Individuen d er gekreuzten Rasse, so möchte ich sagen, dass
die Niasser kein Negritenblut in sich haben, denn ich habe
bei keinem einzigen spiralförmiges Ha ar konstatieren können.
Es will m ir scheinen, dass die Untersuchungen von Modigliani
an einer zu kleinen Anzahl Leute (zehn M ä n n e r!) vorgen
om m en worden sind, um aus den Ergebnissen Schlüsse ziehen
zu können, umsomehr, als diese zehn Eingeborenen nach
seiner Aussage, im allgemeinen einen sehr verschiedenartigen
Typus zeigten ; die einen sind prognath, die ände rn orthognath,
manchma l ist das Gesicht oval, in ände rn Fällen w ieder rund.
In einem Artikel ü b er Nias, der im „Ausland” erschienen
ist r) , wird ebenfalls au f die V erwandtschaft zwischen Niassern
u n d Batak hingewiesen: „Wie aber jene Inseln an Sumatras
Westküste in geologischer Beziehung ihre vollkommene Zusammenhörigkeit
zu r Hauptinsel documentieren, so zeigt auch
ih re Bevölkerung d u rch einzelne aber sehr charakteristische
Merkmale sich so eng mit den Batta, den Ureinwohnern
Sumatras verwandt, dass man glauben möchte, jene geologischen
Katastrophen hätten zu einer Zeit stattgefunden, wo die
Inseln oder die Landesteile, deren Rest sie bilden, bereits von
Menschen bewohnt gewesen. Ist dies nicht der Fall, so sind
sie jedenfalls zu einer Zeit, als die Batta, welche jetzt n u r im
Innersten des Waldes hausen, noch Herren der Küste un d
somit der ganzen Insel waren, von diesen bevölkert worden.
Wenn n u n einerseits diese Übereinstimmung mit den Batta
selbst einen renomierten Ethnologen wie Dr. Ju n g h u h n dazu
fü h rte zu behaupten, dass die Niasser etwa vor 700 Jahren
von den Batta sich abgezweigt hätten, so haben in neuster
Zeit die Forschungen deutscher Missionäre eine Reihe von
Tatsachen an das Licht gebracht, welche ganz geeignet sind,
jen e Ansicht umzustossen. Obwohl nämlich die Sprache der
Niasser unzweifelhaft Verwandtschaft mit der Battasprache
zeigt, so weist sie daneben so charakteristische Unterschiede
auf, dass nach Analogie an d e re r Ergebnisse der vergleichenden
Sprachwissenschaft die gegenteiligen Schlüsse, welche au f eine
1) Die Insel Nias. Das Ausland. 1880.
selbständige Entwickelung der Sprache u n d somit des Volkes
hinweisen, ebenso berechtigt sind ” .
Man d arf auch nicht übersehen, dass zwischen den Batak
u n d den Niassern ethnologisch in m ehre ren Pu n k ten bedeutende
Unterschiede bestehen. Zum Beispiel fehlt au f Nias d er
Kannibalismus, die Niasser haben keine Schrift, wogegen die
Batak Handschriften besitzen.
Es ist jedoch möglich, dass ursprünglich bei den Niassern
genau dieselben Gebräuche bestanden haben, wie bei den
Batak, dass sie aber im Lauf der Zeit teilweise verloren gegangen
sind. Mir kommt dies jedoch bei einem Volke, das so
seh r an seinem Ritus u nd ada t hängt, nicht wahrscheinlich
vor, umsomehr, wenn es sich um so bedeutungsvolle, prinzipielle
Sitten u n d Gebräuche handelt. Wie mir aber He rr
Wasterval, der während meines Aufenthaltes in Nias Befehlshaber
über das Bivouak z u 'L a h u s a (S. 0 . Nias) war, erzählte,
könnte man annehmen, dass der Kannibalismus au f Nias nicht
gänzlich fehlt. Das niassische Wort für „Koppensnellen” bedeutet
nach He rrn Wasterval „Mensch essen” u nd nicht „Mensch
tö ten ”. Ein Kamponghaupt, in einem Kampong am Idano
Gomo, h a t sogar He rrn Wasterval die vertrauliche Mitteilung
gemacht, dass sein Grossvater frü h er so gerne Menschenfleisch
gegessen h a b e ; er selbst tue es nicht mehr, denn ihm schmecke
das Schweinefleisch viel besser.
Das Opferschwein bei den Festen zu E h ren eines Raubzuges
a u f Menschenköpfe, wird verteilt u n d die zugewiesene Portion
als „Makania” oder als „Makan Nih a” d. h. Menschenfleisch-
essen, verzehrt. Hieraus könnte man schliessen, dass auch au f
Nias Menschenfleisch gegessen worden ist.
Sundermann *) n en n t die Niasserstamm- u n d sprachver-
wandt mit den Batak. Nach Raap 2) h a t man au f Nias zwei
verschiedene Volkselemente, da die Bewohner des nördlichen
1) Sundermann, H., Neue Beiträge zur Ethnographie von Nias.
Ausland. 1892.
2) Raap, Hugo, Reisen auf der Insel Nias bei Sumatra. Globus.
Band 83. 1903.