den Städten die bemittelten Leute die Leichname nach Sitte
der Christen in eine Art Sarg legen. Um aber das nach der
Rückkehr angestimmte Geheul und Gewimmer der Weiber,
die jetzt vom ganzen Ksor herbeiströmten , zu beschreiben,
dazu fehlt mir die Kraft, und noch jetzt erfüllen dieselben
die Luft mit ihren künstlichen Wehklagen. Drei Tage lang
dauert diese Höllenmusik, und nicht genug, dass sie im
Hause selbst wimmern, sobald sie nur von Weitem das Haus
des Todten sehen, fangen sie ihr Geheul an und beim Weggehen
pflegen sie eine Handvoll Sand oder einen kleinen
Stein über sich nach hinten zu werfen, ohne sich umzu-
sehen.
Obgleich wohl manchmal wahre Trauer vorkommt, so
ist das doch bei den unmoralischen Familienverhältnissen
der Mohammedaner äusserst selten. Man hat behaupten
wollen, dass bei den Mohammedanern die öffentliche Prostitution
bei weitem nicht so ausgebreitet sei wie in den christlichen
Ländern, weil Mohammed seinen Anhängern vier Frauen
zu heirathen und ausserdem noch so viele Sklavinnen zu
halten gestattet, als es die Vermögensumstände erlauben. In
der That trifft man daher selbst in den grossen Volkscentren
äusserst selten Bordelle und von allen Marokkanischen Städten
hat nur Mikenes solche, wer aber tiefer ins mohammedanische
Leben eingeweiht wird, sieht mit Entsetzen, dass die Hälfte
der unverheiratheten Weiber sich prostituirt. Durch die
Leichtigkeit nämlich, mit der sich der Muselmann unter dem
nichtigsten Vorwande von seiner Frau scheiden kann, giebt
es in jedem Dorfe, so klein es sein mag, eine grosse Anzahl
von Hadjela*) oder geschiedenen Weibern, die sich ohne Scheu
Jedem Preis geben. Der unbemittelte Mohammedaner, der
nicht zwei oder mehrere Weiber heirathen oder gar Sklavinnen
kaufen kann, entschädigt sich damit, dass er ein Weib nach
dem ändern heirathet. So kommt es vor, dass ein Mann
*) Hadjla = Wittwe.
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fünf bis sechs Frauen nach einander heirathet und verstösst;
namentlich wenn er keine Kinder mit ihnen erzeugt, wird die
Unfruchtbarkeit immer den Franen in die Schuhe geschoben
und ist ein guter Vorwand zur Ehescheidung. Manchmal
verheirathen sich auch die geschiedenen Frauen wieder und
so giebt es Kinder, die in einem Hause ihren Vater und eine
ihnen fremde Mutter, in dem anderen ihre Mutter und einen
ihnen fremden Vater haben. Ein Beispiel ist Hamed, der
älteste Sohn des Hadj Abd-el-Kader uld Bu-Guda in Ain-
Salah. Man kann sich denken, wie zerrüttend dies auf den
gesellschaftlichen Zustand einwirkt. Unsere Europäischen
Reisenden werden freilich selten dergleichen gewahr, wer aber
wie ich als Muselmann selbst betrachtet und in alle häuslichen
Sitten und Gebräuche ohne Scheu zugelassen wird, erblickt
die Dinge mit anderen Augen. Wenn daher die modernen
Lobredner der Araber behauptet haben, bei den Christen
sei die Prostitution grösser als bei den Mohammedanern, und
dabei auf die Bordelle der christlichen Grossstädte hinweisen,
dann bitte ich sie, nur nach den Hadjela der Mohammedener
zu fragen, die man im kleinsten Duar, im kleinsten Ksor antrifft
und die in keiner Hinsicht zurückhaltender sind als bei
uns die öffentlichen Frauenzimmer.
Vorgestern hatten wir einen plötzlichen Barometerfall
von acht Linien, ohne dass eine merkliche Veränderung in
der Atmosphäre eintrat. Die Nächte fangen an, kühl zu
werden, oder vielmehr sie werden es im Vergleich zu der
grossen Tageshitze, denn selbst im Schatten erreicht das
Thermometer Nachmittags immer noch über 30°, Morgens
vor Sonnenaufgang meist 15 bis 20°. Vor einigen Tagen
hat sich auch unsere nordische Schwalbe hier sehen lassen,
um hier zu überwintern, eine- andere Hausschwalbe mit unausgeschnittenem
Schwänze ist hier Winter und Sommer einheimisch.
In politischer Beziehung erkennen die Bewohner Tidi-
kelt’s den Sultan von Marokko als ihren Oberherrn an,