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Man kann das Ei erst nach Ablösung des Bauchfelles aus dem Eierstocke nehmen,
und folglich nie in seiner natürlichen, ungestörten Lage untersuchen.
Mir gelangen nun zu der zweiten, nicht minder interessanten, Entwickelungsperiode
in den Obern Kiemen oder Brutliältern. Bevor wir aber diese in nähere
Betrachtung ziehen, ist noch die mehrfach bestrittene Frage: a u f we l c h e W e i s e
g e l a n g e n di e Ei e r aus dem E i e r s t o c k e in die Ki emen ? zu erörtern.
Einige, um die Naturgeschichte der Muschel hochverdiente Männer, als: P olt, Oken
und B ojaxus , haben zwei Löcher, oder vielmehr kleine Schlitze, entdeckt, welche
sich zwischen dem innem Kiemenblatte und dem Bauche, und zwar da, wo jenes
mit dem Vorderende mit diesem verwachsen ist, zu beiden Seiten befinden (Taf. II.
Fig. 19. a. h.) P o l i war unstreitig der erste Entdecker dieser Organe, ohne jedoch
deren Bestimmung zu enträthseln *); Oken sähe aus dem einen Schlitze, welcher
dem Banche am nächsten ist und in den Eierstock führt, die Eier hervorkommen **)
und B ojaxus lieferte endlich eine genauere Beschreibung dieser Organe, und Abbildungen,
welche die Stelle, wo solche zu finden sind, deutlich bezeichnen***): Durch
Leztem geleitet, wurde es mir nicht schwer, diese Organe mit unbewaffnetem Auge
aufzufinden. Es sind Schlitzchen (Taf. II. Fig. 19. a. b.), die ein weißlicher Wulst
begränzt, und die, sobald die Kiemenblätter auf dem Bauche liegen, genau aufeinander
passen. Das eine, dieser Schlitzchen (a.) führt durch das Bauchfell (c.) einwärts
in den Eierstock; das andere (b.) aber, diesem gegenüberstehend, abwärts, in
den längs dem RUckenrand des obem Kiemenblatts verlaufenden Eiergang *+**).
Schon aus dem Grunde, dafs jene beiden Schlitzchen auf einander passen, erscheint
die Möglichkeit des Ueberganges der Eier aus dem Eierstoeke in die oberen Kiemen
zulässig; denkt man sich aber die Wülste, welche die Schlitzchen begränzen,
znr Zeit des Uebergangs, in kurze Röhren verlängert, und beide in der Art verei*)
Tunica tendinea, anticam ejus partem obducens, duplici Rima (Taf. IX. Fig. 15. i. i.J, -quam
microscopio adauctam in Fig. 15. seorsim delincavimus, ulrinquo insignila ccmilur. Harum rima-
rum usiim, perinde ac ipsius v isceris , omnino ignoramus. P oli, Tom. I . Ord. secund. p. 6.
**) O kbn’ s Lebrbncb der Zoologie Abtheilung 1 . Jena 1815. S. 237. Isis 1818. Heft 11. S. 1878.
*.*( Bojanus angef. Sendschreiben S. 1- T. 1. F. 1. Bf. 1. 2.
***,) (Vach Bojsnus Sendschreiben S. 5. soll dieses in das, von ihm sogenannte, Lungenfach führen; allein
die Natur d e r Sache und wiederholte Untersuchungen mit einer feinen Sonde, lassen mich
diefs bezweifeln.
nigt, dafs die eine der andern als Scheide dient, so mufs solcher unfehlbar statt finden;
und eben eine. solche Unfehlbarkeit müssen wir, bei der weisen Einrichtung aller organischen
Geschöpfe, voraussetzen. Ich meinerseits erkläre mir den Uebergang der
Eier aus dem Eierstocke in die oberen Kiemenblätter auf die eben angegebene Weise,
und bin tun so geneigter, das angedeutete Schlitzchen (a.) für die Mündung des
Eierstocks zu halten, als man schon mittelst eines leisen Drucks auf den Bauch, Eier
aus jenem Schlitzchen hervorzudrücken vermag *). Bevor wir nun aber die Entwickelungsgeschichte
derselben weiter verfolgen, wird es nötliig seyn, über die Beschaffenheit
der Kiemenblätter selbst Einiges vorauszuschicken. Die K i emen bestehen
aus zwei Wänden, und diese wiederum aus einem rechtwinkeligen Gitterwerke,
welches aus einem zierlichen Gewebe mehrfacher Fäden, die sich indefs nur durch
das Mikroskop wahrnehmen lassen, gebildet wird (Taf. II. Fig. 21. 22.). Die Wände
sind von aufsen mit einer dünnen Haut überzogen, und nach unten, oder am
Bauchrande, in eine scharfe Kante vereinigt. Zwischen den beiden Wänden befinden
'sich Queerhäutchen, welche von dem Bauchrande bis gegen die Rückenverbindung.
der Kiemen aufsteigen , daselbst aber eine Oeffnung lassen, und somit längs
dem Rücken der Kiemen einen freien Gang, den Ei e r g a n g , bilden. Während sich
die Eier im Eierstocke entwickeln, bereiten sich die Kiemen zur Aufnahme derselben
vcr; die-gedachten Häutchen weichen aus einander; es entstehen Queerfäeher, und
diese füllen sich mit einem schleimigen Fluidum; vielleicht befruchtendem Saamen?
Die . aus dem Eierstocke in die Kiemen zu beiden Seiten übergehenden Eier senken
sich, nach den Gesetzen der Schwere, in die ersten, dem Bauche zunächst gelegenen
Kiemenfächer; sind nun diese gefüllt, so gleiten die nachfolgenden darüber weg,
in die denselben zunächst gelegene 2te, Sie, 4te etc., bis daß, auf gleiche Weise,
alle Fächer angefüllt sind.
Die Entwickelung der Eier in den Kiemen nimmt nun einen raschen Fortgang.
Der bisher körnige Dotter erscheint nun von mehr zelliger Structur, und nimmt, auf
*) G. R. T reviranüs hat diese Schlitzchen, bei der Teichmuschel, nicht aufgefunden, und ziehet ih r
Vorhandcnseyn in Zweifel, Nach seinen Untersuchungen ist es der Nahrungscanal, durch welchen
die Eier aus dem Eierstoche in die Kiemenfächer gelangen, indem die Äusführungsgäüge des
Eierstocks nur in den Magen und den Anfang des Mastdarms hinüber führen sollen. Zeitschrift-
für Physiologie. Heidelberg 1824» Band 1. Heft 1. S. 37. 38.