Dies spricht meines Erachtens dafür, dass das höhere Grössen-
mass d er Südniasser m eh r durch günstige Lebensverhältnisse
als d u rch Rassenunterschied hervorgerufen wird.
„D ie physiologische Maximumgrösse in einer V olksgruppe,”
schreibt Bolk x) „ is t in letzter Instanz ein Rassenfaktor; es
ist das Mass, welches als äusserstes innerhalb der Variabilitätsgrenze
der Rasse oder der Rassen liegt, aus denen
die Gi'uppe zusammengestellt ist. Dies Maximum k ann n a tü rlich
n u r erreicht w e rd en , wenn das mit dieser Anlage geborene
Individuum u n te r Verhältnissen aufwächst, welche die E n twicklung
dieser Anlage nicht unterd rü ck en .”
Aus der Tatsache, dass die maximalen Körpergrössen bei
den Südniassern u n d den Bewohnern des übrigen Nias ziemlich
dieselben sin d , u n ter den letzteren aber kleinere Individ
uen Vorkommen, bin ich geneigt zu folgern, dass die
günstigeren Lebensbedingungen in Süd-Nias dem Wachstum
u n d der Körperentwicklung weniger h indernd im Wege gestanden
h ab en , sodass viele die der Rasse bestimmte maximale
Körpergrösse, das anthropologische Optimum, wie Bolk es
n e n n t, erreichen konnten. Grössere Leute findet man in Süd-
Nias n ich t, wohl aber m eh r grosse und weniger kleine Individuen
als in den ände rn Teilen der Insel.
W enn bei den Südniassern die Spitze der Kurve, welche
die Körpergrösse angiebt, nach rechts verschoben ist h in sichtlich
der Spitze der Kurve d er übrigen Niasser u n d auch
prozentualisch an d er Spitze der südniassischen Kurve m eh r
Individuen Vorkommen, als an derjenigen der Eingeborenen
der übrigen Teile, so spricht das für eine Verbesserung d er
Statur in Süd-Nias. Man d a rf nicht vergessen, dass in den
übrigen Teilen von Nias häufiger Kreuzung mit fremden
Elementen stattgefunden haben kann. Wahrscheinlich ist es
jed o ch n ich t, denn durch Kreuzung müsste eine E rh ö h u n g
der Körpergrösse entstanden sein, da die umwohnenden, für
1) De lichaamslengte. van Amsterdamsche Joden in 1850 en 1900,
vergeleken met die der niet Joodsche bevolking. Nederl. Tijdschr.
voor Geneeskunde, 19 Nov. 1910.
eine Kreuzung in Betracht kommenden Völker grösser sind
als die Niasser.
Ausserdem erscheint m ir eine E rh ö h u n g der Körpergrösse
bei den Siid-Niassern durch Kreuzung mit fremdem Blut
auch d arum unwahrscheinlich, weil die Südniasser noch
isolierter gelebt haben als die übrigen Niasser; un d da auch
die Kurven an d eu ten , dass zwischen den Südniassern und
den übrigen Niassern kein Rassenunterschied besteht, bleibt
nicht viel anderes übrig als die Differenzen der Körpergrösse
dem Unterschied in den Lebensbedingungen zuzuschreiben.
Die breite Spitze der Kurve d er Körpergrösse — zwischen
151 und 160 lie g e n d ^B in Verband mit dem grossen Abstand
zwischen Anfangs- u nd Endp u n k t der Abscis (135—171) macht
es wahrscheinlich, dass sich u n te r den Niassern ein kleines
u nd ein grosses Element befinden, jedes mit einer eignen
Spitze, die in der breiten Spitze der Kurve miteinander verschmolzen
sind.
Auch bei den Minangkabau-Malaien fand ich eine breite
Spitze, zwischen 152 u nd 161 gelegen, mit einer dazwischen
liegenden besonders hohen Spitze von 157. Diese besonders
hohe Spitze ist wahrscheinlich durch das Zusammentreffen
des kurzen u nd des langen Elementes u n te r den Minangkabau-
Malaien entstanden.
Bekanntlich teilt Topinard die Menschheit in folgende
Gruppen ein:
Kleine Völker: u n ter 160 cm.
Völker u n te r Mittelgrösse: 160—164,9 cm.
Völker über Mittelgrösse: 165—169,9 cm.
Grosse Völker: 170 cm. und darüber.
Dieser Einteilung zufolge müssen also die Niasser zu den
kleinen Völkern der Erde gerechnet werden. Die Gruppe der
kleinen Völker lässt sich nach den Untersuchungen der letzten
Jah re nochmals in zwei Abschnitte zerlegen, nämlich in die
Volksstämme mit einer Körpergrösse u n te r 150 cm. — die
Zwergrassen oder Pygmäen — und die Gruppe, welche eine
Körpergrösse von 150—159,9 hat. Zu dieser letzteren gehören
dann die Niasser mit einer Durchschnittsgrösse von 154,73 cm.