v i n V O R R E D E .
Erscheinungen in der Natur lange und vielfältig zu beobachten,
ohne b e y dem Nachdenken, wie das wohl zugehe, auf eine wahrscheinliche
Ursache davon zu fallen; und vielleicht ist es noch
schwerer, dergleichen Beobachtungen ausführlich zu beschreib
en, ohne von seiner Meinung hierüber etwas zu verrathen.
Durch solche beyläufig eingestreute Gedanken will man aber
noch kein System festsetzen . Man giebt einen Wink zu weiterm
Nachdenken . So habe ich auch diese M einung eigentlich nur problematisch
vorgebracht, und wo ich positiv zu sprechen scheine, ist
es blofs geschehen, um die Sache in der K ürze klar genug darzu stellen
, so wieNewton durch das Wort A t t r a k t i o n blofs das Phä-
nomenon, keineswegs aber die Ursache davon bezeichnen wollte.
Gesetzt aber, man sähe meine hierund da geäufserten Meinungen
über die Entstehung der Gänge, die ich auch in meiner
Mineralogischen Geographie schon ehedem für nichts anders als
Muthmafsungen ausgegeben hatte, 3) als eine von mir aufgestellte
Hypothese an, die nicht Statt haben könnte; so könnte
ich w'ohl, wie jeder in gleichem Falle, verlangen, dafs man ihren
vermeinten Ungrund durch Beweise zeigte, und sie nicht durch
Machtsprüche verurtheilte. S o .h a t es dem Citoyen Coquebert
b e lieb t, sje ein absurdes System zu n en n en .4) Er würde es
wohl nicht gèthan haben, wenn er nicht Muthmafsungen mit
System verwechselt hätte. Eine jede Hypothese kann nur auf
zweyerley Art widerlegt werden : dafs man entweder z e ig t, es
3 ) M in e ra l. Geogr. S. 432.
4,) Journal des Mines N o . X V I I I . p . 63. in der Anmerkung, w o es keifst :
On est étonné de trouver cette Opinion avancée avec Conßance par un homme comme
Charpentier, qui a rendu à! ailleurs de grands Services à la Mineralogie. Voyez les
derniers pages de son bel Ouvrage sur la Geographie minéralogique de la S a x e , ou il
expose tout au long cet absurde Systeme.
werde etwas an sich unmögliches zur Ursache angenommen,
oder sie reichen nicht zu , alle Erscheinungen, unter denen die
Sache vorkommt, zu erklären. Das letzte möchte man wohl
dieser Hypothese nicht vorwerfen können. Also käme es nur
auf die innere Möglichkeit der Sache an. Wenn auch diese zur
Ze it nur noch gemuthmafst und nicht eigentlich bewiesen werden
kann, so läfst sich doch auch ihre Unmöglichkeit nicht
beweisen . Dieses zu thun, müfsten wir die chemisch einfachen
Stoffe, woraus unsere Erde und ihre festen Theile bestehen,
ihre innere wirksame Thätigkeit unter einander, die Verwandtschaften,
Zusammensetzungen, Zerlegungen, nebst allem, was
hieraus entstehen kann, und entstanden is t , genau kennen.
Vor einigen dreyfsig Jahren hätte man. freylich nicht gedacht,
dafs solche Umstände in Betrachtung zu ziehen w ären : aber die
vielen neuen Entdeckungen in der Chemie müssen uns wohl
behutsam machen, dasjenige, was auch nur einige Gründe der
Vermüthung für sich hat, defswegen zu läugnen, weil es uns
noch nicht bekannt is t . Die ehemaligen Mineralogen hätten
sich nicht im Traume einfallen lassen, dafs der härteste Stein
unter allen, der Diamant, sich in Gas auflösen und verschwinden
könne; und jetzt zweifelt niemand daran; wie ich denn diese
äufserst merkwürdige Erscheinung zweymal selbst gesehen habe.
Wie wäre es nun, wenn sich alle Gestein - und Erzarten, alle
organisirte und nicht organisirte Körper zuletzt in Gasarten auflösten?
wenn die geologischen Ideen des grofsen Franklin ä)
mehr als blofse Ideen, wenn sie durchaus Wahrheit wären?
Wenn ich nun durch Erscheinungen im Innern der Gebirge auf
5) Man sehe den lesensvverthen Aufsatz hierüber unter dem T ite l : Geologische
Phantasien, im Göttinger Taschenkalender vom Jahre 1795 • S . 79* u . f .
C h a r p b s t i k r , b