
ausgedehnt ihre Verbreitung im Thierreich, und wie ausgezeichnet
ihre Organisation vor allen übrigen Haaren ist. Diess
allein nähert uns schon dem Thema in so fern, als der hohen
Stufe der Organisation dieser Gebilde eine ihrer Wichtigkeit
entsprechende Function parallel geht. — Es handelt sich nun
zuvörderst, zu beweisen, dass diese Organe wirklich das leisten,
was man ihnen zuschreibt. — Obgleich es eine allgemein
angenommene Sache ist, dass z. B. die Knebelbärte der
Katzen und anderer Thiere zum scharfem Gefühl der Schnauzen
so wesentlich beytragen, dass mit ihrem Verluste jene
ebenfalls in hohem Grade leiden • so hat man doch über die
Art und Weise, wie dieses geschieht, häufig gestritten. Heut
zu Tag denkt wohl Niemand daran, dem Haar — und sey es
auch ein sogenanntes Tasthaar — Nerven zuzuschreiben. Das
äusserste, was die menschliche Kunst bisher darzustellen vermochte,
und was ich desswegen auch bildlich von der
Schnauze einer Katze nachbilden liess, ist, dass der Haarbalg
Nerven besitzt. — Wenn wir also, wie es doch allgemein gebräuchlich,
obgleich vielleicht nicht ganz richtig ist, nur jenen
Theilen Gefühl zuschreiben, welche mit Nerven versehen
sind, so müssen wir den Haaren insgesammt — somit auch den
Tasthaaren — als solchen, d. h. als denjenigen Theilen des
Haares, die wir oben mit dem Namen Haarschaft bezeichnet
haben, das Gefühlsvermögen absprechen, oder besser gesagt,
wir können nicht zugeben, dass sie für solche Organe gehalten
werden, welche‘geeignet sind, den von aussen gekommenen
Eindruck vermittelst der Nerven aufzunehmen, und
weiter zu leiten. Nichts desto weniger stehe ich in einer
andern Beziehung keinen Augenblick an, sie für w i r k l i c he ,
und namentlich für im Thierreich höchs t wi c h t i g e O r gane
des Ge f ü h l s zu halten. Um hier nur von den Fasthaaren
zu reden, müssen wir doch zugeben, dass bey dem
starren, höchst innigen Zusammenhänge des Haarschaftes mit
dem nerven- und gefässreichen Balge, jede, und sey es auch
die feinste mechanische Einwirkung— Erschütterung — von jenem
auf diesen unmittelbar übertragen, und somit den Nerven
des Zwiebelbalges mitgetheilt, und durch diese endlich dem
Centralorgane zugeleitet werde. Hieraus ergibt sich, was es für
eine Bewandtniss mit dem Ausspruch habe: dass ni c ht die
Haare, sondern die Haut fühle, oder dass erstere
fern man also zugeben muss, dass der Zwiebelbalg der Tasthaare
Nerven besitze, muss man auch den Tasthaaren Gefühl
zuschreiben, und, insofern wir jene Nerven bey den übrigen
Körperhaaren, aus Unvermögen sie nachzuweisen, nicht annehmen
wollen, müssen wir wenigstens gestatten, dass diese
Haare, als Theile der Haut, so zu sagen We r k z e u g e des
Gef ühl s sind.
Um übrigens jede Zweydeutigkeit zu vermeiden, muss
zwischen Ta s t e n und F ü h l e n ein Unterschied gemacht
werden. Denn obgleich ersteres nur ein erhöhtes, durch feinere
Organe vermitteltes, und an bestimmten Stellen vorzugsweise
ausgebildetes Fühlen ist, so muss mit allem diesem doch
noch die Vorstellung verbunden werden, dass das Tas ten zugleich
ein A c t der Wi l l k ü h r , das Ge f ü h l im Allgemeinen
aber nur ein passives Au f n ehme n äusserer Ei nd
r ü c k e ist. Von diesem Gesichtspuncte aus erscheint uns
das Tasten viel höher gestellt als das Gefühl, und so ist es
auch. Organisation und Function der hieher gehörigen Theile
harmoniren mit dieser Annahme eben so gut, als sie auch in
der Erscheinung, also factisch nachzuweisen ist. Der vortreffliche
Rudol phi *) hat uns schon von den Ba r t h a a r en der
Seehunde gezeigt, wie ihre regelmässig neben einander gestellten
cylindrischen Hornkapseln oder Zwiebeln von Muskelfasern
umfasst werden; und bey unsern Hausthieren finden sich
theils ähnliche Verlängerungen des allgemeinen Hautmuskels
zu den Haarzwiebeln, theils werden diese, da sie tief in die
Fetthaut eingepflanzt sind, bey den manichfaltigen Bewegungen
der letztem gleichfalls verschiedentlich bewegt, und, je
nachdem es die Willkühr des Thieres erfordert, nach dieser
oder jener Gegend hin gerichtet, bald gerade ausgestreckt,
bald sanft zurück-, bald blitzschnell der Schnauze angebogen.
— Bey dem Maulwurfe fand T r e v i r a nus **) auf dem vordem,
behaarten Ende des Rüssels grössere und kleinere, kegelförmige,
von einer dicken, zähen Haut gebildete Kapseln,
die auf der Oberhaut hervorragen, und eine weiche Substanz
enthalten , , in deren Mitte die Wurzel eines Barthaars enthal*
0 I n den Abhandlungen der p hysikalischen Klasse der ko'nigl. preussi-
schen Akademie der Wissenschaften, J ah rg , 1814 — 1815, p. 175.
B erlin 1818. 4. p. 180.
**) Biologie 6ter Bd, p. 204.