religiösen Fanatismus oder der Besorgniss um ihr Handels-
Monopol — denn sie sagen sich: Falls einmal die Christen
ungehindert nach dem Sudan gehen können, so sind es nicht
wir, welche die Waaren von dort herbringen, sondern sie
selbst werden sie holen, — genug, ich dachte, für meine
Rückkehr sei es gut, diesen Leuten Sand in die Augen zu
streuen.
Wir selbst brachen um 9 Uhr auf und erblickten in
gerader Ostrichtung nach einer halben Stunde das kleine
weisse Fort, das die Türken in den letzten Jahren auf einer
Westanhöhe vor der Stadt errichtet haben. Wir passiren
mehrere Sebcha, um 12 Uhr Sebcha Boka, und nachdem wir
das Ufer erstiegen, sehen wir nördlich von dem hohen Berge,
der uns die Aussicht auf Rhadames selbst abschneidet, den
Rand des Palmengartens, der die Stadt umgiebt. Schon
kommen uns die Leute entgegen, die ihre Verwandten be-
grüssen wollten; die Leute unserer Karawane hatten alle ihre
besten Kleider angezogen, Freudenschüsse wurden wechselseitig
abgefeuert und um 2 Uhr hielten wir vor den Thoren
der Stadt, dicht bei den Ruinen eines alten Römischen Gebäudes,
inmitten von Tuareg-Zelten und Tuareg-Hütten. Ich
fand daselbst schon die Leute des Intendanten mit meinem
Diener und dieselben führten mich in die Sauia Muley Thaib.
So habe ich denn etwas ausruhen können, obgleich an
Bequemlichkeit in dieser Wüstenstadt, die wie eine Insel
mitten im Meere hier in der Ilammada liegt, nicht zu denken
ist. Das alte Cydamus der Römer muss schon zu ihrer
Zeit eine bedeutende Stadt gewesen sein, jedoch suche ich
mir vergebens die Ursache zu erklären, warum dieselben
so weit in die Wüste drangen, da die Stadt, vollkommen
isolirt von allen bewohnten Gegenden, keine Bedeutung als
strategischer Punkt haben kann. Oder sollte der Handel
die Römer hierher gelockt haben? Das ist auch wohl kaum
anzunehmen, da zu jener Zeit eine kommerzielle Verbindung
mit dem Sudan durch die Wüste wohl selten oder noch gar
nicht Statt fand. Die Moscheen ruhen, wie ich mich selbst
überzeugen konnte, inwendig sämmtlich auf Römischen Säulen,
die jedoch ohne Ordnung durch einander aufgestellt sind, hier
eine Dorische neben einer Korinthischen, dort eine Ionische
neben einer Dorischen u. s. w.
Da Rhadames hinlänglich beschrieben worden is t, will
ich nur so viel bemerken, dass jetzt eine kleine Türkische
Garnison sich in Rhadames befindet. Als die Franzosen unlängst
mit grossem Gepränge nach Rhadames kamen, um den
Vertrag mit den Tuareg abzuschliessen, glaubten die Einwohner,
sie hätten die Absicht, sich der Stadt zu bemächtigen,
und baten deshalb selbst das Türkische Gouvernement, ihnen
eine Garnison zu schicken. Die Türkische Oberherrschaft ist
selbst erst seit ungefähr 20 Jahren in Rhadames etablirt.
Früher war der Ort unabhängig und da gab es denn häufig
Krieg unter den verschiedenen Parteien in der Stadt. Sie ist
sehr bevölkert und die Bewohnerzahl wächst noch immer; da
nun die Leute nicht in die Gärten hinein bauen wollen, da
sie eben nicht zu viel brauchbares Land besitzen, so sind
die Häuser sehr hoch und die engen Strassen überbaut, so
dass man am hellen Tage Mühe h a t, darin herumzugehen.
Die Stadt bezahlt als Abgabe dem Türkischen Gouvernement
35,000 Duro oder 175,000 Francs jährlich. In der Regel befehligt
ein Bascha die Stadt, zu meiner Zeit jedoch war derselbe
in Tripoli und sein Stellvertreter, der Hakem Hamed-
Effendi, besorgte die Verwaltung. Ich war mehrere Male bei
ihm und muss sagen, dass er mich stets sehr artig empfing.
Es ist dieser Tage die Nachricht hier eingetroffen, dass
die Schaamba und Bewohner von Ssuff vereint nach Tidikelt
aufgebrochen sind, um sich für den neulichen Einfall der
Uled Bu-Humo zu rächen; gut, dass unsere Karawane ihnen
nicht in die Hände gefallen ist, denn die hätten uns wohl
schwerlich passiren lassen.
Rohlfs, Reise. 12