auch ein sehr unbedeutender gefasst wird. Bei diesen Erö rte ru n gen
zeigt sich ih re Redegewandtheit. Im allgemeinen ist der
Niasser intelligent und scharfsinnig u nd in Handarbeiten geschickt.
Bei d er Herstellung von Schmuckgegenständen u nd
Schnitzwerk entwickelt er einen nicht geringen Kunstsinn und
feinen Geschmack. Wenn nötig k ann d er Niasser sehr energisch
auftreten.
Seine Sorglosigkeit jedoch hat Faulheit und Unreinlichkeit
im Gefolge. „F au lh eit, sagt Schultze *), fü h rt zu Unreinlichk
e it” . Dies bewahrheitet sich auch bei den Niassern.
Als weniger gute Eigenschaften möchte ich ausserdem noch
ih ren Aberglauben n e n n e n , ihre Putzsucht und Eitelkeit, ihre
heftige impulsive Gemütsart, Falschheit, Rachsucht un d Neugierde.
Dankbarkeit scheint selten bei ihnen zu s e in ; ich habe häufig
Niasser längere Zeit behandelt, v e rb u n d e n , mit Arzneien versorgt,
aber von Dankbarkeit nichts bemerken k ö n n e n , meistens
nahmen sie meine Hülfe als etwas Selbstverständliches hin.
Nach den Aufzeichnungen der Missionare jedoch d arf man
auch auf Ausnahmen schliessen, sie wollen Niasser gefunden
h ab en , welche die ihnen gewidmete Mühe un d Sorge schätzten
und sich dan k b a r dafür zeigten, mir selbst jedoch ist nichts
davon zuteil geworden. Möglicherweise muss es der Kürze
meines Aufenthaltes an ein un d demselben Orte zugeschrieben
we rd en , wodurch ich keine Gelegenheit fan d , ih r Vertrauen
vollkommen zu gewinnen, denn auch Kontrolleur Schröder
teilte m ir mit, dass seine Erfahrungen günstiger gewesen seien
als die meinen. Andere Autoritäten dagegen hatten wenig
Vertrauen zu der niassischen Dankbarkeit.
Von ih re r Neugier konnte ich mich selbst mehrmals überzeugen,
beim Öffnen-meiner Kisten stand häufig eine ganze
Schaar um mich h er und wartete neugierig a b , was alles zum
Vorschein kommen werde.
Die fü r mich am stärksten auffallende niassische Eigenschaft
ist die Unzuverlässigkeit. Noch nie lernte ich ein Volk kennen,
das so lügen kann. Sie versprechen alles, was man verlangt,
halten aber fast niemals W o rt u nd suchen, so wie die geringste
Mühe für sie damit v erbunden ist, sich au f heimtückische
Weise dem gegebenen Versprechen wieder zu entziehen. Diese
Eigenschaft erschwert die Arbeit mit ihnen au sse ro rd en tlich ,
besonders wenn die Zeit beschränkt ist, denn auch ihre Auskünfte
u nd Angaben waren häufig nicht zuverlässig, man
musste immer wieder a u f’s Neue fragen und sich bei den verschiedensten
Eingeborenen erkundigen, ehe man sich einiger-
massen au f die Antworten verlassen konnte. Der ethnologische
Forscher muss für dies Völkchen mit viel Zeit und grösser
Geduld ausgerüstet sein.
Von Zeit h a t der Eingeborene ü berhaupt noch keinen Begriff,
Eile kennt er ebenso wenig. Wer u n te r einem Volke wie
die Niasser es sind, ethnologische Studien machen will, muss
sich von vorne herein k lar m a c h e n , dass er u n te r durchaus
ändern und häufig viel schwierigeren Verhältnissen zu arbeiten
hat, als in u n sre r Kulturwelt, wo ein Jeder von frühster Jugend
an den Wert der Zeit kennen lernt. Wird man ungeduldig
u nd wirft den Leuten ihre Trägheit u n d Indolenz vor, macht
man sie n u r ängstlich und verlegen und hat zu b e fü rch ten ,
ih r Vertrauen ganz u nd gar zu verlieren, un d dann ist überhaupt
nichts m eh r mit ihnen anzufangen. Häufig ist jedoch
das, was uns als Trägheit und Indolenz erscheint, der Ausfluss
einer bewussten Vorstellung, und der Forscher, dessen
Zweck es ja gerade ist diese Vorstellungen kennen zu le rn en ,
tut gut sich die Mühe nicht verdriessen zu la ssen , den Beweggründen
ihres Betragens nachzuspüren.
Grösstenteils werden die Vorstellungen der Niasser durch
ihren Aberglauben u nd die F u rch t vor bösen Geistern und
Zaubermächten beherrscht. Wohlverstanden, gilt diese Aussage
n u r von den N iasse rn , die ihrem ursprünglichen Gottesdienst
treu blieben un d weniger von den zum Christentum bekehrten
, die durch einen längeren Verkehr mit den Missionaren
beeinflusst sind.
Die bösen Geister, welche die Niasser überall vermuten u nd
fürchten sind es, die sie ängstlich u nd mistrauisch machen.