gedächte, und dieselben wohl nicht dieselben Rücksichten für
mich haben würden, sobald sie wüssten, dass ich ein Christ
sei. Er plauderte dann ein Langes und Breites über Paris
und seine Reise dahin, meinte aber schliesslich: „Ihr habt
zwar das Paradies auf Erden, uns ist jedoch der Himmel
bestimmt.“ Ich hütete mich wohl, ihm zu widersprechen,
denn mit Mohammedanern ein religiöses Gespräch anzufangen
oder gar disputiren zu wollen, ist eben so unnütze Mühe, als
wolle man einen katholischen Priester, der weiter Nichts
kennt als das, was man ihm erlaubt hat zu lernen, zu einer
anderen Ueberzeugung bringen. Der Mohammedaner, wenn
man ihn auch von den Vorzügen unserer Religion überzeugen
kann, schneidet jede vernünftige Vorstellung mit den Worten
ab: „Es steht im Koran geschrieben“, und da für die Mohammedaner
der Koran nicht von Menschen geschrieben ist.
sondern von Gott, der ihn Mohammed vom Himmel herabschickte,
so hört natürlich jedes Raisonnement auf, selbst
wenn sie zugestehen wollten, dass manche (man kann besser
sagen viele) Stellen im Koran offenbar verabscheuungswürdig
sind. „Wie kann das schlecht sein, was von Gott kommt?
Wer kennt seine geheimen Absichten ? Einfältiger Sterblicher,
Du willst über Gottes Worte raisonniren? Nimm sie, wie sie
Dir vom Himmel durch unseren Propheten — Gruss und
Friede über ihn! — herabgekommen sind, und das Paradies
ist vor Dir.“ So ihre Worte. Ich vermeide es daher auch
immer, über Religion mit ihnen zu sprechen oder mich in
ihre Religionsgespräche zu mischen, denn alle Mohammedaner,
selbst wenn sie nicht Schriftgelehrte sind, lieben e s , über
Religion zu sprechen, obgleich sie dabei manchmal die wunderlichsten
, diametral dem Koran entgegenlaufende Ansichten,
entwickeln. Obgleich unsere Karawanenführer auch den folgenden
Tag gern hier geblieben wären, so widersetzten wir
uns doch einstimmig, denn die Lebensmittel fingen an, bedeutend
abzunehmen, namentlich merkte ich, dass mein Mehl-
und Fettvorrath auf keinen Fall ausreichen würde. Ich hatte
unter den Tuareg gefragt, ob kein Weizen zu verkaufen wäre,
ohne jedoch solchen zu finden; sie leben die meiste Zeit nur
von Datteln und Milch. Meine Datteln hatten indess noch
nicht so viel Abgang gefunden (ich hatte von Tidikelt über
2 Centner mitgenommen), da die Marokkaner, meine Kostgänger
, selbst einen Vorrath davon hatten, und dieselben
reichten zur Noth bis Rhadames*) aus.
Um 9 '/4 Uhr brachen wir auf und verfolgten eine Stunde
lang den Lauf des Sklaven-Flusses, auf den wir '/4 Stunde,
nachdem wir das Bett des l’Ued Schich verlassen hatten,
stiessen. Dieser Sklaven-Fluss oder l’Ued el-Abid kommt
ebenfalls von Süden und ergiesst sich dann in den Rothen
Areg. Von da a n , wo wir auf ihn stiessen und mit ihm
gingen, hat er nordöstliche Richtung, biegt jedoch dann
wieder nach Norden um , bis er sich in die Sandberge ergiesst.
Unsere Richtung war auch heute die von 75°. Diese
Flüsse sind ungemein von Gazellen bevölkert, die manchmal
heerdenweise vor uns flohen, jedoch ohne Windhund war an
Jagd nicht zu denken. Gegen Süden haben wir den ganzen
Tag eine endlose Aussicht. Im Norden entfernt sich die
Areg-Kette in einem weiten Bogen, dessen linker Schenkel
jedoch Abends wieder dicht an unseren Weg herantritt. In
der Ebene bemerkte ich heute zwischen den anderen Gesteinen
eine Menge schwarzer Basaltsteine, mitunter selbst
grosse lange Säulen, obgleich die nächsten Berge doch
nur Sandstein- und Kalkformation zeigen. Um 5 Uhr mit
Sonnenuntergang lagern wir am l’Ued Daya-ben-Abu, dicht
am Areg.
*) Trotzdem auf allen Karten Ghadames steht und die Europäer
es auch so aus3prechen, schreibe ich dennoch Rhadames gemäss der
Aussprache der Einwohner und auch um konsequent zu s e in , denn
sonst müsste ich Gharb statt Rharb, Inghar statt Inrhar, Ighaghar
statt Irharhar, Ghat statt Rhat u. s. w. schreiben. Alle diese Wörter
schreiben sich mit dem Arabischen ^ , welches so ausgesprochen wird
wie ich es niedergeschrieben habe.
Rohlfs, Reise. i «