
zu seyn, dass dieser Satz dann mehr gelte, wenn er auf
die einzelnen Ordnungen angewandt wird, d. h. diejenigen
Thiere einer und derselben Ordnung sind manchmal
am behaartesten, deren Organisation am niedrigsten steht.
So sind es z. B. nicht die vollkommenen Insecten, die Käfer,
bey welchen das Haar seine höchste Ausbildung zeigt,
sondern es sind die Schmetterlinge, deren Organisation
viel tiefer steht. — Dagegen kann diese Annahme durchaus
nicht auf Allgemeingültigkeit Anspruch machen, indem
1 . gerade die Säugethiere vorzugsweise, und wenn
man die Sache im weitesten Sinne nimmt, eigentlich ausnahmsweise
behaart sind, (denn es ist gewiss, dass die Feder,
wenn sie gleich in extensiver und namentlich in Hinsicht
auf das Colorit dem Tasthaare der Säugethiere voranstehet,
doch gewiss in Bezug auf Feinheit der Organisation
von denselben weit übertroffen wird); 2 . weil sich unter
den Säugethieren gerade diejenigen durch einen auffallenden
Haarwuchs vor allen auszeichnen, die dem Menschen
am nächsten, also unter den Thieren am höchsten stehen,
die Affen ; 3 . wir bey den mittlern Thierklassen — den
Amphibien und Fischen — gleichsam nur Andeutungen von
einem Haargebilde finden, während dasselbe wie gesagt,
unter den wirbellosen Thieren gerade wieder bey den Insecten
einen besondérs hohen Grad von Ausbildung in jeder
Hinsicht erreicht ; so dass wir also nicht im Stande
sind, solche allgemein hingeworfene Sätze in der Natur
praktisch nachzuweisen, wenn nämlich von einer Vergleichung
des Haargebildes mit der übrigen Organisation, und
der darauf gestützten Rlassification der Thiere die Rede
ist. —
3 ) Viel richtiger und schön ist der Gedanke, den ich in
P i e r e r ’s Realwörterbuch*) las, »dass, so wie die Pflanze
überhaupt dem Reiche der Luft und des Lichtes mehr
angehört, als dem des Wassers; so auch das Haar im
Thierreich vorzugsweise dort erscheine, und eigentlich
als solches erst da beginne, wo die Thiergeschlechter
aus dem Reiche des Wassers in das der Luft übertreten.
« — Denn obgleich ich die Stacheln der Fische, die
Borsten der Anneliden u. dgl. auch den Haaren beygezählt
habe, so ist und bleibt es doch immer ein Hauptcharakter
der eigentlichen Haare, dass sie als einfache
Kiemen frey in die Luft ragen; und die Stacheln, Borsten,
ja selbst die Schuppen und Schilder der Amphibien
kann man nur desshalb den Haaren anreihen, weil ihnen
als e r s t a r r t e Hau t k i emen das Urbild für alle Haare,
nämlich der Begriff der Hautkeime zu Grunde liegt.
4.) In wie fern aber wirklich das Thierhaar an der Respiration
Antheil nehme, und also mit dem Pflanzenblatt zu
vergleichen sey, soll beym Menschenhaar erörtert werden.
5 ) So wie wir bey den Pflanzen die Haare als verlängerte
Hautzellen betrachtet und bezeichnet haben, so könnten
wir auch die Haare der niedern, wirbellosen Thiere, selbst
jene der Insecten, und in mancher Beziehung auch die
Stacheln der Fische als zellenartige ‘Verlängerungen der
allgemeinen Hautdecke ansehen. Am deutlichsten spricht
sich dieses bey den gegliederten, oder mit Gelenkchen
versehenen Borstenfäden der Cirrhipeden aus. Bey den
höhern Thierklassen, wo ein besonderes Organ die Verbindung
des Haars mit der Hautoberfläche, nämlich der
Haarbalg sammt der Haarzwiebel, vermittelt, findet diese
Ansicht nicht mehr Platz, und das Haar tritt hier schon
als ein mehr selbstständiges Gebilde hervor. — Hieraus
ergibt sich, was von der Idee zu halten sey, nach welcher
die Haare als verlängerte Gefässe, und das Horn für ein
gefilztes Haar gehalten wurde *).
6) Nach Carus **) ist die Ke g e l f orm als allgemeiner
Typus für Haarbildung im Thierreich anzusehen. Bey
den Insecten entstehen nach ihm die Haare als kugelige
Hervorhebungen auf der Oberfläche des Thieres, dehnen
sich dann einfach oder getheilt kegelig aus, und werden
zellig und röhrenförmig. Bey niederer Entwicklung sondern
sie sich nicht von der Oberhaut ab, sondern bilden
theilweise röhrenartige Ausdehnungen derselben, so bey
den Zoophyten, Entozoen, Muschel- und Schneckenschalen,
Anneliden und Raupen, an manchen Mollusken und
Krabbenschalen. — Bey höherer Entwickelung bilden sich
*) O k e n a. fl. 0 . p. 229*
**) Von den Ur-Thellen des Knochen - und Sehalcngeriislcs. Leipzig