Ungläubigen zu tödten, um dafür das Paradies zu erlangen,
so geschieht es nur aus Furcht vor dem strengen Gesetze.
Die Franzosen hätten längst wie die Engländer in Nord-
Amerika mit den Eingebornen verfahren sollen, nämlich dieselben
zurückdrängen, dann wäre Algerien heut zu Tage ein
ruhiges, nur von Europäern bewohntes und kultivirtes Land.
Man wird dies vielleicht hart finden und barbarisch und mit
den civilisirten Grundsätzen unserer Epoche nicht übereinstimmend.
Vom Zimmer aus und von Weitem sind die Dinge
jedoch ganz anders anzuschauen als in der Nähe, und noth-
wendiger Weise wird es bis zum letzten Tage immer Völker
geben, die zum Besten der allgemeinen Menschheit den
anderen Platz machen müssen. Vor allen Dingen sollten die
Franzosen bis an den l’Ued Ssaura vorrücken und ihn mit
allen seinen Nebenflüssen nehmen, was auch die Unterwerfung
Tuats zur Folge haben würde. Denn von hier aus
werden ihnen die meisten Ränke und Umtriebe geschmiedet,
und so lange sie nicht diese natürliche Grenze innehaben,
ist im Süden der Provinz Oran an keinen dauerhaften Frieden
zu denken.
Ein heute, am 31. Juli, Nachmittags um 1 >/2 Uhr in
die Sonne gestelltes Thermometer zeigte 69°, im Schatten
hatten wir um dieselbe Zeit 41°. Dem Chef der Säuia habe
ich heute 15 Francs zum Geschenk bestimmt und werde ihm
dieselben diesen Abend überreichen. Diese Summe ist zwar
nicht gross, aber da ich ja Empfehlungsbriefe an ihn hatte,
wäre ich gar nicht genöthigt gewesen, ihm Etwas anzubieten,
und diesen Leuten ist Geld immer willkommen, wenn es auch
noch so wenig ist; ein Geschenk in klingender Münze ist
ihnen angenehmer als ein anderes, hätte es auch den doppelten
oder dreifachen Werth.
Karsas liegt, wie schon gesagt, am linken Ufer des
Ssaura, der hier nur nach den stärksten Regengüssen des Winters
an der Oberfläche Wasser führt, während er unterirdisch
das ganze Jahr hindurch Wasser hat, wie ein feuchter Sandstreifen
im Bette des Flusses selbst andeutet. Das Wasser
in den Brunnen und Hassi findet sich auch überall m geringer
Tiefe. Der Ort selbst ist als heilige Saum ohne Mauern,
die Häuser sind wie die aller Ksors aus Thon gebaut, ie
Moschee ist gross und inwendig weiss angestrichen, ein etwa
25 Meter hohes Minaret zeichnet sie aus. Karsas kann mit
den Sklaven etwa 2000 Einwohner haben und ist in allen
Beziehungen Hauptort des l’Üed Ssaura. Die Kultur ist wie
am ganzen Flusse Dattelzucht; und zwar gedeihen hier dieselben
Sorten wie in Tafilet und ausserdem eine andere vorzügliche
Art, benut es-Schürg genannt, die nur am hiesigen
Flusse gezogen wird. Auch baut man etwas Weizen und
Gerste, Sudan-Hirse oder Bischna (auch Doghna genannt)
und Baumwolle, deren Staude eine ausserordentliche Hohe
erlangt; ferner von Gemüsen: Pastinaken, Melonen und e -
was Kohl. Ausserdem gedeihen noch der Rothe Pfeffer und
Granatäpfel. ,
Der Schich zeigte sich zufrieden mit meinem Geschenk
und hatte offenbar gar keines erwartet; er gab mir die Versicherung,
dass ich Ende dieser Woche mit einer zu der Zeit
hier eintreffenden, von üschda kommenden Karawane aui-
brechen könne. Mein Diener, den ich gestern Abend spat
ausgeschickt hatte,- um einzukaufen, wäre beinahe ein Opfer
der Nacht geworden. Er wurde von zwei bewaffneten Männern
überfallen, die ihn bis aufs Hemd ausplünderten, trotzdem
dass er betheuerte, er sei Scherif und Gast des Schich (ich
hatte ihm erlaubt, sieh seiner eigenen Sicherheit wegen ebenfalls
als Scherif auszugeben). Spät in der Nacht kam er
baarfuss und im blossen Hemde zu mir zurück. Es war zu
spät, um noch zum Schich zu gehen, und schon vor Sonnenaufgang
stellten sich die Spitzbuben selbst ein und baten um
Verzeihung, indem sie sämmtliche entwendete Gegenstände
zurückbrachten; wahrscheinlich hatten sie Erkundigung eingezogen
und in Erfahrung gebracht, dass sie es nicht mit
ganz schutzlosen Fremden zu thun hatten. Ich habe ihm