abzulenken, gingen Muley-Hamed und ich sofort nacli der
Grabstätte des Heiligen Sidi Ali-ben-Hamed. Hier vor dem
Grabe niederknieend betete Muley-Hamed einige Suren aus
dem Koran, dachte dabei aber wahrscheinlich an die Flasche
Schnaps, die ich ihm nach glücklicher Besteigung des Berges
zu kaufen versprochen hatte. Dann gingen wir ins Dorf
selbst und stiegen in der Jemma ab. Unsere Ankunft, zumal
das Englische Sattelseug meines Pferdes hatte dort schon die
ganze Bewohnerschaft des Dorfes versammelt, aber Niemand
sagte mir nur Ein unanständiges Wort, da sie mich in Begleitung
des Cousins Sidi-el-Hadj-Absalom’s sahen und da sie
vermutheten, dass wir nur gekommen wären, die Grabstätte
ihres Heiligen zu besuchen, wie das hier ähnlich wie in den
katholischen Ländern sehr gebräuchlich ist. Nachdem ich
mich etwas erholt und sich auch glücklicher Weise das Wetter
gebessert hatte, nahm ich Barometer, Fernglas und Revolver,
um den Gipfel des Berges zu ersteigen. Ein Dorfbewohner,
noch dazu Scherif, bot sich an, mich zu begleiten, was ich
annahm. Fast war es mir jedoch unmöglich, den Gipfel zu
erklimmen, die Steilheit des Berges, der glatte Boden, das
manchmal undurchdringliche Unterholz, dazu die lästige Kleidung,
welche die freie Bewegung des Körpers hindert, waren
mehr als genug, um einen Anderen, nicht an dergleichen
Gewöhnten umkehren zu machen. Es kamen Stellen, wo wir
manchmal auf allen Vieren kriechen mussten, um uns einen
Weg durch das dicht verwachsene Gebüsch zu bahnen. Endlich
jedoch wurden unsere Mühen und Beschwerden belohnt,-
wir erreichten die grosse Mauer, die den Berg krönt und die
nach der Aussage meines Begleiters von den Christen herrühren
soll, wie denn die Bewohner sämmtliche alten Bauten
den Christen in die Schuhe schieben. Meiner Meinung nach
rührt dieselbe weder von den Römern noch von christlichen
Völkern her, sondern ist wohl bloss der Ueberrest eines
Wartthurms, den die Araber hier in der Zeit ihrer Glanzperiode
bauten. Was soll ich noch von der bewundernswerthen
Aussicht sagen, die man von dem Gipfel aus geniesst? Wie
man vom ganzen Rharb aus überall diesen kolossalen Berg
erblickt, so übersieht man von ihm aus den ganzen Rharb,
im Westen vom weiten Ocean begrenzt. Da ich höchst
wahrscheinlich der erste Europäer war, der diesen Berg bestiegen,
so feuerte ich sechs Mal meine Pistole ab, was den
Scherif, der mich begleitete, nicht wenig verwunderte, indem
er sich nicht erklären konnte, wie sechs Schüsse nach einander
aus Einem Laufe herauskommen konnten. Kurz vor
Sonnenuntergang erreichten wir das Dorf. Hier erwartete
uns ein reichliches Mal, aus mehreren verschieden zubereiteten
Kuskusschüsseln bestehend. Ich hatte grosse Sorge für unseren
kleinen Sklaven, da die Bewohner sehr diebisch sind und ihn
leicht hätten stehlen können. Kam es doch neulich vor, dass
die eigenen Leute des Scherif ein Kind, noch dazu ein weisses,
stahlen und es an die Bergbewohner von Beni Msara für den
Spottpreis von einem Duro (5 Francs) verkauften. Wir liessen
aus Vorsicht den Sklaven in der Jemma selbst schlafen,
während wir Anderen in der Veranda ausserhalb derselben
blieben, um nicht gar zu sehr von dem Ungeziefer geplagt
zu werden.
Am folgenden Morgen machten wir uns um 5 Uhr gegen
Süden auf den Weg. Man kann sich keine herrlichere Gegend
denken als diess üppige Gebirgsland, wo jeder Fleck angebaut
ist und doch Alles dem Auge wild erscheint, denn hier giebt
es keine Hecken, keine Einfriedigungen wie bei uns; hier Getreide
und Bohnen, dort Feigen und Wein mit Oel vermischt,
Alles bunt durch einander, und jeder Gipfel von einem Dorfe
gekrönt wie in der Grossen Kabylie. Dazu überall Wasser
und die Quellen auch wie in der Kabylie überall von zierlichen
Ueberwölbungen gegen die Sonne geschützt. Bald jedoch
hatten wir das Gebirge hinter uns und befanden uns nun in
einem fruchtbaren, überall angebauten, wellenförmigen Land.
Gegen 9 Uhr Morgens hatten wir den l’Ued Mda erreicht,
der aus demselben Gebirge etwa in der Breite von Uesan