicht von allen Vorurtheilen frei, nicht
einsehen können, dass jenes eine nothwendige Stufe der jungen Naturwissenschaft
war. Dem Forscher rauss auf jedem Punkte seines Weges,
von den ersten Schritten an, eine Uebersicht des ganzen Gebietes
durchaus wünschenswerth erscheinen, des Zurechtfindens, der Vergleichung
und Verbindung der beobachteten Erscheinungen wegen. Diese
Uebersichten (Systeme), wenn auch lückenhaft oder mit willkürlich ausgefüllten
Partieen, ja selbst wenn auf falschen Principien beruhend,
erleichtern immerhin die Betrachtung, allgemeine Vergleichung und
Zusammenstellung, sind daher unter allen Umständen dem Chaos
einer ordnungslosen Vermengung der Erfahrungen vorzuziehen. Stimmt
eine solche Uebersicht nachher nicht mit der Natur überein, widersprechen
ihr die Beobachtungen, so muss sie nach den Erfahrungen reformirt
oder aufgegeben werden. „Man darf ein System verfolgen,"
sagt Aristoteles*), „so lange nicht Thatsachen genug vorhanden
sind, aber sobald die Fakta bekannt werden, muss man ihnen folgen,
und das System fahren lassen "
Aufrichtig bedauert wohl Jeder die etwas ungebührlich Jange
Dauer der Periode, in welcher die Spekulation allzusehr die geringe
Erfahrung überwog, aber die Zeit eines ernstlichen Strebens nach Vermehrung
der Erfahrungen kam heran, und unterdrückte nach harten
Kämpfen jene. T i l e s i u s , Galilei, D e s c a r t e s widerlegen endlich
die damals ausschliesslich geltenden Sätze des Ar i s toteles , einen
nach dem andern, und Baco v. V e r u l a m weist auf die Beobachtung
und den Versuch zurück, als das Alpha und Omega jeder Wissenschaft.
Zugleich bleibt der seiner Zeit vorauseilende Denker hierbei
nicht stehen, er weist den Werth der Induktion nach, und erklart die
Naturphilosophie für die grosse Mutter aller Wissenschaften^*). Freilich
versteht er unter Naturphilosophie nicht eine solche, die wir seit
S c h e l l i n g - H e g e l mit diesem Namen tadelnd belegen, sondern jene
De Generatione Hl. 10.
Baco^ Nov. Organum. L. /. Aphorism. 79. p. 299,
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