zurück, denn so klein und beschränkt der Raum ist und so
vereinsamt es in der Wüste liegt, wie wohl kein anderer
Ort, so übt es doch einen unwiderstehlichen Reiz auf die
Rhadameser aus, so dass sie selbst von sich sagen: fast nie
stirbt einer von uns im Ausland.
Eine eigenthümliche Sitte der Fkra Muley Thaib beobachtete
ich hier. Jeden Donnerstag Abend versammelten sie
sich in der Moschee der Sauia, die durch eine Thür mit
meinem Zimmer kommunieirte, und um 6 */2 Uhr Abends,
gleich nach dem Gebete l’ascha, fingen Alle unter Anführung
des Mkadem an, zehn Mal das Eröffnungs-Kapitel des Koran
abzubeten, dann standen die sich begeistert fühlenden auf,
wurden auf zwei Reihen sich gegenüber stehend kampirt und
sich Anfangs bloss mit dem Kopfe verneigend, sagten sie so
schnell sie konnten hinter einander Lah ilaha il al Lah (es
giebt ausser Allah keinen Gott). Nach und nach wurden die
Verbeugungen stärker, der ganze Körper schwankte wie eine
Welle, aber Alle blieben immer im Takte, es bemächtigte
sich ihrer eine Art Wahnsinn, nicht genug sich schwankend
zu verbeugen, fingen sie an zu hüpfen (blieben aber immer
auf demselben Platz) und heulten fortwährend, so schnell sie
nur konnten: es ist kein Gott ausser Allah. Plötzlich hielten
sie inne. Nun begann Einer ein Preislied auf Muley Thaib
zu singen, dessen Refrain stets von allen Anwesenden wiederholt
wurde. Dann fing wieder die erste Procedur an,
Schwenken, Verbeugen und Hüpfen (ich hatte manchmal Mühe,
mein Lachen zu unterdrücken, wenn ich diese zum Theil
weissbärtigen Leute sich solch läppischem Treiben hingeben
sah) und nachdem sie (nach ihrer Meinung und Aussage)
70,000 Mal Lah ilaha il al Lah ausgerufen hatten, setzten
sie sich nieder, ein langes Gebet wurde gesprochen und der
Segen auf Muley Thaib und alle seine Nachkommen herabgefleht
bis auf Sidi-el-hadj-Absalom, welcher als mula el uokt,
Mann der Stunde, bezeichnet wurde. Schliesslich wurden
noch verschiedene Privatsegen erfleht und unter Anderem
waren sie zuvorkommend genug, auch für mich den Segen
zu meiner bevorstehenden Reise nach Tripoli zu erflehen.
Als alles beendet war, kam der Mkadem zu mir und fragte,
ob es nicht hübsch wäre und ob sie es gut verständen,
Muley Thaib Ehrfurcht zu erweisen (die hiesigen Araber
sagen iducker Muley Thaib, iducker el nebbi, Muley Thaib
befruchten, den Prophet befruchten, da iducker eben so von
den Dattelpalmen gebraucht wird, doch müssen wir es in der
Bedeutung von Ehrfurcht erweisen nehmen. Ich erwiderte
ihm, dass in Marokko die Fkra Muley Thaibs nicht zu iduckern
pflegten, wohl aber die Aissauin und andere religiöse Sekten,
dass sie es indess gut verständen und der Hadj Absalom in
Uesan sicher zufrieden sein würde, zu vernehmen, dass man
seine Vorfahren so hoch in Ehren halte.
Der Schantat hatte mir zwar bedeutet, mich am 12.
Dezember früh Morgens bereit zu halten, es wurde aber 2
Uhr Nachmittags, bevor wir Rhadames verlassen konnten.
Wir hielten 100° Richtung, ohne uns an einen Weg zu binden,
da in Rhadames das Gerücht lief, einige von den Tuniser
Truppen zersprengte Araber seien bis auf den Weg nach
Derdj gekommen, um zu plündern und zu rauben. Aus diesem
Grunde nahmen wir auch nicht den Weg über Ssinaun, obgleich
derselbe bedeutend näher ist als der über Derdj. Die
Gegend, die wir durchritten, war öde, das Terrain sebchaartig,
obgleich kein eigentlicher Sebcha vorhanden war und so eben,
dass wir bis zum Abend beim Umwenden die Palmen von Rhadames
sehen konnten. Ich hatte mich schon auf einen Nachtmarsch
gefasst gemacht, denn der Schantat hatte mir gesagt,
dass wir vor Mitternacht auf keinen Ued hoffen dürften, wir
aber nicht in der offenen Ebene kampiren wollten, weil es
entsetzlich kalt war und ohne Brennholz der Marsch dem
Lager vorzuziehen sei. Glücklicher Weise stiessen wir aber
mit einer Brennholz-Karawane zusammen, die aus dem Ued
kam und nach Rhadames wollte, denn die Bewohner von
Rhadames sind genöthigt, ihr Brennholz Tage weit zu holen,