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Ich wünsche, dafs diese hier erzählten Beobachtungen von
dem merkwürdigen Verhalten der Gänge, wenn sie aus ihrem
ersten Gebirgsgestein in andre fremdartige Gebirgsjäger übersetzen,
Gelegenheit geben mögen noch mehrere anzustellen,
und sie genau zu beschreiben. Unstreitig sind dergleichen E rscheinungen
schon ehedem vorgekommen; man hat aber darauf
nicht geachtet, weil der gemeine Bergmann die Gesteinarten
selten kennt, und nur meistens auf die mehrere oder mindere
Festigkeit Acht ha t, und -sie daher nicht zu benennen, viel
weniger zu beschreiben versteht. Der wissenschaftliche Beobachter
kommt daher öfters nur durch ein glückliches Ungefähr
d a zu , und die meisten Erscheinungen bleiben verborgen, die,
wenn sie bekannt würden, den Geognosten vielfältig belehren
könnten. Um nur bey diesen Erscheinungen stehen zu bleiben,
so scheint es doch ganz unbezweifelt zu seyn, dafs ganz andere
Kräfte bey'Entstehung oder Entwicklung des Ganges im Gneis
und Glimmerschiefer gewirkt, die im Porphyr, Kalkstein und
Schwefelkies vielleicht nicht vorhanden waren, oder nicht wirken
konnten. Denn wie wäre es aufserdem begreiflich^ dafs
ein Gang, wie z. B. vorhin bey dem Frauensteiner Gebirge angeführt
worden ist, im Porphyr sich so ganz und gar in Ansehung
seiner Mächtigkeit, seiner Gang - und Erzarten, «Jie er vorher
im Gneise hatte, verändern, und sie sogleich wieder annehmen
könne, wenn er aus dem Porphyr wieder in den Gneis kommt,
ohne dabey im mindesten seine Lage in Ansehung des Streichens
und Fallens zu ändern? Bey dergleichen Beobachtungen kann
ntan sich fast nicht enthalten, eine Verwandtschaft, einen wechselseitigen
Einflufs des G ebirgsgesteins und der Gänge mehr oder
weniger auf einander, und eine Entwickelung des einen aus dem
andern anzunehmen. Mehrere Aufklärung hierüber müssen
wir aufserdem noch von dem Fleifse geschickter und unbefangener
Beobachter künftig erwarten; nachstehende Beyspiele aber
werden den wechselseitigen Einflufs des Gebirgsgesteins und der
Gänge auf einander noch mehr beweisen.
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Es finden sich zuweilen S tellen an beiden Seiten der Gänge,
wo die aus Gneis, Glimmer und Thonschiefer bestehenden dünnen
Schichten oder Blätter in einer Entfernung von 6, 8 und
mehrern Zollen nicht ihre horizontale oder gegen den Horizont
geneigte Lage behalten, sondern vielmehr eine gekrümmte angenommen
haben, und auf der einen Seite des Ganges gleichsam
von oben herab gebogen sind, und in dieser Lage an den Gang
kommen, auf der andern Seite aber unter einer ähnlichen Krümmung
von unten herauf den Gang berühren, bis sie nach und
nach in mehrerer Entfernung vom Gange ihre erstere horizontale
oder der horizontalen sich nähernde Lage wieder annehmen.
Man kann sich dieses am deutlichsten machen, wenn man sich
die dünnen Blätter oder Schichten des Gesteins unter der Gestalt
eines Lateinischen S vorstellt, wromit sie den Gang durchschnei-
den. Ich habe dieses-an dem Ludwigs - Spathgange bey der
Grube Churprinz Friedrich A u gu st, ingleichen bey der Grube
Kuhschacht zu Bräunsdoif, an verschiedenen Stellen der Gänge
gesehen, und so ist mir es auch von mehrern bekannt, wonach
es völlig das Ansehen hat, als wäre bey Entstehung des Ganges
durch einen Einflufs auf das angränzende Gestein eineVerände