
§ . 11.
Was das Vo r k omme n und d i e V e r t h e i l u n g der
Haare an den verschiedenen Pflanzen und deren Theilen betrifft,
so muss bemerkt werden:
1- Dass es kaum eine Pflanze gibt, die man als durchaus
haarlos ansehen könnte. Wa l l r o t h * *) sagt, dass sich auch
bey den unvollkommenen Pflanzen Haare vorfinden , und be-
weisst diess an der Chara. Nach L amo u r e u xw) trifft man
selbst bey den Fucis Haare an 5 und von den edleren Pflanzen
, namentlich aber von allen Landgewächsen, scheut sich
Schrank***) nicht, geradezu zu behaupten, dass sie, einige
kryptogamische Pflanzen etwa ausgenommen, durchaus N e-
benge f a s se besitzen.
2. Eben so wie es demnach beynahe keine völlig haarlose
Pflanze gibt, so ist auch absolut kein Theil der Pflanze von der
Eigenschaft ausgeschlossen, Haare tragen zu können. Um dieses
näher zu beweisen, will ich in dieser Hinsicht die einzelnen
Theile, aus welchem die Pflanzen bestehen, durchgehen, und
zugleich auf die dabey vorkommenden Verschiedenheiten der
hier gefundenen Haare aufmerksam machen.
a) Häufig findet man die Wu rz e l n , und zwar mit sehr feinen
Haaren besetzt. Schon Mal p i ghi****) schrieb, mit Ausnahme
der Zwiebelgewächse, allen Wurzeln Haare zu.
Schrank will sie sogar an allen Pflanzen gefunden haben
, welche er aufs Gerathewohl einer Untersuchung
unterzog. Merkwürdig ist jedoch, dass sie sich nur an
den jungen Wurzeln und Nebenwurzeln bey ihrem ersten
Keimen entdecken lassen, und anfangs so zarten,
kleinen Wärzchen gleichen, dass sie nach S p r en g e l
alsbald an der Luft zusammenfallen, und dann sehr
feine Bänderchen darstellen. — Letzterer behauptet auch,
dass sich die feinsten und zartesten Haare der Wurzelfäsern
in der Regel nur dann erkennen lassen, wenn der
Same auf der Oberfläche der Erde (wie die Lactuca im
Winter in Kästen) gesäet wird, oder im Wasser keimt,
wo dann die Oberfläche der Fasern mit den feinsten,
*) Ann. botanic. 1815.
**) Annales du Museum d’h isto ire n a tu re lle p. 268,
***) A. a. O. p. 58.
****) De sein, veget. op, tom. II. p. 66. Tab, 1 — 6.
wolligen Härchen besetzt ist. Dieselbe Bemerkung hat
auch C a r rado r i *) gemacht, und er hält diese Haare
desshalb für Organe, die zur Einsaugung der Feuchtigkeit
der Luft bestimmt seyen, indem sie gleich den Schwämmchen
das schon gebildete Wasser einsaugen.— Diese Haare
haben übrigens nach S ehr a nk jederzeit das Eigene, dass
sie mehr oder weniger spitz, kegelförmig, daher stets einfach,
nie ästig, nie gegliedert sind, und keine Becher oder
Drüsen tragen. — Die Wurzel der schönen Amaryllis, die
man im Wasser kann wachsen lassen, hat pfriemenförmige
Haare, am schwarzbeerigen Nachtschatten, beym gemeinen
Bilsenkraut und dem glatten Stechapfel finden sich ausserordentlich
feine Haare; eben so zeigen sich die Wurzeln
aller Gräser sehr behaart, und leicht und schön findet man
sie auch beym Taback, den Arten des Amaranthus und
des Sisymbrium. Selbst die Wurzel des Froschbisses, einer
Wasserpflanze, und den Bulbus vom Hyacinthus co-
mosus fand Sc h rank und ich ganz zottig von Haaren.
b) D e r S t en g e l und die Ae s t e sind meistens mit den
grössten, längsten und rauhesten Haaren versehen, und
pflegen bis zu ihrer Theilung (an den sogenannten Blattachseln)
die meisten Haare zu haben. — Es ist wohl überflüssig,
davon Beyspiele anzuführen, da sie sich bereits aus
dem Gesagten und dem noch später Anzuführenden leicht
abstrahiren lassen.
c) D ie Bl ä t t e r biethen den ausbrechenden Haaren eine
grosse Oberfläche dar, sind auch in ihrer Jugend, wie sie aus
den Knospen hervorwachsen, fast alle zottig, oder mit
Seidenhaaren besetzt, und fangen erst mit vollendetem
Wachsthume an, glatt zu werden. — Uebrigens bemerkt
man an ihnen noch das Besondere, dass sie an ihrer unteren,
der Erde zu- und dem Lichte abgewendeten Fläche
jederzeit am haarigsten sind, besonders an jenen Stellen,
wo die Ribben oder Nerven des Blattes verlaufen.
d) B e y den Organen der I n f l or es cenz und den eig
e n t l i c he n B e f r u ch t un g swerk z eugen finden wir
den oben ausgesprochenen Satz wieder aufs schönste reali-
sirt: sie sind nämlich fast alle mehr oder weniger mit Haa-
) organi absorbenti delle radice osservaz. present, alla socicta
dei Georgofili di Firenze etc.