Am 23. Dezember traten wir um 7 y 2 Uhr in 45° Richtung
unseren Weg au. Wir passirten noch einige von den
Goa-Sidi-Abd-er-Rhamans und um 9 Uhr auf dem höchsten
Punkt des Gebirges angekommen, erblicken wir in der Entfernung
die Oelwälder. Eine halbe Stunde später passirten
wir den Ued Sufedjin, der nach den Aussagen des Schantat
ungefähr 3 Stunden weiter westlich entspringt und sich ins
Meer ergiessen soll. Wir Hessen Rjebahn jetzt links liegen
und befanden uns um 12 Uhr mitten in einem zerrissenen
Gebirge. Wir gingen nun, so weit es das Gebirge erlaubte,
gerade nordwärts. Wie freute sich mein Herz an der schönen
Natur, bewaldete Berge ein Mal wieder zu sehen, war mein
Weihnachtsfest. Konnte ich den heiligen Festtag auch nicht
in Tripoli zubringen, so sah ich doch Menschen, Dörfer,
Bäume, geackerte Felder, Rindviehheerden. Welch’ Genuss,
wenn man so lange nichts von allen diesen Gegenständen
gesehen hat! Um 3 Uhr passirten wir den Mel-el-Garun,
der in den Sufedjin fliesst, Hessen um 3 '/2 Uhr das Dorf
Amian links Hegen und kamen um 4 y a Uhr bei dem Höhlendorf
Uled-bel-Gassem an.
Unsere Kameele wurden schnell einquartiert, nachdem
sie abgeladen waren, und dann reinigte man für uns selbst
eine Höhle und lud uns ein , es uns bequem zu machen.
Ich wollte Anfangs der vielen Flöhe wegen draussen kampi-
ren, denn diese Schmarotzer fangen hier wieder an, während
man im Inneren von Afrika gar keine an trifft; um jedoch
nicht unsere Wirthe zu beleidigen, musste ich mich fügen.
Die Höhle, die nur einen niedrigen Eingang h a tte , war inwendig
geräumig und hoch, von länglich ruuder Form und
wurde mittelst einer Oellampe erleuchtet. Man tischte uns
el-asseda auf, ein Gericht, das den Tripolitanern dasselbe ist,
was den Bewohnern Murocho’s und Algerien’s der Kuskussu.
El-asseda*) besteht aus Gerstenmehl, welches wie die Italie*)
Ein anderes Tripolitanisches National - Gericht ist Sesometa,
aus Mehl und Datteln gemisclft.
nischen Polenta zubereitet wird, das ganze schwimmt in einer
rothen, stark gepfefferten Oelsauce. Aber welch’ Weihnachtsabend
bei diesen Toglodyten-Völkern! Indess konnte ich
mir doch auch einen Genuss verschaffen: eine Tasse Kaffee.
Als ich meinen Kaffeesack recht umdrehte und ausschüttelte,
fand sich dass noch ein Paar Theelöffel voll Kaffee herausfiel;
Zucker hatte ich schon lange nicht mehr.
Die grosse Mehrzahl der Bewohner Siutan’s wohnen in
Höhlen, doch giebt es auch einige Dörfer; ganz Siutan hat
über 50 Dörfer, theils ü b e r , theils unter der Erde. Die
Gegend ist gut angebaut, das Land fruchtbar. Hauptprodukte
sind Oel und Feigen, beide finden einen starken Absatz nach
Tripoli hin. Die Bewohner, Araber, sind stark und robust,
im Verhältniss zu den übrigen Mohammedanern arbeitsam,
jedoch sind sie entsetzlich schmutzig. Früher immer im Kriege
unter sich, dann gegen die ehemalige Regierung der Kara-
manlis, haben die Türken sie zu besiegen gewusst, und jetzt
herrscht überall Ruhe im Lande. Sie zeichnen sich durch
grosse Gastfreiheit aus.
Obgleich man uns halten wollte und der Schantat auch
nicht abgeneigt schien, die el-asseda nochmals mit den Höhlenbewohnern
zu theilen, brach ich auf. Es war freilich schon
spät geworden und an Heruntersteigen vom Berge war deshalb
nicht mehr zu denken, jedoch konnte ich bis an den
Nordrand des Gebirges kommen und dann am anderen Morgen
früh hinabklimmen. Um 9 '/2 Uhr traten wir in NO.-
Richtung unseren Marsch durch schön bebautes Land an.
Nach einigen Minuten kreuzten wir uns mit der grossen
Pilger-Karawane, die zu Fuss über Benrhasi nach Mekka
wollte. So gross wie in den früheren Jahren war sie zwar
nicht, da jetzt die Pilger den Weg zur See vorziehen, indess
mochten es immerhin noch ein Paar Hundert sein. Wir
wünschten uns gegenseitig Glück auf den Weg und bald
waren wir wieder allein.
Der Schantat war Geschäfte halber zurückgeblieben und