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Gegenscliwere^ ebenso wie die magnetischen Pole sich in der eleklrischen
Spirale vereinigen.
Die Pllanze ist also ein nach gewohnliclien Begriffen durchaus
unsynunelrischer Organismus und selbst ihre Blüthe nur scheinbar
actino- oder zygo-morph. Jedoch ist eben diese scheinbare Symmetrie
der Blumen öfter Veranlassung gewesen, dass man sie mil Thierformen
verglichen hat, wie schon L i n n é , freilich aus anderem Grunde,
die Bhimen dem vollkommenen Insekte an die Seite stellte. Wir erkennen
dabei leicht, warum Blumen, deren Theile sich gleichmässig
entwickelten, den aktino- morphen niederen Thierformen so ähnlich
sehen, dass man letztere vor Zeiten allgemein für blühende Pflanzen
des Meeres liielt (Seeanemonen, Seelilien, Seetulpen^ die Korallen etc.)
Auf der andern Seite giebt es zahlreiche Pflanzengruppen, deren Blüthen
durch nngleiclunassige Enlwickelung einzelner oder aller Theile
nur nach zwei Seilen einer Miltellinie symmetrisch, d. h. zygo-morph
werden nach Art der höheren Thiere. Bei dem ungeheuren Formenreichthum
ptlanzlicher und noch mehr der thierischen Organismen,
können alsdann zahlreiche Annäherungen der Gestalt nicht ausbleiben.
Wir erinnern an die Familien der Lippen-, Larven-, Schmetterlings-
Blütbler und ähnliche, in denen Drachenköpfe (Dracocephaluin) Gespenster
('¿«//^/^^//¿j, Löwenmäuler (Anthirrhinum)^ Nasenblumen {Rhinanthus)
etc. vorkommen. Am tollsten werden die Aehnlichkeiten in
der Familie der Orchideen, deren Blüthen nicht nur wie unsere Ophrys-
Arten allerlei Insekten, sondern in der wunderbaren Fülle der Tropen
beinahe Gestalten aus allen Thierklassen neckisch nachahmen. Seit
den Zeiten des Pater K i r c h e r 's, welcher umständlich beschreibt,
wie diese Blumen aus verwesenden Thierüberresten entstünden, die sie
nachher in der Form nachahmen sollten, ist hierüber soviel phantasirt
und mystificirt worden, selbst von Botanikern wie L indl e y und Hochs
t e t ter , dass ich nicht umhin kann, über diese Naturlaunen und
Spiele hier, w^o ich über den morphologischen Unterschied von Pflanzen
und Thieren gesprochen, ein Wort hinzuzufügen. Zuerst wird also die
Orchideenblülhe, wie diejenige der Maskirtblnmigen, durch seine zygomorphe
Gliederung für die Thierähnlichkeit vorbereitet. Aber die Orchideenblüthe
hat vor allen jenen einen Vorzug voraus, das Hervortreten
einer Mittellinie, welche im Thierreiche tiberall dadurch so auffallend
auf den Charakter wirkt, dass auf ihr sämmtliche äussern Gliederungen
die nur einmal vorhanden sind, als Kopf, Nase, Mund etc.
verlheilt sind. Bei den Orchideen wird diese Linie ebenfalls sehr stark
markirt, durch die meist alleinige Entwickelung des mittelsten Staubfadens,
resp. durch das blumenblattartige Auswachsen desselben in sehr
auffallenden Formen, wenn die beiden seitlichen Antheren fruchtbar
sind. Die Verschiedenartigkeit mit der alsdann das oberste Blumenblatt
auswächst, und mit seinen zygomorphen Saftnarben und Zeichnungen
wiederum die Mittellinie bezeichnet, bald einen langen Busse
bald aufgeblasen, den Körper einer Spinne oder einen Todtenkopf
(Opkrys arachnües: Uracher Todtenköpfchen)*) oder doppelt getheilt
die Beine eines Menschen (Orch. viilitaris, Aceras anthropophora)
vorstellt, vermehrt den Eindruck. Ihr Sporn bildet, wo es nothig ist,
den Schwanz des Thieres. Und zu beiden Seiten dieser meist nähern
Bezug auf die Befruchtung habenden Mittelorgane ordnen sich die 5
übrigen'meist verschieden gestalteten Blumenblätter, und 2 Staminodien,
jene zum Theil köpf- oder helmartig zusammengeneigt, zum Theil flügelartig
ausgebreitet. Und so verschwindet alle mystische Schauerhch-
"keit nach allgemeinen Gesetzen der Morphologie, und fragt man, warum
nicht in den nach demselben Plane gebauten Cannaceen und Scitamineen
die Lippen und die andern Theile ähnlich sich anordnen, so wird
dies meist durch ein grösseres Freibleiben der Theile, namentlich des
Stempels und dadurch erleichterte Befruchtung erklärt, weil nicht
wie bei den Orchideen vermittelnde Insekten, durch zierliche Saftmale
u. dgl. herangelockt zu werden brauchen.
Der letztere Umstand bringt mich auf einen weiteren Unterschied
zwischen Thier und Pflanze, der auf die Morphologie Bezug hat. Die
Theile des Thieres sind einem Intelligenz-Organe vor allen andern,
wie in der Monarchie die Menschen einem Könige untergeordnet, welches
es durch Aufsuchen der Nahrung, durch Ausweichen und Schutz
gegen den Feind erhält. Der Pflanze ist ein solcher intellektueller
Theil unnöthig, da sie im Boden festwurzelt, und ihr Nahrung (feste
Stoffe, Feuchtigkeit, Luft) ihr so stets, ohne dass sie selbe zu suchen
brauchte, zugänglich sind. Die Pflanzentheile bedürfen kein für sie
denkendes Oberhaupt, sie bilden eine Republik und jeder Theil ist für
sich lebens- und sogar fortpflanzungsfähig. Man kann nicht nur aus
Knospen, sondern auch aus der Wurzel, einem Blatte, einem Stengelstück
neue Pflanzen ziehen, ihr gegenseitiger Verband scheint nur einer
Nach schwäbischer Sage ist Ophrys araclmites L. aus den Resten des
Dichters F r i s c h ! in erblüht, welcher sich bei Hohenurach aus dem Getangnissthurm
stürzte (1590) und F. Hochstet ter erkennt in dieser Blüthe einen
deutlichen Todtenkopf mit da.rüberschwebender weisser Tf)ube, dem Symbol des
unsterblichen Geistes.
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