In Rass oder Oerian-Rass erhielten wir den zuzorkom-
mendsten Empfang, sobald die Eingebornen erfahren, dass
wir von Uesan kämen. Frische Datteln, Pastinaken, Buttermilch
und Kuskussu wurden in Fülle herbeigeschafft und
unsere Begleiter waren so entzückt über diesen Empfang,
dass sie bis zum L’asser (4 Uhr Nachmittags) zu bleiben
beschlossen, obgleich Brinken, unser erstes Reiseziel, nur eine
gute halbe Stunde von hier entfernt war. Ich musste mich
fügen, hatte ich doch längst gelernt, meinen eigenen Willen
hinter den der ganzen Karawane zurückzusetzen; Geduld ist
eine der ersten Tugenden, die der unter Arabern Reisende
sich aneignen muss. Oerian-el-Rass, ein Ksor mit zerstreut
liegenden Häusern, hat ungefähr eine Bevölkerung von 800
Seelen. Der Ksor liegt mitten zwischen hohen Sanddünen,
die auf kalkigem und thonigem Boden fussen, zahlreiche
Quellen entspringen überall und ermöglichen die Dattelzucht;
man muss wohl annehmen, dass irgend ein unterirdischer
Fluss von Norden nach Süden hingeht, der die Quellen,
Fogara genannt, nährt.
Endlich wurde meine Ungeduld befriedigt,. wir brachen
nach dem nicht fernen Brinken auf, dessen Häuser man von
Oerian-Rass aus erblickt und das nur eine halbe Stunde in
südöstlicher Richtung entfernt liegt. Ich hatte einen Empfehlungsbrief
an den Schich dieser S ta d t, der zugleich Schich
von ganz Tsabit ist; man hatte mir aber vorher schon gesagt,
dass er sehr ungastlich sei und selbst auf einen Brief Sidi-
el-Hadj-Absalom’s hin mir eben nicht den zuvorkommendsten
Empfang bereiten würde. Dennoch beeilte ich mich, sobald
ich mein Gepäck hatte abladen lassen, ihn aufzusuchen und
ihm meinen Empfehlungsbrief zu übergeben. E r ist ein
schon ältlicher Mann, Namens Mhamed ben-Mikki, er begnügte
sich mit einigen leeren Phrasen und schickte dann einen
seiner Diener mit mir, mit dem Befehl, mich in das Haus der
Sauia Karsas einzuquartieren. Darauf beschränkte sich seine
ganze Gastlichkeit.
Heute, am 15. August, haben wir Mulud oder das Geburtsfest
des Propheten. Gestern, die ganze Nacht hindurch,
sprach unaufhörlich das Pulver, wie die Araber sagen, und
auch ich liess durch meinen Burschen einige Schüsse thun, um
mich als gläubigen Muselmann kundzugeben. Der Kadi von
Brinken, der mit uns gekommen, hat mir, wie vorgestern Abend,
so gestern Gastfreiheit erwiesen. Der Schich aber thut nichts für
uns, ausser dass er versucht hat, seine Mitbürger glauben zu
machen, wir kämen gar nicht von Uesan, der Brief sei ein
verfälschter, vielleicht von mir geschriebener. Dieses Mittel,
sich wegen seiner Ungastlichkeit in den Augen der Leute
reinzuwaschen, hat ihm aber nichts geholfen, denn die Leute,
die mit uns von Karsas gekommen, der Kadi Brinken’s an
der Spitze, denen allen der Schich von Karsas mich so dringend
empfohlen hatte, bezeugten, ich sei wirklich von Uesan,
der Empfehlungsbrief von der Hand des Grossscherif geschrieben
und ich ein Abkömmling vom Hause der Abbas-
siden. (Für einen solchen gebe ich mich vom l’Ued Ssaura
an aus.) Dessen ungeachtet mussten wir uns gestern Abend
hungrig zu Bette legen, indem der Kadi geglaubt h a tte , der
Schich würde mir das Abendessen senden, indess dieser auf
den Kadi gebaut hatte. Um 11 Uhr Abends kam dann noch
gestern der Vetter des Schich , brachte tausend leere Entschuldigungen
vor, unter anderen, dass der Schich in offener
Feindschaft mit den Timmis und Tidikels s e i, für die ich,
wie er erfahren, ebenfalls Empfehlungsbriefe mitbrächte, versicherte
indess, dass es mir nun an nichts fehlen würde. Bis
jetzt habe ieh indess noch nichts wieder von ihm gehört und
der Kadi sorgt nach wie vor für mich, sobald er gehört hatte,
wie man mich behandelte. Auch habe ich einen Vetter von
Tafilet getroffen (einen der Beni Mhamed, die sich Abkömmlinge
der Koreschiten nennen, daher unsere Vetterschaft, denn
el-Abbas, der Oheim Mohammed’s , war ebenfalls Koreschit),
der Stein und Bein schwört, dass ich ein Scherif aus seiner
grossen Familie sei und dass, wenn man mir etwas zu Leide