
Gebirgspflanzen nur desswegen behaarter sind, als andere,
weil ihr Wuchs gebeugter, die Theile aber zusammengezogener
sind. Uebrigens sprach er sich ganz für die Meinung aus,
dass Aussonderung die Hauptfunction der Pflanzenhaare sey.
Ich werde auf die dafür aufgestellten Gründe zurück kommen.
4. Dagegen trat Ru dolp hi*) der Idee S e h r a n k ’s in sofern
bey, als er ebenfalls die Einsaugung für die Prinzipalfunction
der Pflanzenhaare, und zwar aus nachfolgenden Gründen
erklärte:
a) Sehr viele Pflanzen kommen in warmen, sehr trocknen
Gegenden, z. B. im südlichen Europa, auf der Insel Can-
dia, im Orient und den Steppen Sibiriens etc. vor', deren
ganzer Bau gedrungen ist, die keine grosse Menge
von Säften enthalten, und also nicht viel ausdünsten
können. Ihre Wurzeln sind nicht gross, und sie haben
nur kleine und wenige, unter den Haaren verdeckte, oft
kaum aufzufindende, zuweilen gar keine Poren, so dass
ihnen also auf diesem Wege die nöthige Flüssigkeit nicht
zugeführt'werden kann. Ru doj p hi findet es daher ganz
natürlich, anzunehmen, dass ihre Haare die Feuchtigkeit
aus der Luft einsaugen, welche die Wurzeln im dürren
Sande nicht finden können. —
b) Das Gleiche gilt wohl auch von den auf den Alpen oder
trocknen Gebirgsgegenden, in Felsenrissen u. s. w. wachsenden
haarigen Pflanzen, denn auch bey ihnen ist anzü-
nehmen, dass sie die ihnen nöthige Flüssigkeit mittelst
der Haare aus der Atmosphäre einsaugen.
c) Die im Wasser lebenden Pflanzen, deren Oberfläche
haarlos ist, bedurften natürlich der Haare eben so wenig,
als der Poren, und desshalb gehen ihnen auch beyde ab.
d) Aus demselben Grunde sind auch fast alle auf feuchten
Wiesen und in den Sümpfen des nördlichen Europa
wachsenden Pflanzen völlig haarlos. Sie bedurften so vieler
Saugwerkzeuge nicht. Eben desshalb finden wir auch
keine haarigen Pflanzen in den feuchten Gegenden Ame-
rika’s und Asiens.
e) Darum haben alle, mit grossen und vielen Poren versehene
Pflanzen keine Haare.
ƒ) Ganz besonders entscheidend scheint die Thatsache zu
f) Anatomie der Pflanzen p. 1 2 4 __126.
seyn, dass bey solchen Familien, die sonst gewöhnlich
haarlos sind, einzelne Geschlechter derselben in dürren
Gegenden Haare im Ueberflusse bekommen, z. B. bey den
Gräsern.
g) Und umgekehrt ist es sehr auffallend, dass so viele im
wilden Zustande behaarte Pflanzen in unsern Gärten all-
mählig und oft ganz diese Bekleidung verlieren. Wir sehen
diess an den Alpenpflanzen und an den sibirischen
Gewächsen, wie sie nach und nach in unsern Gärten glatt
werden. Es scheint dagegen eingeworfen werden zu können
, dass viele Pflanzen in den Gärten trotz aller Cultur
die Haare behalten, allein Ru dolp hi beseitigt diesen
Einwurf dadurch, dass er sagt: fast alle diese Pflanzen
haben einen starken, dichten Filz und eine äusserst dünne
Blattsubstanz, so dass diese allein nie bestehen kann;
einigen gehen sogar die Poren ganz ab. Hier sind also
die Haare wesentlich und immer nöthig, wenn nicht ein
ganz neues Blatt und eine ganz neue Pflanze entstehen
soll. Bey jenen Alpengewächsen und sibirischen Pflanzen
hingegen hat die Blattsubstanz mehr Wasser, und die
Haare dringen nicht so fest ins Parenchym ein. Dagegen
kann eingewendet werden, dass diese saftigen Gewächse
aber auch oft ohne alle Haare sind, häufig die heissesten
Klimate und die trockensten Gegenden bewohnen, und
einige von ihnen dennoch in der blechernen Büchse oder
auf dem Bette des Treibhauses dann noch fortwachsen,
wenn man ihnen die Wurzel weggeschnitten hat. S c hr a nk
antwortet darauf : diess geschieht durch die mittelst der
Hautdrüsen bewerkstelligte Einsaugung aus der Atmosphäre.
h) Alle Pflanzen aller Klimate dünsten aus, und dennoch
gibt es ja viele, die keine Haare besitzen.
Durch diese Gründe hielt es Rud o l p h ! für völlig bewiesen,
dass die Haare eben sowohl einsaugen, als die Poren.
Doch gibt er eine Verschiedenheit zwischen beyden zu,
indem er sagt, dass die Poren, besonders die sehr grossen der
fleischigen und saftigen Gewächse reichlicher einsaugen, wess-
halb diese Gewächse auch die Wurzeln länger entbehren können
, als die haarigen. Diese bedürfen dagegen keiner so reichlichen
Einsaugung, und es fehlt ihnen das lockere Parenchym