
Von den Thierhaaren 98 insbesondere.
meine, Manchen vielleicht zu weit herbeygehohlt scheinenden
Ansichten, bey näherer Betrachtung dennoch sicher beruhen
können.
A. Wi r b e l l o s e Thiere.
§. 51.
I. H a a r e d e r Z o o p h y t e n .
Diese bewunderungswürdigen Thiere, deren Körper entweder
völlig, oder wenigstens grösstentheils aus einerley
Masse, oder von verschiedenartigen Substanzen zusammengesetzt
ist (Zoophyta monohyla et heterohyla der Neuern), haben
zwar nicht alle, aber doch die grösste Anzahl derselben gewisse
äussere Ansätze, Arme, Fühlfäden u. dgl., welche meistens
um den Mund, nicht selten an den Endtheilen und an
den übrigen Punkten der Oberfläche theilweise und einzeln,
oder auch AVie wir später sehen Averden, unter mancherley
Gruppirungen festsitzen. Diese An- oder Fortsätze sind nun
von einer auffallenden Verschiedenheit, denn entweder können
sie als wahre Verlängerungen der ohnehin fast einfachen
Substanz des Körpers betrachtet werden, oder nicht. Im
ersten Falle scheinen sie eigentlich nicht wohl in den Bereich
dieses Werkes zu gehören, wenigstens gewiss mehr im
letztem Falle. Denn das bewaffnete Auge bemerkt an verschiedenen
Orten der äussern Oberfläche dieser noch immer
räthselhaften Thiere besondere, von den andern auffallend
verschiedene Verlängerungen, die beym ersten Anblicke schon
auch den Ungeübtesten auf die Idee bringen, dass diess Haare
sind. Obwohl ich nun in diesen Verlängerungen mit Ausnahme
ihres Standpunktes und ihrer Figur in anatomischer
Hinsicht fast keine anderweitigen Eigenschaften entdecken
konnte, Avodurch ich sie mit den Haaren der höhern, und
namentlich der Säugethiere in nähere Beziehung zu bringen
im Stande gewesen wäre, und da besonders in Bezug auf die
chemischen Bestandtheile der Haare dieser und andrer Thiere
eine grosse Verschiedenheit obwaltet; so fühle ich mich doch,
gestützt auf den Schluss der Analogie, welche uns der Ort
Von den Thierhaaren insbesondere. 99
ihres Vorkommens, und ihre Figur an die Hand gibt, so wie
auf die Angaben und Benennungen, welche diesen Verlängerungen
von den berühmtesten Naturforschern der ältern und
neuern Zeit beygelegt wurden, um so mehr dazu geneigt,
sie für eigenthümliche, von andern allerdings sehr verschiedene
Haare zu halten, und als solche meinem Thema einzuverleiben,
als je bekanntlich auch unter den Haaren der übrigen
Thierklassen beträchtliche Verschiedenheiten obwalten.—
Zu diesen Bestimmungsgründen kommt nun noch der besondere
Umstand, dass gerade die Haare der Z o o p h y t e n rücksichtlich
ihres höchst einfachen Baues, und ihrer ausserordentlichen
Feinheit den passendsten Uebergang von den Pflanzen
zu den Thierhaaren, und demnach ebenfalls ein Glied
jener grossen Kette ausmachen, durch welche beyde Naturreiche
so innig mit einander verbunden sind.
Allein so auffallend auch bey dem ersten Anblick die
Aehnlichkeit dieser Gebilde mit Haaren überhaupt ist, so lässt
doch die ausserordentliche Kleinheit jener Thiere über die
eigentliche Organisation ihrer Haare, fast möchte ich sagen,
blosse Vermuthungen zu, nach welchen selbe den späterhin
näher zu beschreibenden Haaren der C i r r i p e d en , Anne l
iden und Gr u s t a c e e n am füglichsten anzureihen sind.
Was also von jenen gesagt werden wird, kann einstweilen mit
den nöthigen Einschränkungen auch hier für gültig angenommen
werden. — Ich beschränke mich daher jetzt darauf, die
Verschiedenheiten dieser Haare in Bezug auf die äussere Form
und Gestalt, ihren Standpunkt, die Art der beobachteten Be-
wegung u. dgl. anzugeben, und das Gesagte gleichzeitig mit
Beyspielen, die aus den einzelnen Arten dieser Thiere entnommen
sind, zu erläutern. Ich folge hier grösstentheils den
um die systematische Bearbeitung der Zo o ph y t en so hoch
verdienten Otho Müll e r * ) und S c h we i g ge r ** *)).
Letzterer *•**) hat die ha ar f örmi g en A n s ä tz e der
Zo o p h y t en in zwey Hauptabtheilungen gebracht, nämlich
*) M ü l l e r i O. F . Animalcula infusoria fhrviatilia et m a rin a . Opus
posthumum cura F a b ric ii. Havniae 1786.
**} A u g u s t F r i d . S c h w e i g g e r ’s H an d b u ch der N a tu rgeschichte der
sceletlosen, u n g eg lied erten T h ie re . Leipzig 1820.
***) A. a. O. p. 16H.