besuchen, der ganz am entgegengesetzten Ende wohnt. Diese
grosse Stadt, die jetzt noch über 2600 Häuser und etwa
30,000 Einwohner zählt, muss einst bedeutend grösser gewesen
sein, wie man aus den zahlreichen noch vorhandenen Moscheen
schliessen kann. Ich habe nicht erfahren können, was ihr
den Zorn des Sultan Muley-Ismael zuzog, genug dieser, zerstörte
sie fast gänzlich und seit der Zeit hat sie sich nie
wieder recht erholt. Als Centralpunkt jedoch herrlich gelegen,
wird sie gewiss bald wieder einen bedeutenden Rang einnehmen,
sobald das Marokkanische Reich einst den Europäern
geöffnet sein wird. Die jüdische Bevölkerung mag sich auf
120 Familien belaufen, sie wohnen hier nicht wie in den
anderen Städten im Inneren in der Milha oder einem abgeschlossenen
Viertel, sondern vermischt mit den Gläubigen
wie in den Hafenstädten. Entsetzlich langweilig sind die
Abende, da ich gezwungen bin, den Thee bei Si Yussuf Tlemgani
zu mir zu nehmen. Aus Mangel an Unterhaltung amüsirt
man sich mit kindischen Spielen oder singt in Begleitung der
Gimboi (einer Art Guitarre mit 2 Saiten), oder man macht
schlechte Witze, zu denen man gezwungenermaassen lachen
muss.
Das Wetter hat endlich einen heiteren Character angenommen
und das Barometer, das am ersten Tage auf 74,3
gefallen war, steht jetzt auf 76,u . Die Temperatur ist des
Morgens und Abends immer noch kühl, steigt jedoch selbst
an diesen regnerischen Tagen in den ersten Nachmittagsstunden
gegen 25° C. Ich war heute am l’Ued Kuss, das
Wasser hat bedeutend abgenommen, ist indess immer noch
nicht passirbar. Zum Flusse führt in südwestlicher Richtung
eine breite gepflasterte Strasse, beiderseits von den üppigsten
Gärten eingefasst. Die hiesige Gartenzucht legt sich besonders
auf Aepfel, Melonen und Pistacien, obgleich auch alle anderen
Früchte und Gemüse gedeihen. Man fängt auch an, wie in
Arbat und Tetuan, Baumwolle zu pflanzen, und erreicht gute
Resultate. Eigenthümlich ist die Vorliebe der Störche für
diese Stadt, auf manchen Häusern sieht man drei Nester, sogar
auf den Bäumen in den Gärten findet man solche, eben
so auf den meisten Minarets, deren ich heute 34 zählte. Man
könnte daraus auf die Zahl der Moscheen schliessen, allein es
giebt wohl noch eine eben so grosse Zahl ohne Minarets, wenn
gleich die meisten verlassen sind oder doch nur noch bei besonderen
Gelegenheiten benutzt werden. Wie weit der Europäische
Einfluss jetzt schon hier geht, ersieht man an Si-ben-Allel.
Dieser Mann, sehr begütert namentlich an Rindvieh und
Schafen, war im Begriff, vom Sultan ausgeplündert zu werden,
und zu'dem Ende schon in Haft, um sich gegen eine starke
Summe frei zu kaufen, als er sich unter Französischen Schutz
begab, und jetzt wagt kein Mensch, ihm Etwas anzuthun.
Den ersten Ostertag war ich Mittags beim ehemaligen
Konsul Abd-el-Kader’s in Oran, Si-Mhamed, der jetzt Marokko
bewohnt und ein reicher, angesehener Mann ist. Mittwoch
am 30. erlaubte mir endlich das Wetter aufzubrechen. Dei
l’Ued Kuss war noch so angeschwollen, dass die Pferde in
der Barke übergesetzt werden mussten, dann nahm ich meinen
Weg auf Sidi-Cassem zu in gerader südlicher Richtung. Nach
einem dreistündigen Ritt erreichten wir die ersten Voiberge
jenes Gebirges, das südlich vom l’Ued Kuss läuft und in
engem Zusammenhänge mit den Gebirgszügen des Rif und
den Bergen Schaun’s, Tetuan’s und C'euta’s steht. Bald waren
wir mitten im Gebirge, indem wir uns ohne Weg in südöstlicher
Richtung-gegen den Djebel Ssur-Ssur hin bewegten,
welcher der Knotenpunkt der Gebirgskette ist. Das schönste
Wetter begünstigte uns und die herrliche Natur um diese
Jahreszeit in üppigster Pracht begeisterte meine Pferdetreibei
fortwährend zum Singen. Jedoch konnten wir uns nur langsam
fortbewegen, da der Boden manchmal grundlos war. Ueberaus
gut bewässert, obgleich die grösseren Bäche, namentlich
der l’Ued Milha, wie schon sein Name andeutet (milha = Salz),
meistens salzhaltig sind, bringt die Gegend Alles hervor, was
sich der Mensch nur wünschen kann. Wein, Oel, Feigen,