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Zalilenvcrhällnisse der Clioristopetalenpilanzen, vvelclie man mit Reclit,
als die vollkommeiislen betraclitet, im Vergleicli zu den geringzähligen
Monoi)o[a1en hingewiesen zu werden, um die Tragweite dieses Gesetzes
zu erweisen. Da es sich indessen niclit m\ eine einfache Vennehruno;
ohne bestimmten Modus handelt, sondern um geregelte Progressionen,
so müssen wir hier eine mathematische Betrachtung einschalten, die
dem allgemeinen Pflanzenhau gehörend, vielleicht besser im ersten Abschnitte
eine Stelle gefunden hiitte. Um die Erforschung dieser numerischen
Verhaltnisse haben sich eine grosse Anzahl berühmter Naturforscher
bedeutende Verdienste um die Wissenschaft erworben, insbesondere
Alex. Braun, der zuerst ihre Allgemeinheit und mathematische
Begründung darthat. Wir wissen, dass alle Organe der Pflanze
sich in Spiralen um eine ideale Richtungsachse des Stammes ordnen,
damit einen bestimmten Bildungsplan andeutend, der ihre Gestalt bcslimmt.
Indem man diese Anordnung durch das ganze Reich verfolgte,
erkannte man, dass dieselbe jedoch in den unzähligen Fä'len
überaus verschieden ausiiel. Bald erschien das nächste Blatt des Stammes
nach einem einzigen Umgang wieder über dem ersten, bald das
d r i t t e erst oder das vierte nach ebenfalls einem Umgange. Am häufigsten
wurde der Fall beobachtet, dass erst das sechste Blatt nach
zwei oder drei Umgängen um die Achse über dem ersten erschien,
dass also fünf Blätter auf zwei (drei) Umdrehungen der Spirale vertheilt
waren. So fanden sich ferner acht Blätter auf drei (fünf) Umgängen,
und in einigen komplicirten Fällen z. B. den Stellungen der
in Dornen verwandelten Kakteenblätter, oder in der Anordnung der Blüthen
am Tannenzapfen, der Kompositen etc. wurden noch eine grosse
Menge komplicirterer Verhältnisse beobachtet und berechnet. Als man
diese gefundenen Zahlen der Umgänge sowohl, als der auf ihn.n vertheilten
Blätter verglich, ergab sich, dass sie einer arithmetischen Progression
angehorten, deren jedes Glied durch Addition der beiden ihnen
zmiäcbst vorangehenden Glieder erhalten wurde. Diese Reihe beginnt
mit den Gliedern:
1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377
und alle diese Verhältnisse v/urden in der Pflanzenwelt wirklich beobachtet.
Man erstaunt, wie eine solche Progression, die an Regelmässigkeit
scheinbar von mancher andern übertrofl^en wird, gerade zur
Regelung der Pflanzengestalt dienen mochte. Untersucht man aber das
Verhältniss ihrer einzelnen Glieder unter sich näher, so fmdet man,
dass darin jedes einzelne in einer höchst einfachen Beziehung znm
beliebig nächsten steht, durch eine Kette unter sich deicher Verhältnisse.
Das eine Glied verhält sich zum näciisten, wie dieses zur Summe
beider. Es ist die Proportion des sogenannten „ g o l d e n e n Schnitts"
nach welcher ein Ganzes in zwei ungleiciie Theile gctheilt wird, deren
kleinerer zum grosseren sich verhält, wie der gnfssere zum Ganzen.
Man sieht, dass die Theile eines organischen Öänzen nicht wohl in
eine mehr harmonische Beziehung gesetzt werden können unter sich
und zu demselben, als durch diese Progression. Der Werth dieser
Verhältnisse ist irrationell und eigentlich nirgends durch ganze Zalilen
auszudrücken, man bemerkt aber, dass er in den hohem Gliedern unter
sich nur eine äusserst geringe Differenz zeigt, dagegen in den ersten
Gliedern abweicht, denn 1 : 1 verhält sich nicht wie 1 : 2, und
letzteres nicht wie 2 : 3. Viel genauer stimmt bereits das Verhältniss
von 3 : 5 zu den folgenden, und unter ihnen wird die iJebereinstimraung
immer grösser. Gleichwohl sind es diese ersten einfachsten Verhältnisse,
deren sich die Natur am meisten bedient, jedoch nur in
ihren niedern Gliedern. Wir werden nun sehen, wie diese Zahlenverhältnisse
den Organismus aller Pflanzengruppen gliedern und seine Vervollkommnung
leiten.
Bei den niedersten Pflanzengruppen ist es das einfachste Verhältniss
1 : 1, das der Organisation zu Grunde liegt. Es deutet an, dass
hier völligste Gleichstellung aller Theile herrscht, dass sie nicht zu
einem Ganzen in irgend einem Verhältniss stehen, daher die ungegliederte,
unbestimmte, gleichgültige Gestaltung im Aeussern, Der ganze
Organismus erzeugt sich durch regelmässige Verdoppelung der Theile,
2, 4, am häufigsten aber 8 Sporen treten aus den Basidien, oder in
den Schläuchen (Asken) auf. Bei den Fadenalgen, wo das Wachstbum
am leichtesten zu bemerken ist, theilt sich die Endzelle meist in zwei
gleiche Theile, und diese wachsen dann aus; bei dei» höher stehenden
mehrere koncentrische Zellenreihen enthaltenden Röhrenalgen theilt
sich die Endzelle anfangs in zwei, dann vier, acht und mehr Theile,
durch eben so viel Scheidewände, und die neu entstandenen Zellen
rücken dann auseinander, in ihrer Mitte eine fortlaufende Röhre bildend.
So bei Enteromorphay Polysiphonia und ähnlichen.
Bei den Moosen tritt in ihrer ersten Generation meist ein ähnliches
Theilungsverhältniss auf, wie man am deutlichsten erkennt an
dem Mündungsbesatz der Sporenbüchse, welcher entweder 4, oder 8,
16, 32, 64 Zähne zeigt, nie andere Zahlen. In ihrer zvi^eiten Generation,
wo der beblätterte Stamm auftritt, zeigt sich bei den Lebermoosen
eine Gliederung nur nach dem Verhältniss von 1 : 2 , so bei
dem Heer der Jungermanniaceen; selten sind es 3 Blätter wie ganz
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