
Iiaui)tsäclilicliste Vorzug dieser Anordnungen ist eine alimälig immer
genauere Umgrenzung der Grujjpen.
Besondere Forlscln-iüe machte die Systematik durch Quirinus
l i a c h m a n n (latinis. Ilirinus 1652 — 1722), welcher die bisher
gegoltenen Principien bedeutend vermehrte und reformirte. Sein Hauptverdienst
ist, dass er die bisher allgemein angenommene Trennung der
blühenden Gewächse in Biiume und Kräuter, welche bereits Jung als
der Natur zuwiderlaufend streng getadelt, aufgab. Ausserdem fügte er
den bisher fast einseitig zur Klassification benutzten, von Frucht und
Samen hergenommenen Charakteren, diejenigen der Blume hinzu, und
bildete nacli Ilegelmässigkeit und Zahlenverhältniss der Korolle oder
IVeiblättrigen Blume 18 Klassen, die er nach der Frucht in Ordnungen
theilte*). Die Vollkomenheit seiner Grundsätze verschaffte ihm sehr
zahlreiche Anhänger, wiewohl auch unter seinen Gegnern sich sehrbedeutende
Botaniker befanden, als Rudbeck, Ray, Dillen u. A.
Sein System wurde später theils von ihm selbst, theils von Rupp,
L u d w i g und Ruaut verbessert. Letzlerer ordnete umgekehrt wie
R i v i n die Regelmässigkeit der Korolle dem Zahlenverhältnisse unter,
wodurch seine 17 Klassen zum Theil sehr abweichend ausfallen.
K n a u t war ein tüchtiger Beobachter, und hatte unter Anderm bereits
erkannt, dass die Früchtchen der Labiaten, Borragineen und der
ähnlichen keine nackten Samen sind, was nach ihm noch Linné
sogar mit vielen andern Botanikern glaubte**).
Den grossten Fortschritt der Systematik um jene Zeit verdanket
die Wissenschaft dem Joseph Pitton, allgemein nach seinem Geburtsorte
To u r n e f o r t genannt (1656 — 1708), welchen man als
den verdientesten Vorgänger Linné' s betrachten muss. Er stellte ein
System auf, welches zuerst wieder in Bäume und Kräuter theilt, dann
nach dem Dasein oder Mangel der Korolle, Gestalt, Ein- und Mehrblättrigkeit
derselben 22 Klassen enthält, welche bei den Phanerogamen
nach dem freien oder mit dem Kelche verwachsenen Pistille,
nach den Fruchfformen und zum Theil noch nach andern Verhältnissen,
bei den Kryptogamen nach der Stellung der Früchte in Ordnungen
getheilt sind. Die Eintheilung ist, wie man sieht, wieder eine
künstliche, wenn man auch das Bestreben nicht verkennt, zugleich
*) Das Hauptwerk über sein System ist: Aug. Rivini , Introductio generalis
in rem. herbarium Lips. 1690. 1696. 1720.
**) C r i s t i a n Knaut, Methodiis plantarum qenuina etc. Linsiae et
Halae 1716. Fol.
pen natinlichen Verwandtschaften Rechnung zu tragen. Sonderbar
genug nimmt er die von Rivin verworfene Eintheilung in Kräuter
und Bäume wieder auf. Tournefort's eigentliches grosses Verdienst
um die Wissenschaft liegt aber nicht in dieser Eintheilung, sondern
in der genaueren Bestimmung des Gattungs- und Arten - Begriffs, der,
wenn auch ausgebildet von seinen Vorgängern (namentlich Morison,
H e r r m a n n uud Rivin) doch noch allzu umfassend war. Dadurch,
dass sein Werk die zusammengehörenden Arten unter freilich noch oft
weit umschriebenen Gattungen gesammelt enthielt, wurde es für die
Bestimmung angenehmer und leichter als alle vorigen, und daher erklärt
sich sein allgemeiner Gebrauch unter den Botanikern, namentlich
Frankreichs, während in Deutschland noch das Rivin'sche, in England
das Ray'sehe vielfach in Anwendung blieb*),
B o e r h a a r e vereinigte um diese Zeit das Herrmann'sehe
Fruchtsystem mit dem Tour nefor t ' sehen und Ray'schen, sonderte
mit dem letztem in Mono- und Dicotyledonen und erhielt nach den
Verhältnissen von Rlüthe und Frucht 34 Klassen.
Der geistreiche Peter lagnol , Prof. zu Montpellier, welchen wir
weiter unten in der Geschichte der natürlichen Systeme wieder zu erwähnen
haben werden, entfwarf kurz nach T o u r n e f o r t ein künstliches System,
welches erst später veröffentlicht, niemals viel Beifall gefunden hat.
Die Eintheilung seiner 15 Klassen ist allein vom Kelche (oder Peri-
(jon) entnommen**).
Die Geschichte der künstlichen Systeme tritt nun in ein anderes
Stadium, durch die Einführung eines neuen Moments zur Klassifikation,
welches bisher nicht benutzt worden war, nämlich der Geschlechtsverhältnisse
der Pflanzen. Um das Jahr 1600 waren dieselben zuerst
klar erkannt worden, durch den Böhmen Zaluziansky, der auch
einige Anwendung davon auf die Klassifikation versucht hat. Hundert
Jahre später setzt C ame r a r ius , Prof. in Tübingen, die Sache durch
Experimente an diücischen Pflanzen auser Zweifel (1694) und bereits
6 Jahre später weist B u r c k a r d t aus Wolfenbüttel auf die Wichtigkeit
der Sexualorgane für die Eintheilung der I'flanzen hin, und behauptet,
dass ihnen für diesen Zweck der Vorzug vor allen andern
Organen gebühre. Sein darauf entworfenes System zeigt leider wieder
*) Originalwerk : J. Pitton de Tournefort, Elémem de botanique^
Oll méthode pour connôitre les plantes. Paris 1694.
**) P e t . Magu. Novus character plantarum. in duos tractatiis divisus^
opus posthumumj ab auctoris filio Antonio editum. Monspeh 1720. 4.
I,
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