auf folgende Weise: die Brut erhebt sich aus den Kiemenfachern, gleitet im Eiergange
nach hinten, bis zu dessen Mündung,- und wird dort abgesetzt; bei den Ano-
donten sind es die Schleimfäden, welche mit den jungen Muscheln sehr langsam, zu
beiden Seiten, abgehen; bei den Unionen aber die Massen, welche, durch das Zusammenziehen
der Schale, mit Gewalt ausgestofsen werden. Ich habe diese oft in
dem Augenblicke geöffnet, da solche im Gebären begriffen waren, und gefunden,
dafs die zunächst zu gebärenden Massen, anstatt dafs sie früher in senkrechter Stellung
in den Fächern ruhten, jetzt in einer wagerechten Lage in dem Eiergange
steckten, Und zwar so, dafs der breite Theil, welcher in den Fächern nach oben
gekehrt, jetzt nach der Mündung gerichtet war. Der Schleim, welcher bei den
Anodonten als Fäden, bei den Unionen aber als Bindungsmittel der Massen, die
Brut begleitet, scheint dieser sowohl zum Schutze, als ersten Nahrungsmittel zu dienen,
und erst wenn dieser nach und nach aufgelös’t ist, tritt die junge Muschel ins
freie Leben.
Die Fortpflanzungsfälligkeit der Muschel beginnt etwa im 3 — 5. Jahre ihres
Alters *).
Die Taf. III. Fig. 1. abgebildete junge Muschel erhielt ich trächtig und sähe
sie gebären. Die Uniones gebären in den Monaten April, Mai und Junius, die
Anodontae hingegen in den Monaten September, October, November; doch ist
hierbei die Temperatur der Jahreszeit nicht ohne Einflufs; so erhielt ich von jenen
auch schon gegen Ende März, von diesen aber bis Ende December Junge. Ihre
Fruchtbarkeit ist unglaublich grofs, und steht mit der Gröfse und dem Alter der
Muschel im Verhältnisse; bei einer der gröfsten, ausgewachsenen Anodonten fand
ich in den beiden oberen Kiemen, durch eine künstliche Zählung, vierhundert t a u send
junge Muscheln **); zugleich entwickelten sich auf’s Neue Eier im Eierstocke,
und es L daher wahrscheinlich, dafs die Muscheln mehr als einmal im Jahr gebären.
O Bei mehreren völlig ausgewachsenen Muscheln fand ich zu allen Jahreszeiten den Eierstock ohne
E ie r , so wie die Kiemen ohne Brut. T reviranus machte -dieselbe Bemerkung, und stellte defs-
halb die Frage auf: ob diefs vielleicht unbefruchtete Individuen seyen. (Zeitschrift für Physiologie
S. 39)
V o n diesen, aus den Kiemen genommenen, Muscheln wogen 1000, nachdem sie völlig trocken
waren, nur -§- Gran; folglich würde eine Million Muscheln nicht über ein Loth wiegen.
Was ich im Obigen über die Fortpflanzung der Muscheln mitgetheilt habe,
beruht auf eigenen Erfahrungen und ■ vielfach wiederholten Beobachtungen; dennoch
sehe ich wohl ein, dafs noch Vieles zu thun übrig bleibt; es würde mich daher
ungemein freuen, wenn gelehrte Anatomen und Physiologen diesen Gegenstand ferner
ihrer Aufmerksamkeit werth halten, und die Resultate ihrer Forschungen, zur
Belehrung, öffentlich mittlieilen wollten!
§• 4.
B i l d u n g d e r S c h a l e .
Wir haben in dem vorigen §. den ersten Muschelkeim im Eierstocke aufgesucht,
in allen Entwickelungsstufen beobachtet, und als junge, mit einer Schale
versehene, Muschel bis zu ihrem Austritt in ein selbstständiges Leben begleitet. Eine
weitere Verfolgung war unmöglich, und so müssen wir nun zu dem kleinsten, in der
freien Natur aufgesuchten, Individuum übergehen (Taf. II. Fig. 15. e.). Hier finden
wir die Schale der eben geborenen Muschel (Fig. 15. e. * .) als äußerste Wirbelspitze
wieder (Fig. 15. e. *. von welcher, gleichsam als dem Grundsteine, der
weitere Bau der Schale ausgeht. Sie besteht aus einer schon im Eie gebüdeten,
in zwei Hälften getheilten, Hohlkugel,. an deren innere Fläche Sich eine zweite,
dritte, und so alhnälig mehr Lamellen anlegen, bis der Bau vollendet ist *).
Als Baumateriale dient der auf der ganzen Oberfläche des Mantels ausschwiz-
zende kalkhaltige Saft, welcher allmälig zur Schalensubstanz, dem sogenannten Perlmutter,
erhärtet. Mit dem Wach stimme des Thiers hält der Schalenbau gleichen
Schritt’; nimmt jenes an Umfange zu, so erweitert sich auch der Umfang von dieser,
'und zwar in der Art, daß die zuletzt aufgelegte Lamelle unter der vorletzten
vorsteht, und jedesmal den äußersten Rand der Schale bildet. Das Geschäft des
Schalenbaues überhaupt ist dem Mantel zugetheilt, die Vergrößerung der Schale
aber insbesondere demjenigen Theile, der außerhalb den Gränzen des Kreismuskels
*1 Hier findet die leh r e des Herrn Professor C auus Anwendung, wenn e r sagt: „ I n der Kugel-
form fangen alle Thie rMrp er, als E i , an; so. ist die Hagel, eigentlich Hohlkugel, die Grundge-
"s ta lt aller Schaalenbildung etc,“ S. üesseu Vorwort zu B uookes’ Anleitung zur. Conchylienlehre.
S. XXVIII.